An päpstlichen Gleisen dem römischen Massentourismus entfliehen

Geheimer Spaziergang am Vatikan

Veröffentlicht am 20.08.2023 um 12:00 Uhr – Von Severina Bartonitschek (KNA) – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Massen an Touristen schlängeln sich täglich durch Rom. Ruhige Plätze fernab des Rummels sind rar. Aber sie existieren sogar im Zentrum. Direkt am Vatikan gibt es eine nahezu unbekannte Promenade mit besonderer Geschichte.

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Pfeifend bindet ein Arbeiter Absperrgitter aneinander. Taxifahrer fluchen. Straßen sind plötzlich nur noch in eine Richtung befahrbar. Rom verwandelt sich derzeit in eine riesige Baustelle. Die Stadt hat sich einiges vorgenommen für das Heilige Jahr 2025.

Römerinnen und Römer schütteln darüber den Kopf. Sie bezweifeln eine rechtzeitige Fertigstellung der meisten Bau- und Infrastrukturprojekte in der chaotischen Hauptstadt Italiens - aus Erfahrung. Die Abläufe erinnern an die des letzten ordentlichen Jubiläums im Jahr 2000.

Ein besonderes Projekt wurde damals aber fertiggestellt: Die Jasmin-Promenade am Vatikan. Benannt ist sie nach den zahlreichen Jasminsträuchern am Wegesrand, die hier im Frühsommer ihren Duft verströmen. Zudem führt der Weg über das frühere Jasmintal. Massentourismus und große Reisegruppen sind hier nicht zu befürchten. Der Spaziergang mit einem neuen Blick auf die wohl berühmteste Kuppel der Welt gehört zu den unbekannteren Sehenswürdigkeiten Roms.

Hinweisschild in Rom
Bild: ©Severina Bartonitschek/KNA

Verwittertes Hinweisschild auf die Jasminpromenade (Passeggiata del Gelsomino) an Gleis 1 des Bahnhofs San Pietro in Rom. Im Hintergrund: eine Baustelle.

Das hat auch mit seinem Zugang zu tun. Ein bisschen wie bei Harry Potter liegt der nämlich versteckt an einem regulären Zuggleis im Bahnhof San Pietro nahe dem Petersdom. Erst kurz vor dem Eingang findet sich ein verwittertes Hinweisschild mit der Aufschrift "Passeggiata del Gelsomino". Dorthin gelangt man über Gleis 1 des Bahnhofs. An dessen Ende auf der rechten Seite beginnt die Promenade.

Päpste fahren nur gelegentlich Zug

Früher konnten sich hier nur Päpste und ihr Gefolge bewegen - in Zugwaggons. Auf dem heutigen Spazierweg verlief eines von zwei Gleisen aus und in den Vatikan. Nach dem Fall des Kirchenstaats 1870 einigten sich Heiliger Stuhl und Italien 1929 in den Lateranverträgen. Es kam zur Gründung des Vatikanstaats und zu seinem Anschluss an die italienische Außenwelt mittels Eisenbahn.

Noch im selben Jahr begann die rund dreijährige Bauzeit für die insgesamt etwa 1,3 Kilometer lange Strecke. Seit ihrer Fertigstellung werden die Gleise hauptsächlich für den Güterverkehr genutzt. Nur gelegentlich machte ein Papst persönlich von dem Zuganschluss Gebrauch. Seit 2015 können Touristen an ausgewählten Terminen vom Vatikanbahnhof Richtung päpstlicher Sommerresidenz Castel Gandolfo fahren.

Eisentor zum Vatikan
Bild: ©Severina Bartonitschek/KNA

Bahngleis vor einem verschlossenen Eisentor zum Vatikan.

Aufgrund des überschaubaren Verkehrsaufkommens und weil der Weg komfortabel Richtung Petersplatz führt, entschied man sich für die Umwandlung eines Gleises in die heutige Jasmin-Promenade. Sie verläuft auf einem Viadukt über der Via Aurelia. Zwischen Pinienbäumen erhebt sich der Turm der Palazzina Leone XIII. in den Vatikanischen Gärten, dem ehemaligen Redaktions- und Sendeort von Radio Vatikan. Daneben zeigt sich der Petersdom mit seiner mächtigen Kuppel aus einer anderen Perspektive.

Hinter gelben Gitterstäben und zwischen Jasminsträuchern führt der aktive vatikanische Bahnanschluss zu einem großen verschlossenen Eisentor. Hier enden die Republik Italien und die Promenade. Durch ein weiteres Tor geht es eine kleine Straße hinab Richtung Via Aurelia. Der Weg führt vorbei an den Vatikanmauern hinter denen sich das Gästehaus Santa Marta befindet. Dort wohnt Papst Franziskus. Üblicherweise verlässt er den Vatikan über ein Tor in dieser Straße.

Die Via della Stazione Vaticana soll im Zuge des kommenden Heiligen Jahres umgestaltet werden: Die schmalen Gehwege verbreitert, der Straßenbelag erneuert, Parkplätze und Grünflächen hergerichtet werden. So könnten viele der etwa 45 Millionen erwarteten Jubiläums-Besucher direkt vom Bahnhof San Pietro zum Petersdom geleitet werden. Nur mit der Ruhe auf der Jasmin-Promenade wäre es dann vorbei.

Von Severina Bartonitschek (KNA)