Standpunkt

Beispiel "Laudato si": Wie viel Ehre Missbrauchstätern noch schenken?

Veröffentlicht am 15.05.2023 um 00:01 Uhr – Von Julia Martin – Lesedauer: 

Bonn ‐ Kürzlich fand Julia Martin bei einer Erstkommunion das vom früheren Sternsinger-Präsidenten Winfried Pilz komponierte "Laudato si" auf dem Liedzettel. Aufarbeitung bedeute auch, Konsequenzen beim Erbe von Missbrauchstätern zu ziehen, kommentiert sie.

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Die Bistümer, Hilfswerke, Orden und auch staatliche Institutionen müssen sich dringend einheitlich überlegen, wie sie mit dem Erbe der Missbrauchstäter umgehen. Dabei geht es auch um nach Tätern benannte Häuser oder Plätze, Ehrentitel und Auszeichnungen – sowie auch Lieder, die von diesen komponiert wurden. Genau das meint nämlich auch der Begriff der "Aufarbeitung". Bestes Beispiel ist das vom ehemaligen Präsidenten des Kindermissionswerks "Die Sternsinger", Winfried Pilz, komponierte Lied "Laudato si", das ich vor kurzem bei einer Erstkommunion auf dem Liedzettel fand. Als wäre nichts gewesen. Ausgerechnet in einem solchen Rahmen. Und als gäbe es keine anderen kindgerechten Gottesdienstlieder.

Gleichzeitig zeigt die Caritas Breisgau-Hochschwarzwald mit ihrer Umbenennung des Seniorenzentrums, das den Namen des früheren Freiburger Erzbischofs Oskar Saier trug, dass derartige Konsequenzen institutionell durchaus möglich und sogar notwendig sind. Auch der BDKJ, der jüngst Winfried Pilz und dem früheren Mainzer Bischof Albert Stohr das Goldene Ehrenkreuz des Verbandes entzogen hat. Gut so!

Aufarbeitung bedeutet auch, sich mit der gesamten Person auseinanderzusetzen und zu überlegen, welche Konsequenzen – auch posthum – gezogen werden sollten, vielmehr sogar müssen. Das heißt schließlich auch, zu überlegen, wie viel an Ehre und Aufmerksamkeit der jeweiligen Person noch geschenkt werden kann. Was selbstverständlich sein sollte, aber natürlich auch noch explizit erwähnt werden muss, ist die Opferperspektive. Spätestens aus Opfersicht ist es absolut unzumutbar, einem Täter ein Haus, eine Straße oder sonstiges zu widmen.

Kommunikativ wäre das für die jeweilige Institution übrigens ein Gewinn und eine zusätzliche Maßnahme in der Aufklärung. Es wäre vielmehr sogar ehrlich, sich der Vergangenheit in diesem Maß zu stellen und transparent zu kommunizieren, warum man aus den Erkenntnissen Konsequenzen zieht. Gerade bei Liedern, die völlig unreflektiert oder vielleicht sogar aus Unwissenheit gesungen werden, scheint wenigstens eine Sensibilisierung absolut notwendig. Damit Aufarbeitung wirklich vollumfänglich gelingt.

Von Julia Martin

Die Autorin

Julia Martin ist Pressesprecherin der Benediktinerabtei Münsterschwarzach.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.