Einiges in Bewegung gebracht und für manche Enttäuschung gesorgt

Zehn Jahre Papst Franziskus: Sein Pontifikat in zehn Stichwörtern

Veröffentlicht am 13.03.2023 um 00:01 Uhr – Von Matthias Altmann – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Auf den Tag genau seit zehn Jahren ist Papst Franziskus im Amt. In dieser Zeit hat er einige Themen gesetzt und manches in Bewegung gebracht – bei vielen aber auch für Enttäuschung gesorgt. Zum Jahrestag seiner Papstwahl blickt katholisch.de unter zehn Stichwörtern auf sein bisheriges Pontifikat.

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Dass es ein kurzes Pontifikat sein könnte, wie er einmal sagte, stimmt schon mal nicht: Mit seinem nun vollendeten zehnten Amtsjahr liegt Franziskus mittlerweile im vordersten Drittel des Päpste-Rankings in Sachen Dauer des Pontifikats. Und offensichtlich hat er noch einiges vor – was sich nicht zuletzt am von ihm gestarteten Großprojekt einer Weltsynode zeigt. Franziskus, der erste Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri, hat einige Themen gesetzt und viel Staub in der Kirche aufgewirbelt. Er setzt auf mehr Dialog und offene Debatten und weckte damit manche Hoffnung. Ein Blick auf seine bisherige Amtszeit anhand von zehn Stichwörtern.

Franziskus, der Stil-Revolutionär. Seine Bescheidenheit ist zu einem seiner Markenzeichen geworden. Nach seiner Wahl berichteten Medien weltweit über seinen Verzicht auf die Mozetta bei seinem ersten Auftritt auf der Loggia des Petersdoms und seine schwarzen, orthopädischen Schuhe. Anstatt im Apostolischen Palast wohnt er im Gästehaus Santa Marta. Im Umgang mit Menschen zeigt er sich nahbar, spontan und unkonventionell, bei offiziellen Anlässen interessiert ihn das Protokoll wenig – was bei seinen Personenschützern schon mal zu Schweißausbrüchen führen kann.Franziskus hat zweifellos dazu beigetragen, das Papsttum aus seiner sakralen Wolke herunterzuholen. Für einen kommenden Pontifex dürfte es in diesem Punkt kein Zurück hinter Franziskus geben.

Franziskus, der Kommunikator. Ob er sich auf der Loggia des Petersdoms verbeugt, um ein Segensgebet der Gläubigen entgegenzunehmen, ob er einen durch Krankheit entstellten Mann umarmt oder den Anführern südsudanesischer Bürgerkriegsparteien die Füße küsst, um sie um Frieden zu bitten: Franziskus ist ein Papst der Gesten. Gläubige, die ihm einen Brief schreiben, erhalten ein persönliches Antwortschreiben oder werden gleich direkt angerufen. Daneben scheut Franziskus den direkten Kontakt mit Medien nicht. Gefühlt erscheinen jede Woche mindestens zwei Interviews mit ihm, in denen er zu allen möglichen Themen Stellung bezieht. Das kommt nicht bei jedem gut an, da seine Aussagen manchmal durchaus für Verwirrung sorgen.

Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani (Archivbild)

Papst Franziskus spielt Tischkicker nach der Generalaudienz im Vatikan. Der Pontifex ist immer wieder für spontane und unkonventionelle Aktionen gut.

Franziskus, der Seelsorger. Der Papst spricht oft von seiner Vision der Kirche als Lazarett: Die Kirche müsse dorthin gehen, wo die Menschen "leben, wo sie leiden, wo sie hoffen". Ihre Aufgabe sei nicht, zu verurteilen, sondern Barmherzigkeit zu üben. Er wolle "allen einen Platz in der Kirche geben", sagte er zuletzt in einem Interview. Exemplarisch dafür steht seine Öffnung der Kirche für die LGBTQ-Gemeinschaft. Immer wieder äußert er sich wohlwollend etwa über Homosexuelle: Er zeigt sich ihnen gegenüber zugewandt, reagiert auf ihre negativen Erfahrungen mit Empathie und sorgt sich um ihre kirchliche Integration. Gott sei ein Vater, der "keines seiner Kinder verleugnet", wird er nicht müde zu betonen.

Franziskus, der Aufrüttler. Der Papst träumt von einer solidarischen, gerechten und friedlichen Gesellschaft – und drängt zum Einsatz dafür. "Macht Rabbatz!", forderte er, wenn er zu jungen Menschen spricht. In seiner Enzyklika "Fratelli tutti" aus dem Jahr 2020 wendet er sich mit einem Appell an die ganze Welt: Nur gemeinsam könnten die Probleme der heutigen Zeit bewältigt werden – oder gar nicht. "Es ist möglich, einen Planeten zu wünschen, der allen Menschen Land, Heimat und Arbeit bietet", schreibt er darin. Zudem ruft er immer wieder mit Nachdruck zum Engagement für Geflüchtete auf.

