Dem Mann wird sexuelle Nötigung vorgeworfen

Mehrere Bischöfe involviert: Prozess gegen Saar-Priester beginnt

Veröffentlicht am 13.02.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Trier ‐ Das Landgericht Saarbrücken verhandelt ab Montag wegen des Verdachts sexueller Nötigung gegen einen Priester. Im Prozess könnten auch Details zum Umgang der Kirche mit dem Beschuldigten und Betroffenen offenbart werden.

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Vor dem Landgericht Saarbrücken beginnt am Montag ein Prozess gegen einen Trierer Priester wegen des Vorwurfs sexueller Nötigung. Seit Jahren beschäftigen sich Strafverfolgungsbehörden mit ähnlichen Vorwürfen gegen ihn. Bislang stellte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen immer ein – weil die Vorwürfe verjährt waren oder Beweise fehlten. Nun können die Dinge anders liegen. Der Prozess könnte auch brisante Details zum Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauch offenbaren.

Im konkreten Fall geht es um Vorwürfe, die sich auf das Jahr 1997 beziehen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte einen 14-jährigen Messdiener "sexuell motiviert unangemessen berührt und dazu körperliche Gewalt angewendet" hat.

Er soll den Jungen über Nacht ins Pfarrhaus im nördlichen Saarland eingeladen und dann aufs Bett geworfen, gewaltsam festgehalten und im Intimbereich angefasst haben. Wiederholte Bitten zum Aufhören habe er ignoriert, so die Staatsanwaltschaft. Der mutmaßliche Betroffene habe sich gewehrt und entkommen können. Er soll nach KNA-Informationen heute selbst als Priester arbeiten. Der Angeklagte bestreitet den Angaben zufolge den Tatvorwurf.

Anzeige kam vom Bistum

Angezeigt wurde der heutige Ruhestandspriester vom Bistum Trier. Die aktuellen Vorwürfe tauchten im Rahmen eines kirchlichen Strafverfahrens auf. Denn auch die Kirche befasst sich seit Jahren mit dem Mann – und steht wegen ihres Umgangs mit ihm und mit den mutmaßlichen Opfern in der Kritik. Denn das Bistum Trier hatte bereits 2006 Hinweise zu Anschuldigungen, bemühte sich aber im Rückblick auch nach eigener Einschätzung nicht genug um Aufklärung.

Der Dom Sankt Petrus und die Liebfrauenkirche in Trier.
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

In dem Fall steht auch er Umgang des Bistums Trier in der Öffentlichkeit.

In den damals geltenden Regeln der Bischofskonferenz heißt es: "Die Fürsorge der Kirche gilt zuerst dem Opfer." Auch hätte das Bistum nach den kircheneigenen Vorgaben bei einem begründeten Verdacht eine Voruntersuchung einleiten und eine Freistellung des Beschuldigten prüfen müssen. Das geschah offenbar nicht.

2006 hatte ein mutmaßliches anderes Opfer den Priester angezeigt. Die Tat war damals knapp verjährt, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, informierte aber das Bistum.

Hochrangige Geistliche involviert

Brisant ist, dass mehrere hochrangige Geistliche mit dem Fall in irgendeiner Form befasst waren – darunter die heutigen Bischöfe von Trier, München und Limburg, Stephan Ackermann, Reinhard Marx und Georg Bätzing sowie der heutige Trierer Offizial Georg Holkenbrink. In einer gemeinsamen Erklärung teilten die drei Bistümer 2021 mit: "In der Tat sind im Verlauf der Bearbeitung dieses Falles Fehler passiert, sowohl im Umgang mit Betroffenen als auch in der Handhabung der Bearbeitung."

Erst 2015 beurlaubte das Bistum den Mann und informierte darüber die Gemeinde. Allerdings empörte die Art der Kommunikation viele in der Pfarrei, weil die im Raum stehenden Vorwürfe nicht klar benannt wurden und der dem Beschuldigten vorgesetzte Pfarrer aus Sicht vieler zum Buhmann wurde. Wenig später versetzte das Bistum den Beschuldigten in den Ruhestand und untersagte ihm, öffentlichen als Priester zu wirken.

Bischof Stephan Ackermann im Portrait
Bild: ©Julia Steinbrecht/KNA

Auch der Trierer Bischof Stephan Ackermann war mit dem Fall befasst.

Heute habe sich die Lage in der Gemeinde etwas normalisiert, meint einer, der sich intensiv mit dem Fall befasst. Es gebe zwar noch "Versteher" des Priesters, die sich darauf zurückziehen, dass er nie verurteilt wurde, aber ihre Zahl sinke. Konflikte gibt es immer noch. So wollte der Pfarreienrat im Vorjahr Ackermann von einer Firmung ausladen und argumentierte, er habe bis heute nicht "für weitere Klarheit und Aufarbeitung" gesorgt.

Kirchengericht befasst sich mit Fall

Von kirchlicher Seite befasst sich seit 2018 auf Anordnung des Vatikans das Kirchengericht Köln mit dem Fall. Über den Verlauf dringt kaum etwas nach außen. Auf KNA-Anfrage teilte das Kirchengericht mit, unlängst die Beweisaufnahme abgeschlossen zu haben – nach rund vier Jahren. Danach fertigen der Kirchenrichter als Ankläger und der Anwalt als Verteidiger des Angeklagten Stellungnahmen. Über solche Fälle entscheiden in der Regel drei Richter. Sollte das Kirchengericht den Mann für schuldig befinden, könnte er aus dem Priesterstand entlassen werden. Das Bistum äußert sich auf Anfragen zu dem Fall in der Regel nicht und begründet das mit dem laufenden Verfahren.

„Endlich hat die Warterei ein Ende.“

—  Zitat: Kläger auf Facebook

Die Aufmerksamkeit für das Saarbrücker Verfahren ist groß. Das Gericht hat acht Verhandlungstermine angesetzt und rund 20 Zeugen geladen. Aussagen werden einige mutmaßliche Betroffene, darunter mindestens eine Person, deren Verfahren eingestellt wurde. Wer darüber hinaus als Zeuge spricht – etwa aus der Kirche – ist offen.

Betroffenenvertreter wollen mithören

Als Zuhörer haben sich Mitglieder der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum angekündigt. Die Kommission befasst sich ebenfalls mit dem Fall, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte. Nach dem Prozess wird die Kirche in der Regel über das Urteil informiert. Anzunehmen ist, dass die Kirchenrichter in Köln die Entwicklungen in Saarbrücken beobachten und dass sich das Verfahren dadurch wohl nicht beschleunigt.

Mutmaßliche Opfer setzten indes Hoffnungen in den Saarbrücker Prozess. Derjenige, der den Priester 2006 anzeigte, schrieb dazu auf Facebook: "Endlich hat die Warterei ein Ende."

Von Anna Fries (KNA)