Erzbischof Burger fassungslos über Verhalten seiner Vorgänger

Kirchenrechtliches Verfahren gegen Zollitsch wegen Vertuschung

Veröffentlicht am 18.04.2023 um 12:51 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Die mutmaßliche Vertuschung von Missbrauch über Jahrzehnte hinweg hat für den emeritierten Freiburger Erzbischof Zollitsch ein kirchenrechtliches Nachspiel: Der jetzige Amtsinhaber Burger teilte mit, dass Rom der Fall schon vorliegt.

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Gegen den emeritierten Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch läuft ein kirchenrechtliches Verfahren aufgrund der mutmaßlichen Vertuschung von Missbrauch, der in einer Aktenanalyse dokumentiert wurde. Nach der Vorstellung der Studie der Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt zeigte sich der amtierende Erzbischof Burger am Dienstag fassungslos angesichts der Ergebnisse: "Meine Vorgänger im Amt haben geltendes kirchliches Recht, das ein Eingreifen und Melden von Fällen vorgesehen hat, schlichtweg ignoriert." Burger sieht Corpsgeist und Institutionenschutz als Grund für das Fehlverhalten seiner Vorgänger. Dass das Leid der Betroffenen jahrelang völlig ignoriert worden sei, sei ein Skandal. "Hier wurde die Frohe Botschaft Jesu eindeutig pervertiert", so der Erzbischof.

Für die Übernahme der Verantwortung durch Zollitsch könne Burger nicht sprechen und verwies auf vergangene Stellungnahmen des emeritierten Erzbischofs. "Ob und in welcher Form kirchenrechtliche Konsequenzen zu ziehen sind, obliegt der Beurteilung des Apostolischen Stuhls in Rom." Die Meldung sei nach den Regelungen der Verfahrensordnung "Vos estis lux mundi" erfolgt. Als Erzbischof bat Burger die Betroffenen für das Versagen im Erzbistum um Verzeihung und sicherte ihnen Unterstützung zu. "Ich tue dies aus voller Überzeugung", so Burger. Mit Verweis auf das laufende Verfahren äußerte er sich dazu nicht weiter.

Burger erklärte, ihn treibe die Frage um, ob er als Offizial der Erzdiözese (2007-2014) kritisch hätte nachfragen müssen oder ob er zu sehr Teil des Systems gewesen sei. "Wo mir in der Vergangenheit Fehler unterlaufen sind, wo ich in der Erfüllung meiner Aufgabe nicht sensibel gegenüber Betroffenen war, bedauere ich das zutiefst und bitte um Vergebung", sagte Burger mit Blick auf die Beurteilung seines eigenen Handelns als Erzbischof und sicherte zu, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und strukturelle Schwachstellen zu beheben.

Zollitsch will sich vorerst nicht äußern

Zollitsch hatte am Montag angekündigt, dass er sich vorerst in der Sache nicht äußern wolle. "Aus Rücksicht auf die Betroffenen von sexualisierter Gewalt und aus Respekt vor einer notwendigen und vollständigen Aufarbeitung" habe sich Zollitsch Schweigen auferlegt, teilte sein Sprecher mit. Der Alterzbischof stelle seine "eigenen persönlichen und rechtlichen Belange ausdrücklich hintan". Im Oktober hatte der emeritierte Oberhirte in einer Videobotschaft zum wiederholten Mal Fehler eingestanden.

Am Dienstag wurden in Freiburg die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Aktenanalyse der Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Erzbistum vorgestellt. Die Studie konzentriert sich auf 24 exemplarische Fälle und hat nicht den Anspruch, die Fallzahlen umfassend zu erfassen. Im Vergleich zur MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) von 2018 geht die Kommission von einer höheren Zahl aus als damals festgestellt. Genannt wurden 250 beschuldigte Priester und mindestens 540 Betroffene. Sie gehe aber angesichts der schlechten Aktenführung von einem erheblichen Dunkelfeld aus. Bei der Vorstellung der Ergebnisse stellte der Leiter der AG Aktenanalyse, der Jurist Eugen Endress, fest, dass Zollitsch bei Befragungen durch die Arbeitsgruppe seine persönliche Verantwortung kaum eingeräumt habe. "In den Befragungen hat er immer von 'wir' geredet, die erste Person Singular kam nicht vor", so Endress. Im Laufe der Amtszeit von Zollitsch habe sich der Umgang mit Missbrauchsfällen zwar verbessert, aber nicht aufgrund der Einsicht des Erzbischofs, sondern aufgrund des Umfelds im Ordinariat, das erkannt habe, dass ein Umsteuern nötig sei. (fxn)

Abschlussbericht der AG Machtstrukturen und Aktenanalyse

Der Abschlussbericht der AG Aktenanalyse der GE-Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Erzdiözese Freiburg schlüsselt die Ergebnisse auf fast 600 Seiten auf und ist im Volltext online verfügbar. Für den Bericht zeichnen der Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a. D Eugen Endress und  Oberstaatsanwalt a. D. Edgar Villwock verantwortlich.