"Euer Herz lasse sich nicht verwirren!"

Theologen unterstützen friedlichen Protest in Lützerath

Veröffentlicht am 14.01.2023 um 12:57 Uhr – Lesedauer: 

Lützerath ‐ Die Ausweitung des Tagebaus auf Lützerath sei "Gewalt gegen zahlreiche Menschen, insbesondere im globalen Süden, und unsere gesamte Mitschöpfung", kritisieren Theologen in einer Petition – und appellieren ihre Kolleginnen und Kollegen.

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Theologinnen und Theologen haben sich in einem Appell mit den friedlichen Protesten gegen die Räumung und Abbaggerung von Lützerath zur Braunkohlegewinnung solidarisiert. "Das Johannesevangelium erzählt, wie Jesus vor seiner Verhaftung und schließlich Hinrichtung die Jünger darin bestärkt, auch in den kommenden Tagen des Leidens und des vorläufigen Scheiterns an dem gemeinsamen Weg der letzten Jahre festzuhalten: 'Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Glaubt an Gott und glaubt an mich.' (Joh 14,1)", heißt es in der Petition, die am Samstag auf dem Internetportal "y-nachten.de" veröffentlicht wurde. "So wollen auch wir euch und alle Menschen vor Ort – welchen Glaubens auch immer – ermutigen: Bleibt bei euren guten Mächten, um den Armen die frohe Botschaft zu bringen, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und den Zerschlagenen Freiheit (vgl. Lk 4,18-19)."

Die 33 Erstunterzeichnenden hoben in ihrem Text das Engagement der Initiative "Kirch(n) im Dorf lassen" hervor, das "ein Vorbild für uns alle sein sollte". "Wir richten unser Wort direkt an 'Kirche(n) im Dorf lassen' und alle, die sich derzeit schützend vor Lützerath stellen: Ihr seid für viele derzeit ein Zeichen der Hoffnung wider alle Hoffnung (Röm 4,18) in einer krisengeschüttelten Welt". Die Ausweitung des Tagebaus sei "Gewalt gegen zahlreiche Menschen, insbesondere im globalen Süden, und unsere gesamte Mitschöpfung".

Moratorium für die Räumung Lützeraths

Gleichzeitig werden in der Petition alle Theologinnen und Theologen dazu aufgerufen, nach Möglichkeit an einer Großdemonstration am Samstag in Lützerath teilzunehmen, sich Solidaritätsaktionen in Städten und Gemeinden anzuschließen oder sie selbst zu organisieren sowie in der eigenen theologischen Arbeit auf die Klimakrise aufmerksam zu machen und in Lehrveranstaltungen mit Studierenden darüber zu diskutieren. Die Theologinnen und Theologen fordern zudem ein Moratorium für die Räumung Lützeraths. Dies hatten zuvor unter anderem das Hilfswerk Misereor und der Diözesanrat im Bistum Aachen gefordert.

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Ebenfalls am Samstag forderte die Initiative "Christians 4 Future" in einem Offenen Brief eine deutliche Stellungnahme von Bischöfen, Kirchenvertretern und Politikern sowie Solidarität und Seelsorge vor Ort. "Wir bitten Sie, unterstützen Sie die Christinnen aus Aachen bei ihrer Forderung nach einer Aussetzung der Räumung von Lützerath! Setzen Sie weitere starke Zeichen! Seien Sie vor Ort in Lützerath! Rufen Sie zu den Demonstrationen auf! Unterstützen Sie die aktiven christlichen Klimaschützerinnen vor Ort!", heißt es in dem Aufruf.

Zuvor hatte etwa der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun, die Proteste gegen Extremismusvorwürfe verteidigt. "Ich lehne es von Grund auf ab, dass Menschen, die für den Klimawandel eintreten und dafür friedliche Protestformen wählen, als Terroristen verunglimpft werden", sagte Podschun katholisch.de am Mittwoch.

Bischof Dieser: Gewaltspirale vermeiden

Der Aachener Bischof Helmut Dieser appellierte derweil an alle Beteiligten, eine Spirale der Gewalt zu vermeiden. Friedliche Proteste seien zentraler Bestandteil einer lebendigen Demokratie, sagte er ebenfalls am Mittwoch in Aachen. "Zu einem glaubwürdigen Rechtsstaat gehört aber auch, dass Regeln und Vereinbarungen eingehalten werden." Das Bistum respektiere die "rechtsstaatlich errungenen Entscheidungen". Der Ausstieg aus der Braunkohlewirtschaft sei beschlossen, Lützerath nun der letzte Ort, der abgebaggert werde.

Klimaaktivisten haben das Dorf Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler besetzt. Der Weiler liegt direkt an der Abbruchkante. Der Energiekonzern RWE und die nordrhein-westfälische Landesregierung hatten sich im vergangenen Herbst darauf geeinigt, die Braunkohleverstromung bereits 2030 und nicht erst 2038 zu beenden. Fünf Dörfer im rheinischen Revier (Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich, Berverath) sollen erhalten bleiben und nur Lützerath den Kohlebaggern weichen. Am Mittwochmorgen begann die Polizei mit der Räumung des Dorfes, das zum Bistum Aachen gehört. (cbr)