Schwester Anne Kurz über das Sonntagsevangelium

Enge ist Todesnähe – doch Gott schafft weiten Raum

Veröffentlicht am 13.05.2023 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Venne bei Münster ‐ Manchmal führt kein Weg daran vorbei, sich der Enge und den eigenen Ängsten zu stellen. Schwester Anne Kurz fragt sich: Meinte Jesus das, als er sagte: "Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen"?

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Impuls von Schwester Anne Kurz

"Ich lebe und auch ihr werdet leben" – Was ist das für eine Aussicht und Verheißung?! Gesprochen werden diese Worte beim letzten Zusammensein Jesu mit seinen Jüngern und Jüngerinnen vor Tod und Auferstehung. Sie alle stehen in der Krise des Übergangs. Abschied, Trauer und Angst ergreifen sie. Das letzte Mahl, die letzten Worte, die letzten Momente in Freiheit und Vertrautheit. Das, was kommen wird, rückt näher. Es wird eng. Es macht Angst. Wenn es eng wird, fehlt Perspektive. Wo Angst quält, tut sich kein Horizont auf. Und doch spricht Jesus diese Verheißung unmittelbar vor Verhaftung und Tod. Weite, Leben und Zuversicht strömen aus seinen Worten.

Ich frage mich, wie das möglich ist. "Du hast mir weiten Raum geschaffen in meiner Bedrängnis" – so heißt es im vierten Psalm. Das muss auch Jesus erfahren haben. Der Religionsphilosoph Bernhard Welte erkennt in diesem Psalm-Vers im Lebensrückblick ein wiederkehrendes Motiv seiner Biografie. Er übersetzt: "Da mir eng war, hast du mir‘s weit gemacht."

Enge – wer kennt sie nicht aus eigener Erfahrung? Angst und Schuldgefühle treiben in die Enge. Aber auch drückende Sorgen, Fatigue oder ständige Kontrolle. Enge erfährt man an Leib und Seele. Obwohl sie unangenehm ist, besteht die Versuchung, sich in ihr einzunisten. Oder aber alles Belastende von sich zu stoßen – was die innere Enge nicht aufbrechen kann.

Enge ist Todesnähe und schürt Todesangst: Werde ich entkommen können? Jesus hat sich von Angst und Enge ergreifen lassen. Er ist hindurch gegangen. Manchmal führt kein Weg daran vorbei. Meinte Jesus das, als er sagte: "Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen (Lk 13,24)"?  Er zeigt uns den Weg des Lebens. Das gilt nicht erst für unsere Todesstunde, sondern auch in den kleinen und großen Durchgängen und Neuanfängen unseres Lebens. Hitzewallungen und Panikattacken werden uns nicht genommen. Aber wir können unser ängstliches Herz ihm in all dem anvertrauen. Jesus geht uns voran als der Auferstandene, öffnet die Türen zum neuen Land.

Es liegt viel Lebendigkeit vor uns. Manchmal beginnen ungeahnte Kräfte und Energien zu fließen und sich Bahnen zu brechen. Der Geist der Wahrheit tut sein Werk. Dieser Geist gestaltet uns, wo wir uns dem verantworten, was uns als wahr aufgeleuchtet ist. Das weitet. Es gibt Momente – und sei es für einen Augenblick – in denen uns etwas von seiner geheimnisvollen Nähe aufgeht. Leben durchdringt uns, verzehrt uns, macht uns gegenwärtig. Er lebt und wir leben. Schon jetzt. Immer neu.

Evangelium nach Johannes (Joh 14,15–21)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:

Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt.

Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch. Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet.

An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden
und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Die Autorin

Anne Kurz ist Schwester der Gemeinschaft Verbum Dei und lebt neben einem kleinen Exerzitienhaus in Venne bei Münster. Sie ist Theologin und Geistliche Begleiterin.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.