Pfarrer Alexander Bergel über das Sonntagsevangelium

Jesus, der hoffnungslose Optimist?

Veröffentlicht am 21.01.2023 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Osnabrück ‐ Das gesellschaftliche Klima ist rau, die Nachrichten erschüttern und die Welt erscheint dunkel – also im frommen Elfenbeinturm verbarrikadieren und die Augen schließen? Pfarrer Alexander Bergel folgt den Spuren Jesu. Dieser Verkünder des Gottesreichs ging da hin, wo es wehtat.

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Schön wär’s ja schon. Wenn es stimmen würde. Oder einfach mal anfinge. Wenn das Licht wirklich leuchten würde. Wenn die Finsternis nicht das letzte Wort behielte. Wenn das Geld am Monatsende noch reichen würde. Wenn Menschen keine Angst mehr voreinander haben müssten. Es wäre schön, wenn wir das Wort Klima nicht nur noch zusammen mit Katastrophe hören müssten. Und wenn sich nicht alles ums Geld drehen würde. Um Macht und Stärke. Um große Egos, die sich am liebsten selbst im Spiegel betrachten. Nach so vielen Kriegen, nach so viel Zerstörung, nach so viel Leid und Elend müssten sich doch die Anführer der Völker und die Mächtigen der Welt zusammensetzen und sagen: "Schluss damit! Schluss mit all dem Wahnsinn! Schluss mit dem ewigen Höher, Weiter, Stärker!" Müsste eigentlich. Aber am Ende bleibt alles so, wie es ist. Am Ende machen alle weiter wie bisher. Am Ende kann man doch nichts machen. Und wir schon gar nicht …

Genau das hätte Jesus auch sagen können. Er hätte sich fügen, die Politik Politik und die etablierte Frömmigkeit etablierte Frömmigkeit sein lassen können. Aber genau das tut er nicht. Jesus überschreitet Grenzen. Immer wieder. Am Anfang seines Wirkens geht er über die Straße am Meer in das heidnische Gebiet im Norden. Die Stämme Sebulon und Naftali, längst waren sie im Strudel der Geschichte untergegangen, abgeschnitten von Israel. Bis auf die Erinnerung, dass auch dort mal Heiliges Land gewesen ist. Wer sich mit dem ehemaligen Nordreich beschäftigt, stößt auf Finsternis und Todesschatten. Exil und Vertreibung, Besatzung und Fremdherrschaft haben über Jahrhunderte das Leben der Menschen dort bestimmt. Und genau dorthin geht Jesus. Um an diesem Ort den Blick in die Zukunft zu richten. Um Menschen aufzurichten, dem Hass, der Gewalt, ja all den Mächten der Finsternis ein Licht entgegenzuhalten, das trotz allem nicht ausgelöscht werden kann – weil seine Glut voller Liebe ist und Mut und Überzeugung. Allein hat er es nicht geschafft. Er hat sich Menschen dazu gesucht, Männer und Frauen. Simon und Andreas, Jakobus und Johannes waren die ersten. Viele sollten folgen. Diesseits und jenseits der Grenzen, die "man" nicht überschreitet.

Und so geht sie weiter, seine Suche. Diesseits und jenseits unserer Grenzen. Denn die Dunkelheit ist immer noch da. In uns und um uns herum. Doch das Licht – das gibt es auch. Wo? Schauen Sie sich um! Blicken Sie auf das, was sich bereits tut! Blicken Sie dorthin, wo die Welt schon heller geworden ist, weil Menschen es gewagt haben, unüberwindliche Grenzen zu überschreiten. Dort, wo Kinder nicht mehr in Armut leben, Andersdenkende und Andersfühlende keine Angst mehr haben müssen, Gewalt im Keim erstickt, die Schöpfung bewahrt und Gerechtigkeit möglich geworden ist. All das gibt es ja schon. Und doch sind wir noch nicht am Ziel. Noch bleibt die Sehnsucht nach einer guten Welt, die real erfahrbar und keine Ausnahmeerscheinung ist. Und deshalb bleibt – unüberhörbar – die Bitte Jesu: "Gib nicht auf! Verkriech dich nicht im Schneckenhaus! Folge mir nach!"

Evangelium nach Matthäus (Mt 4,12–23)

Als Jesus hörte, dass Johannes ausgeliefert worden war, kehrte er nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafárnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sébulon und Náftali.

Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesája gesagt worden ist: Das Land Sébulon und das Land Náftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: Das Volk, das im Dunkel saß, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.

Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer.

Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach. Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus nach.

Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.

Der Autor

Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.

Ausgelegt!

Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.