Betroffenenbeiräte fordern Einwilligung für Datennutzung

DBK verteidigt Regeln für Aktenweitergabe zur Aufarbeitung

Veröffentlicht am 12.07.2023 um 15:16 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der Arbeitskreis der Betroffenenbeiräte protestiert dagegen, dass gemäß einer Musternorm der Bischofskonferenz Daten auch gegen den Willen von Betroffenen zur Aufarbeitung verwendet werden können. Die DBK steht zu den Regeln.

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Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) plant nach der Kritik der diözesanen Betroffenenbeiräte an der Musterordnung zur Regelung von Einsichts- und Auskunftsrechten zur Missbrauchsaufarbeitung vorerst keine Änderungen daran. Auch wenn eine Überarbeitung der Musterordnung derzeit nicht vorgesehen sei, würden die Hinweise des Arbeitskreises zur Frage der Einwilligung nochmals in den einschlägigen Gremien beraten werden, teilte eine Sprecherin der DBK auf Anfrage am Mittwoch mit. Die Musterordnung erlaubt es, unter bestimmten Bedingungen Akten und Unterlagen mit personenbezogenen Daten von Betroffenen ohne deren Einwilligung für Aufarbeitungsprojekte zu nutzen. Am Samstag hatte der Arbeitskreis der Betroffenenbeiräte daran scharfe Kritik geäußert. "Der Arbeitskreis lehnt eine Ordnung ab, die die Einholung einer Einwilligung von Missbrauch betroffener Personen in die Offenlegung und Weitergabe ihrer sensiblen personenbezogenen Daten überflüssig machen will. Wir sind davon überzeugt, dass das öffentliche Interesse an Aufarbeitung nicht das berechtigte Interesse von Missbrauch betroffener Personen am Schutz ihrer sensiblen personenbezogenen Daten überwiegt", heißt es in der Stellungnahme der Betroffenenbeiräte.

Die DBK betonte dagegen, dass bei den Einsichts- und Auskunftsrechten, die den unabhängigen Aufarbeitungskommissionen gewährt werden, datenschutzrechtliche Fragen und Persönlichkeitsrechte eine zentrale Rolle spielen. Das gelte insbesondere für die Frage der Einwilligung Betroffener in die Offenlegung ihrer personenbezogenen Daten. "Alle Kommissionsmitglieder unterliegen dabei Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsverpflichtungen. Zudem verwenden Gutachten der Aufarbeitungskommissionen zum Schutz der Betroffenen nie Klarnamen von Betroffenen, sondern stets nur anonymisierte Daten", so die DBK-Sprecherin weiter. Begleitend zur Musterordnung sei die Empfehlung ausgesprochen worden, auf diözesaner Ebene ein Datenschutzkonzept für die konkreten Prozessabläufe bei der Aufarbeitung festschreibt. Vor der Datenweitergabe sei in jedem Einzelfall eine Abwägung erforderlich, ob eine Einwilligung entfallen kann. Die Strafprozessordnung biete eine bewährte und rechtssichere Rechtsgrundlage im Zusammenhang mit der Übermittlung personenbezogener Daten zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung: "Daher orientieren sich die Anforderungen in der Musterordnung für eine Offenlegung ohne eine Einwilligung an diesen Regelungen der Strafprozessordnung." Sowohl die Musterordnung wie die Strafprozessordnung sehen vor, dass Daten ohne Einwilligung der betroffenen Person dann für Forschungsprojekte weitergegeben werden dürfen, wenn dies für die Durchführung erforderlich ist, eine Nutzung anonymisierter Daten nicht möglich oder mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist und das öffentliche Interesse das schutzwürdige Interesse der Betroffenen erheblich überwiegt.

Einsichtsordnung derzeit in fünf Bistümern in Kraft gesetzt

Der Arbeitskreis der Betroffenenbeiräte sieht dieses überwiegende öffentliche Interesse nicht als gegeben an und fordert, Daten nur auf der Grundlage einer Einwilligung weiterzugeben: "Von dieser Regelung akzeptieren wir keine Ausnahme." Außerdem kritisieren die Betroffenenbeiräte, dass die Musterordnung ohne Betroffenenbeteiligung ausgearbeitet wurde. Dem widersprach die DBK mit Verweis auf die Beteiliung der diözesanen Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen, in denen auch Betroffenenvertreter Mitglied sind. Die Mitarbeit an der Aufarbeitung der Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen sei eine zentrale Aufgabe der diözesanen Beiräte. In der Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung der Musterordnung sei der bundesweite Vorsitz der Aufarbeitungskommissionen als Mitglied beteiligt gewesen. Die 2020 getroffene Gemeinsame Erklärung zwischen DBK und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) sieht vor, dass zwei Betroffenenvertreter in den in der Regel siebenköpfigen Kommissionen mitarbeiten. Vom Vorsitz der Kommissionen sind Betroffenenvertreter aber ausgeschlossen.

Die Musterordnung der DBK wurde seit Anfang des Jahres in den Bistümern Freiburg, Magdeburg, Paderborn, Trier und Würzburg in Kraft gesetzt. Im April bezeichnete der Betroffenenbeirat Ost in einer Stellungnahme an die Bischöfe in seinem Zuständigkeitsbereich, den Bistümern Berlin, Dresden-Meißen, Görlitz und der Militärseelsorge, die Musterordnung als "nicht an den Rechten und Interessen Betroffener orientiert" und forderte sie auf, auf eine Inkraftsetzung zu verzichten.

Im Juni teilte das Bistum Münster mit, dass die zuständige kirchliche Datenschutzaufsicht die Weitergabe von Unterlagen aus dem Verfahren zur Anerkennung des Leids beanstandet hat. In Münster gab es dafür keine spezielle kirchliche Rechtsgrundlage. Die Diözese hatte der für die Missbrauchsstudie zuständige Forschergruppe der Universität Münster anonymisierte Akten mit ungeschwärzten Tatschilderungen zur Verfügung gestellt. Nach Ansicht der Datenschutzaufsicht hätten diese Teile insoweit geschwärzt werden müssen, dass keine individuellen Schilderungen um die eigentlichen Taten in den Akten zu finden gewesen wären. Die Frist für eine Klage gegen die Beanstandung der Datenschutzaufsicht läuft am Wochenende aus. Vor Auslaufen der Frist wollte sich der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings, nicht dazu äußern, ob die Diözese Rechtsmittel gegen den Bescheid einlegt. (fxn)