Standpunkt

Mut zeigen gegen Belehrung und für spirituelle Selbstbestimmung

Veröffentlicht am 02.10.2023 um 00:01 Uhr – Von Regina Nagel – Lesedauer: 

Bonn ‐ Belehrungen und rückwärtsgewandte Seelsorge, die Menschen in ihrer Würde verletze: Zum Glück spielen immer mehr mutige Gläubige dabei nicht mehr mit, kommentiert Regina Nagel. Sie handelten nach dem Motto "Taten statt Warten".

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Vor Beginn der vergangenen Vollversammlung der Bischofskonferenz gab "Maria 2.0" per Pressemitteilung bekannt, dass sie die Hoffnungen anderer Reformgruppen aktuell nicht mehr teilen und deshalb bewusst auf eine Aktion in Wiesbaden verzichten würden. Miki Herrlein von #OutInChurch sagte es in der Pressekonferenz von "Wir sind Kirche" so: "Wir befinden uns nicht mehr in der Zeit des Forderns, sondern des Warnens; und wir können es uns als Christ*innen nicht mehr leisten, nicht politisch zu sein!"

Im Sinne dieses Aufrufs ist es, wenn Bischof Bätzing eine klare Abgrenzung gegenüber der AfD fordert und innerkirchlich betrachtet ist das neue Papier der Deutschen Bischofskonferenz zu Geistlichem Missbrauch eine notwendige Positionierung zu einer bislang unterschätzten Form des Machtmissbrauchs. Bei der Vorstellung dieses Papiers in der Pressekonferenz der DBK fehlte jedoch der selbstkritische Blick auf System, Lehre, Anspruch und diverse Praktiken unserer Kirche, zu denen nicht weiter tabuisiert werden darf, dass vieles davon spirituellen Missbrauch begründet und zur Folge haben kann. Ein Beispiel ist die Rede des Nuntius, in der er systemtreu Papstzitate vortrug und dadurch wieder einmal Menschen diffamiert und auch spirituell in ihrer Würde verletzt hat. Be-Lehrung und Seelsorge, die sich rückwärtsgewandt an Katechismusvorgaben ausrichtet, unterbindet spirituelle Selbstbestimmung mit Verweis auf angebliche göttliche Vorgaben.

Zum Glück spielen immer mehr mutige Katholik*innen dabei nicht mehr mit. "Maria 2.0" spricht in ihrem Statement zurecht von "#Tatenstattwarten". In Köln fand im Sinne dieses Mottos am 20. September ein bewegender Segnungsgottesdienst für Liebende statt, der durch die Konfrontation mit der rechtskatholischen TFP auch zu einem Statement für eine freie, demokratische Gesellschaft wurde. Ähnliches geschah kürzlich in Leipzig, wo sich live und virtuell 500 "Gottes starke Töchter" begegneten und bestärkten. Eine davon war Nontando Habebe. Folgender Wunsch von ihr eignet sich als Maxime für alle, die sich in Kirche und Gesellschaft – mit oder ohne Hoffnung auf eine Reformierbarkeit der Kirche – für Recht und Menschenwürde engagieren: "Möge Gott euch mit Wut segnen bei Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen, damit ihr arbeiten könnt für Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden."

Von Regina Nagel

Die Autorin

Regina Nagel ist Vorsitzende des Gemeindereferent*innen-Bundesverbands und verantwortliche Redakteurin der Verbandszeitschrift "das magazin". Sie ist Mitherausgeberin eines Buchs zu spirituellem Missbrauch an Frauen in der katholischen Kirche (Selbstverlust und Gottentfremdung, Patmos 2023).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.