Franziskus, der Kapitalismus-Kritiker. Unentwegt setzt er sich für soziale Gerechtigkeit ein. Das geht oft einher mit einer dezidierten Kritik am unreglementierten Kapitalismus und Wirtschaftsliberalismus. In seinem Lehrschreiben "Evangelii Gaudium" aus dem Jahr 2013 hält er fest: "Diese Wirtschaft tötet." Gemäß Gottes Gebot 'Du sollst nicht töten' müsse die Kirche dem Grenzen setzen. "Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung", "Nein zur neuen Vergötterung des Geldes", "Nein zu einem Geld, das regiert, statt zu dienen", "Nein zur sozialen Ungleichheit, die Gewalt hervorbringt" – das sind die Forderungen von Franziskus.

Franziskus, der Öko-Papst. Sein Schreiben mit der größten internationalen Resonanz ist vermutlich die Umweltenzyklika "Laudato si". Er befasst sich darin mit dem Umwelt- und Klimaschutz sowie mit Problemen, die durch Ignorieren ökologischer Zusammenhänge verschärft werden, etwa soziale Ungerechtigkeit oder Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. Die globale Erwärmung bezeichnet er als "eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit", weswegen es von großer Bedeutung sei, den Treibhausgasausstoß "drastisch" zu reduzieren und aus der Verbrennung fossiler Energieträger auszusteigen. Wie wichtig ihm dieses Thema ist, stellt Franziskus immmer wieder unter Beweis: Die Päpstliche Sommerresidenz in Castel Gandolfo lässt er beispielsweise zu einem Zentrum für ökologische Bildung und Landwirtschaft umbauen. Es soll den Namen "Borgo Laudato Si" tragen.

Papst Franziskus steht am Rednerpult und spricht mit ernsthaften Blick.
Bild: ©KNA (Symbolbild)

Eindringlich fordert Papst Franziskus zu Solidarität und Gerechtigkeit in der Welt auf.

Franziskus, ein Friedensbringer? Franziskus‘ außenpolitische Mission ist geprägt von der theologischen Überzeugung, dass alle Menschen, egal, welcher Religion sie angehören, Geschwister sind. Besonders deutlich wurde das bei seinem Besuch in Abu Dhabi im Februar 2019, als er mit dem Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität das "Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen" unterzeichnete. Auch internationale Krisenherde wie etwa den Südsudan scheut er nicht. Auch im Ukraine-Krieg ist Franziskus nach eigenem Bekunden bereit zu vermitteln und spricht immer wieder über mögliche Besuche in Kiew und Moskau. Für manche Beobachter veurteilt er jedoch den Aggressor Russland nicht ausreichend.

Franziskus, ein Anpacker? Franziskus hat Reformen bei der ins Schlingern geratenen Vatikanbank eingeleitet und – nach einem langen Prozess – die Kurie reformiert. Kongregationen heißen nun Dikasterien und sollen vor allem den Ortskirchen zuarbeiten. In Leitungspositionen kurialer Behörden beruft Franziskus immer mehr Frauen. Die Regeln der Kirche im Umgang mit Missbrauch und seiner Vertuschung hat er verschärft und 2019 zu einem großen Anti-Missbrauchsgipfel in den Vatikan eingeladen. Im Hinblick auf dieses Thema werfen ihm Kritiker jedoch vor, bei befreundeten Kirchenmännern nicht so genau hinzusehen – etwa bei Ex-Kardinal Theodore McCarrick.

Franziskus, ein Machtmensch? Dass der umgängliche Franziskus auch entschlossen, durchsetzungsstark und rigoros sein kann, mussten einige prominente Kirchenmänner leidvoll erfahren, die unvermittelt von ihrer kurialen Position entfernt wurden. Und nicht zuletzt die Anhänger der vorkonziliaren Messform, die er immer weiter eingeschränkt hat – ein endgültiges Aus nicht ausgeschlossen. Franziskus geht es bei diesem Thema vorrangig um die Einheit im Glauben und die Treue zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Diese sieht er bei den Anhängern der vorkonziliaren Liturgie offensichtlich nicht unbedingt gegeben.

Franziskus, ein Reformer? Viele Gläubige wurden nach anfänglicher Hoffnung immer mehr enttäuscht: Während er in etlichen Bereichen gewiss Bewegung gebracht und einen neuen Stil eingeführt hat, bleibt Franziskus in Sachen Lehre auf der Linie der traditionellen Aussagen. Sein angekündigtes Programm der "heilsamen Dezentralisierung" scheint er zudem aufgegeben zu haben. Mittlerweile haben sich zwei päpstliche Kommissionen mit dem Frauendiakonat befasst; von der ersten weiß man, dass sie sich nicht einig war. Auch wenn Franziskus mit dem weltweiten synodalen Prozess zeigt, dass er bereit ist, auf die vielfältigen Stimmen der Gläubigen in den jeweiligen Ortskirchen zu hören und sich mit ihnen auseinanderzusetzen – in erster Linie geht es ihm um ein neues Miteinander in der Kirche. Doch viele in der Kirche, selbst Bischöfe, halten es nicht für ausgeschlossen, dass die Weltsynode eine Art Türöffner für konkrete Veränderungen in der Zukunft sein wird. Andere wiederum scheinen genau davor Angst zu haben und sehen in der Weltsynode einen Angriff auf die Kirche.

Von Matthias Altmann