Erster Tag des Ungarn-Besuchs des Pontifex

Europa-Rede von Papst Franziskus: Gegen Populismus und Gleichmacherei

Veröffentlicht am 28.04.2023 um 17:16 Uhr – Von Ludwig Ring-Eifel (KNA) – Lesedauer: 

Budapest ‐ Die Zukunft Europas liegt Franziskus am Herzen. Schon früher hat der von Italienern abstammende Papst an die Ideale der EU-Gründerväter erinnert. Auch in Ungarn beschwor er ihr Vermächtnis für die Zukunft des Kontinents.

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Papst Franziskus hat zum Auftakt seiner dreitägigen Ungarnreise eine europapolitische Grundsatzrede gehalten. In Anwesenheit der Spitzen von Staat, Politik und Zivilgesellschaft wandte er sich entschieden gegen Populisten in den EU-Ländern, die Europa "in Geiselhaft" nähmen und zu ihrer "Beute" machten.

Ebenso scharf wandte sich der Papst gegen Tendenzen zur Auflösung der nationalen Eigenheiten der Völker Europas. Europa dürfe nicht in einen "abstrakten Supranationalismus" verfallen und sich nicht zu einer "flüssigen oder sogar gasförmigen Realität" verwandeln.

Mit Nachdruck wandte Franziskus sich gegen eine ideologische Gleichmacherei, wie sie in der Gender-Kultur zum Ausdruck komme. Als weiteres Beispiel nannte er das "widersinnige Recht auf Abtreibung", das als Errungenschaft angepriesen werde und einen Gegensatz zwischen einem verengten Freiheitsbegriff und der Realität des Lebens schaffe.

Zitate von Gründervätern

Mehrere Male zitierte der Papst Sätze der EU-Gründerväter Alcide De Gasperi und Robert Schuman aus den 1950er Jahren, die für ein geeintes Europa als treibende Kraft für den Frieden eintraten. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, bei dem die EU als Friedensstifter bislang kaum in Erscheinung getreten ist, fragte der Papst: "Ich frage mich, wenn ich an die leidgeprüfte Ukraine denke, wo die kreativen Anstrengungen für den Frieden bleiben."

Auch zur ungarischen Politik äußerte sich der Papst und verteilte Lob und Mahnungen. In Anwesenheit der ungarischen Präsidentin Katalin Novak, die den Papst in ihrer Rede zuvor als einen "Verbündeten" bei der Verteidigung des Lebens und der Ehe von Mann und Frau bezeichnet hatte, würdigte der Papst die ungarische Familienpolitik. "Wie schön ist es, ein Europa aufzubauen, das den Menschen und die Völker in den Mittelpunkt stellt, in dem es wirksame politische Ansätze für eine bessere demographische Entwicklung und zugunsten der Familie gibt, die in diesem Land aufmerksam durchgeführt werden." Für seine Ansprache erhielt der Papst langen stehenden Applaus der im ehemaligen Karmeliterkloster versammelten ungarischen Eliten.

Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Papst Franziskus im Gespräch mit Katalin Novak, der Staatspräsidentin von Ungarn.

Seine Rede hielt der 86-Jährige im Stehen – anders als die meisten Predigten in jüngster Zeit im Petersdom. Überhaupt zeigte er sich in den ersten Stunden seiner Ungarn-Reise in körperlich guter Verfassung. Bereits auf dem Flug nach Budapest hatte er, auf seine Gehilfe gestützt, die mitreisenden Journalisten einzeln auf ihren Plätzen aufgesucht und begrüßt.

In Budapest sah man ihn dann im Gespräch mit der gewinnend auftretenden Staatspräsidentin Novak (45) immer wieder plaudern und scherzen. Novak, die wie Orban ihre politische Karriere in der nationalkonservativen Fidesz-Partei gemacht hat, hatte bei der öffentlichen Begrüßungszeremonie mit militärischem Zeremoniell den Ehrenplatz neben dem Gast aus Rom. Orban wirkte im Vergleich zu ihr ungelenk; er stand, an der Spitze der Regierungsdelegation, neben den Ehrenplätzen.

Gänsehaut-Moment bei Hymnen

Einen Gänsehaut-Moment gab es, als die Hymnen erklangen. Anders als bei solchen Anlässen üblich, sang die gesamte ungarische Seite, Novak inklusive, laut mit. Die 200 Jahre alte Hymne ("Herr, segne den Ungarn mit Frohsinn und mit Überfluss. Beschütze ihn mit deiner Hand, wenn er mit dem Feind kämpft ...") ist erst am Ende der kommunistischen Diktatur vor 33 Jahren zur offiziellen Hymne gemacht worden.

Beim Tete-a-Tete mit Regierungschef Viktor Orban wirkte der Gast aus Rom zunächst eher steif und zurückhaltend. Ob dies auch inhaltliche Gründe hatte, blieb offen. An Orbans Adresse dürften jene Worte des Papstes gerichtet gewesen sein, in denen er an die ungarische Verfassung erinnerte, wo es heißt: "Wir bekennen uns zum Gebot der Unterstützung der Hilfsbedürftigen und der Armen." Ob er dies auch mit Blick auf die zahlreichen Flüchtlinge meinte, die auf der Flucht vor Krieg und Hunger nach Ungarn kommen, ließ der Papst am ersten Tag seiner Reise noch offen.

Eine Begegnung mit Migranten mitsamt Papstrede steht am Samstag auf dem Programm. Zweiter Höhepunkt am ersten Reisetag soll am Freitagnachmittag eine Begegnung mit Bischöfen, Seelsorgern und Ordensleuten des Landes in der Stephans-Basilika in Budapest sein.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)