Standpunkt

Trotz Kirchenaustritten: Drei Schritte für neue Weite

Veröffentlicht am 04.07.2023 um 00:01 Uhr – Von Thomas Arnold – Lesedauer: 

Dresden ‐ Die kürzlich veröffentlichten Kirchenaustrittszahlen haben Thomas Arnold erschüttert. Die vormoderne "christianitas" zu erhalten, werde nicht funktionieren. Stattdessen hat er Ideen für drei Schritte, die die Kirche in eine neue Weite führen könnten.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Noch ein Standpunkt zu den Kichenaustrittszahlen? Ja. Denn sie sind nicht nur erschütternd, sondern stehen im Widerspruch zu einer zweiten Zahl, die jüngst veröffentlicht wurde. Denn während die Menschen in Scharen die Kirche verlassen, um der Institution nicht nur das Vertrauen, sondern auch das Geld zu entziehen, versiegen die Geldströme nicht und stabilisieren ein in den vergangenen Jahrzehnten aufgebautes System. Ohne Frage: Wenn das Geld weniger werden würde, käme rasch der ganze Katholizismus in Deutschland ins Wanken. Was aber, wenn man sich eingesteht, dass die Artikulation des Religiösen schon längst wankt? Gemeint ist das Folkloristische, das keine Massen mehr in ihren Herzen erreicht. Oder die kirchlichen Rituale in biografischen Umbrüchen, die lieber von freien Rednern erbeten werden. Oder der Arzt, der als letzte Hoffnungsinstanz herangezogen wird, während Gott nicht mal als Lösungsoption gedacht wird.

Es wird nicht helfen, die vormoderne christianitas, jene allumfassende "christliche Zivilisation", zu umzäunen, um sie möglichst zu erhalten. Aus der DDR wissen wir: Jede Mauer, die vorgibt zu beschützen, aber stattdessen einengt, wird früher oder später fallen.

Statt zu resignieren könnten drei Schritte eine neue Weite öffnen. Erstens: Anerkennen, dass "die neuzeitliche Gestalt der Religion nicht die erste und offensichtlich auch nicht die letzte gesellschaftlich-kulturelle Inkarnation des christlichen Glaubens in der Geschichte bleiben wird" (Tomas Halik). Das schützt davor, alles lieb Gewonnene bewahren zu wollen und als besonders schützenswert zu verklären. Zweitens: Das Bemühen, Kirche mit der Moderne zu versöhnen, voranzutreiben und in Folge des II. Vatikanums zu vollenden, selbst wenn die Postmoderne schon die Türen zum 21. Jahrhundert aufgetreten hat. Es wird voraussichtlich ein "betreutes Lernen" (Christiane Florin) für Bischöfe, Priester und Laien sein. Doch es wäre zu wenig, deformierte Strukturen lediglich zurecht zu biegen. Und deswegen drittens: Den Mut aufzubringen, den "Nachmittag des Christentums" (Halik) zu gestalten, indem man die Furcht vor dem eigenen Untergang ablegt und selbst Räume der Hoffnung ermöglicht. Lasst sie uns Orte der Spiritualität nennen, wo Menschen Begegnungen haben, um die Schwelle zur Zukunft gestalten zu können.

Von Thomas Arnold

Der Autor

Thomas Arnold ist Leiter der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.