Inspirationen auch durch andere Redeformen

Die Kunst der Predigt: Wie man Menschen erreicht und begeistert

Veröffentlicht am 03.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Nicht selten sind Predigten in Gottesdiensten langweilig – doch was genau macht eigentlich eine gute Predigt aus? Kommunikationsberater und Redenschreiber Claudius Kroker spricht im katholisch.de-Interview über Merkmale guter Predigten und Inspirationen aus der Politik.

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Predigen ist gar nicht so einfach – aber unmöglich ist es nicht. Der Kommunikationsberater und Redenschreiber Claudius Kroker hat das Portal besserpredigen.de aufgesetzt, in dem er Tipps aus seiner Arbeit gibt. Im Interview spricht er über die Struktur und Sprache guter Predigten bis hin zur Bedeutung des Kontexts.

Frage: Herr Kroker, woran scheitern die meisten Predigten?

Kroker: Einige scheitern an ihrer Struktur, weil sie keinen roten Faden haben oder weil sie nach einer eigentlich guten und verständlichen Botschaft nicht zum Schluss kommen. Die sind schlichtweg zu lang und kommen nicht auf den Punkt. Andere Predigten scheitern daran, dass die Sprache nicht stimmt. Eine Predigt ist ein Dialog. Ein Prediger muss schauen, dass er die Sprache der Gläubigen spricht. Es ist ja das Ziel einer Predigt, Menschen zu erreichen. Predigt kommt vom lateinischen "Praedicare" und bedeutet so viel wie "voraussagen" oder "vor anderen sprechen" oder "vortragen".  Wenn ich die "anderen" aber nicht berücksichtige, geht das an den Leuten vorbei. Dazu gehört auch die Frage der Intention: Was soll eigentlich eine Predigt? Das hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verschoben. Früher stand die Auslegung im Vordergrund sowie die Unterweisung im rechten Glauben. Heute geht es eher darum, dass wir zwischen den alten Bibeltexten und den Menschen heute einen Bezug herstellen.

Frage: Was gehört denn zu einer guten Predigt?

Kroker: Dass man sich vorab ein paar grundsätzliche Gedanken macht: Zu wem spreche ich eigentlich? Was ist der Anlass? Es gibt die normalen Sonntagspredigten, die sich auf die Schriftlesungen des Tages beziehen. Daneben stehen die Kasualpredigten, etwa zu einer Beerdigung oder Trauung – das hat ja alles Einfluss auf den Inhalt. Dazu kommt die Frage nach dem Publikum, also der Gemeinde, auf die ich eingehen muss. Da gibt es eigentlich keinen Unterschied zu anderen Reden: Wenn ich das Publikum nicht erreiche, bringt das alles nichts. Die Rede muss aber nicht nur zum Publikum passen, sondern auch zum Redner. Der muss sich dann zwei oder drei Botschaften überlegen, die er vermitteln möchte. Mehr kann ein Publikum in der Regel nicht aufnehmen.

Frage: Im Gottesdienst steht die Predigt ja aber auch nicht allein.

Kroker: Richtig, eine gute Predigt fängt schon bei der Liedauswahl an. Die Gesänge und Liedtexte müssen auch zum Evangelium passen, sie setzen eine Tonalität und eine Atmosphäre. Ich bin selbst Kirchenmusiker und passe die Liedauswahl notfalls während einer Messe an, wenn das besser zur Predigt passt. Der Gottesdienst als Ganzes muss funktionieren.

Bild: ©katholisch.de/cph

Der Kommunikationsberater und Redenschreiber Claudius Kroker hat das Portal besserpredigen.de aufgesetzt.

Frage: Sie schreiben auch Reden für Politiker. Gibt es da einen Unterschied zur Predigt?

Kroker: Handwerklich ist es im Grunde genommen das Gleiche. Deshalb gibt es nicht nur für Menschen, die sich keinen professionellen Redenschreiber leisten können, Musterreden, auch für Predigten gibt es so etwas. Aber der Unterschied ist, dass die Predigt eben nicht alleine steht. Sie ist Teil des Gottesdienstes. Sie hat in der Regel einen Bibeltext als Grundlage, den sie auslegt, sie will Glaubenswissen vermitteln. Das will eine säkulare Rede natürlich nicht.

Frage: Wie zeigt sich dieser Unterschied in der Praxis?

Kroker: Ich hatte mal den Fall einer Gedenkveranstaltung, die mit einem Gottesdienst begann. Ich sollte die Rede für den Festakt danach schreiben. Es war also derselbe Anlass, und ich konnte auf dem Gottesdienst und der Liedauswahl in der Kirche aufbauen und das Thema dann weiterentwickeln, auch abseits des Glaubensaspekts. Ein Politiker kann natürlich diese Glaubensbotschaft übernehmen, aber er spricht in einem anderen Kontext. Zudem ändert sich das Publikum, denn nicht alle, die zum Festakt kommen, waren vorher in der Kirche.

Frage: Überschneiden sich die beiden Textarten oft?

Kroker: Die Mittel können ähnlich sein. Wer eine Rede oder Predigt mit einem Fall aus dem Bekanntenkreis oder der Gemeinde, mit etwas Emotionalem beginnt, generiert immer Aufmerksamkeit, das gilt für jeden Text. Storytelling sagen wir Journalisten dazu. Wir können damit abstrakte Sachverhalte am konkreten Einzelfall verständlich machen.

„Die christliche Botschaft von Feindes- und Nächstenliebe hat ein politisches Potenzial.“

—  Zitat: Claudius Kroker

Frage: Dürfen denn auch etwa politische Inhalte in die Predigt?

Kroker: Die christliche Botschaft von Feindes- und Nächstenliebe hat ein politisches Potenzial. Aber die Predigt hat eine bestimmte Aufgabe: zwischen dem Bibeltext und den Menschen heute eine Verbindung herzustellen. Je nach Thema darf sie dann auch politisch sein, muss aber den Bezug zum Bibeltext herstellen. Der Wert der Predigt liegt in der Verbindung zu mir als Zuhörer. Sie soll etwas auslösen, zum Beispiel Zuversicht vermitteln.

Frage: Reden, die viele Menschen erreichen, werden auch von Populisten gehalten, den Trumps und Bolsonaros dieser Welt. Kann man von denen lernen?

Kroker: Handwerklich kann man das durchaus. Trump zum Beispiel: Er bedient eine Erwartungshaltung, er bringt Dinge, auch wenn sie erstunken und erlogen sind, auf den Punkt. Er spricht die Sprache derer, zu denen er spricht. Er ist im Grunde genommen, wenn man so will, gut vorbereitet. Er kennt seine Botschaft und seinen Slogan. Er kommt authentisch rüber. Davon können Politiker wie Predigende in der Tat lernen. Dafür muss man kein Populist sein, sondern die Sprache der Leute sprechen und ihre Themen kennen.

Frage: Gibt es denn heute noch gute Prediger?

Kroker: Auf inhaltlicher Ebene durchaus. Wenn es um den Vortrag geht, fällt mir von den öffentlich bekannten Persönlichkeiten spontan niemand ein. Ich kenne aber einzelne Priester in meinem Umfeld, die wirklich hervorragend predigen. Die mit mir sprechen, als würden sie ganz normal mit mir reden. Vielen fällt es schwer, komplexe Themen auf eine verständliche Ebene herunterzubrechen. Sie flüchten sich dann eher in eine Verwissenschaftlichung. Oder ihre Tonlage bleibt zehn Minuten lang unverändert. Das funktioniert aber nicht, da kommt nichts rüber.

Von Christoph Paul Hartmann