Jesus, der hoffnungslose Optimist?

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Schön wär’s ja schon. Wenn es stimmen würde. Oder einfach mal anfinge. Wenn das Licht wirklich leuchten würde. Wenn die Finsternis nicht das letzte Wort behielte. Wenn das Geld am Monatsende noch reichen würde. Wenn Menschen keine Angst mehr voreinander haben müssten. Es wäre schön, wenn wir das Wort Klima nicht nur noch zusammen mit Katastrophe hören müssten. Und wenn sich nicht alles ums Geld drehen würde. Um Macht und Stärke. Um große Egos, die sich am liebsten selbst im Spiegel betrachten. Nach so vielen Kriegen, nach so viel Zerstörung, nach so viel Leid und Elend müssten sich doch die Anführer der Völker und die Mächtigen der Welt zusammensetzen und sagen: "Schluss damit! Schluss mit all dem Wahnsinn! Schluss mit dem ewigen Höher, Weiter, Stärker!" Müsste eigentlich. Aber am Ende bleibt alles so, wie es ist. Am Ende machen alle weiter wie bisher. Am Ende kann man doch nichts machen. Und wir schon gar nicht …
Genau das hätte Jesus auch sagen können. Er hätte sich fügen, die Politik Politik und die etablierte Frömmigkeit etablierte Frömmigkeit sein lassen können. Aber genau das tut er nicht. Jesus überschreitet Grenzen. Immer wieder. Am Anfang seines Wirkens geht er über die Straße am Meer in das heidnische Gebiet im Norden. Die Stämme Sebulon und Naftali, längst waren sie im Strudel der Geschichte untergegangen, abgeschnitten von Israel. Bis auf die Erinnerung, dass auch dort mal Heiliges Land gewesen ist. Wer sich mit dem ehemaligen Nordreich beschäftigt, stößt auf Finsternis und Todesschatten. Exil und Vertreibung, Besatzung und Fremdherrschaft haben über Jahrhunderte das Leben der Menschen dort bestimmt. Und genau dorthin geht Jesus. Um an diesem Ort den Blick in die Zukunft zu richten. Um Menschen aufzurichten, dem Hass, der Gewalt, ja all den Mächten der Finsternis ein Licht entgegenzuhalten, das trotz allem nicht ausgelöscht werden kann – weil seine Glut voller Liebe ist und Mut und Überzeugung. Allein hat er es nicht geschafft. Er hat sich Menschen dazu gesucht, Männer und Frauen. Simon und Andreas, Jakobus und Johannes waren die ersten. Viele sollten folgen. Diesseits und jenseits der Grenzen, die "man" nicht überschreitet.
Und so geht sie weiter, seine Suche. Diesseits und jenseits unserer Grenzen. Denn die Dunkelheit ist immer noch da. In uns und um uns herum. Doch das Licht – das gibt es auch. Wo? Schauen Sie sich um! Blicken Sie auf das, was sich bereits tut! Blicken Sie dorthin, wo die Welt schon heller geworden ist, weil Menschen es gewagt haben, unüberwindliche Grenzen zu überschreiten. Dort, wo Kinder nicht mehr in Armut leben, Andersdenkende und Andersfühlende keine Angst mehr haben müssen, Gewalt im Keim erstickt, die Schöpfung bewahrt und Gerechtigkeit möglich geworden ist. All das gibt es ja schon. Und doch sind wir noch nicht am Ziel. Noch bleibt die Sehnsucht nach einer guten Welt, die real erfahrbar und keine Ausnahmeerscheinung ist. Und deshalb bleibt – unüberhörbar – die Bitte Jesu: "Gib nicht auf! Verkriech dich nicht im Schneckenhaus! Folge mir nach!"
Evangelium nach Matthäus (Mt 4,12–23)
Als Jesus hörte, dass Johannes ausgeliefert worden war, kehrte er nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafárnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sébulon und Náftali.
Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesája gesagt worden ist: Das Land Sébulon und das Land Náftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa:
Der Autor
Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.