"Himmel, Herrgott, Sakrament" läuft ab diesem Freitag im BR

Schießler zum Serienstart: Es geht um eine Kirche, die Heimat bietet

Veröffentlicht am 27.10.2023 um 00:01 Uhr – Von Matthias Altmann – Lesedauer: 

Bonn/München ‐ Mit "Himmel, Herrgott, Sakrament" gelang Pfarrer Rainer Maria Schießler ein Bestseller – der sogar verfilmt wurde: Ab diesem Freitag läuft die gleichnamige Serie im Fernsehen. Mit katholisch.de spricht Schießler darüber, was die Reihe aus seiner Sicht ausmacht. Er betont: Um ihn geht es gar nicht.

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In "Himmel, Herrgott, Sakrament", das 2016 erschienen ist, erzählt Rainer Maria Schießler von seiner Art, Kirche und Glauben zu vermitteln. Das stieß auch bei Fernsehmachern auf Interesse: Im Mai 2022 kündigte der Bayerische Rundfunk an, dass es eine sechsteilige gleichnamige Serie geben wird, die das Buch des über München hinaus prominenten Pfarrers aufgreift. Im Zentrum der Reihe steht der unkonventionelle Pfarrer Hans Reiser (Stephan Zinner), der vom Land in eine "Problemgemeinde" in der Großstadt München kommt und sie wieder mit Leben füllen will. An diesem Freitag ab 20.15 Uhr sind die beiden ersten Folgen im BR zu sehen. Im katholisch.de-Interview zum Serienstart erklärt Schießler, warum TV-Produzenten den Plot seines Buches aufgegriffen haben, wie sie die Facetten der heutigen priesterlichen Existenz rüberbringen, welche Botschaft die Serie vermittelt – und warum er selbst trotz Schauspielerfahrung nur eine kleine Rolle spielt.

Frage: Herr Pfarrer Schießler, Sie sind 63, nun wurde praktisch Ihr Leben verfilmt. Ist es nicht etwas zu früh für ein Biopic?

Schießler: Ja, ich überlege auch schon die ganze Zeit, ob ich mir schon einen Grabplatz suchen soll. Normalerweise macht man erst Filme über Menschen, wenn sie nicht mehr da sind. (lacht) Aber dass mein Leben verfilmt wurde, stimmt so nicht. Es geht nicht um die Person Schießler, es geht um den Typus. Es geht um die Atmosphäre, die Kirche mittels dieser Figur des Pfarrers Reiser, die Stephan Zinner spielt, verbreitet. Und diese Atmosphäre haben die Macher der Serie in meinem Buch eben entdeckt und verfilmt. Nicht das Buch ist das Drehbuch, sondern das, was die Drehbuchautoren aus dem Buch gemacht haben.

Frage: Was ist mit Atmosphäre gemeint?

Schießler: Die Kirche ist für mich der älteste und wichtigste Inklusionsbetrieb, den es gibt. Es geht um eine barrierefreie Gemeinde – in dem Sinne, dass jeder Zugang hat, willkommen ist und wichtig ist. Dass diese Menschenfreundlichkeit Gottes, die wir als Kirche zu verkünden haben, wirklich spürbar wird und wirksam ist, dass der Mensch Partner Gottes ist und nicht rechtloser Untertan. Gott auf Augenhöhe begegnen, das muss unter uns Christen möglich sein. Genauso eine Atmosphäre verbreitet dieser Pfarrer Reiser in der Serie. Das ist auch meine Art zu arbeiten.

Frage: Dass eine Serie produziert wird, die den Alltag eines Pfarrers in einer Kirchengemeinde beschreibt, ist bei einer immer säkularer werdenden Öffentlichkeit durchaus überraschend. Was hat den Stoff Ihres Buches so reizvoll für die Produzenten gemacht?

Schießler: Beim offiziellen Premierenabend im Kino vor ein paar Tagen wurde mehrmals von verschiedenen Seiten betont, dass diese Gesellschaft Glaube und Kirche braucht; eine Atmosphäre, die den Menschen trägt, die ihm Heimat bietet. Für mich ist die schönste Definition von Heimat: ein von Liebe durchwehter Raum. Genau das muss Kirche sein. Und da hat die Serie wirklich Tiefgang.

Stephan Zinner
Bild: ©BR/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl

Die Hauptrolle in der BR-Serie "Himmel, Herrgott, Sakrament" spielt Stephan Zinner. Bekannt ist er vor allem als ehemaliger Darsteller von Markus Söder beim Singspiel im Rahmen des Starkbieranstichs auf dem Münchner Nockherberg.

Frage: Das heißt, Sie sind zufrieden mit dem Ergebnis?

Schießler: Ich habe bislang auch nur die ersten beiden Folgen gesehen, weil die an dem Premierenabend gezeigt wurden. Aber ich muss sagen: Ich bin überwältigt. Ich hätte nicht mit so etwas Schönem gerechnet. Auch die Besetzung ist wahnsinnig gut gewählt. Das sind Leute, die nicht nur mit Worten, sondern mit Blicken mit Gesten spielen können, die wirklich diese Atmosphäre darstellen können. Die Serie ist fern vom Klamauk, obwohl man immer wieder wirklich heftig lachen kann. Aber sie soll auch nachdenklich machen: Was trägt mein Leben wirklich und was ist wirklich wichtig in meinem Leben? Das ist es, was den Regisseur Franz Xaver Bogner, der ja selbst verwurzelt ist im bayerischen katholischen Glauben, interessiert hat.

Frage: Sie selbst haben – so viel ist schon bekannt – einen kleinen Auftritt gleich in der ersten Folge. Schauspielerfahrung haben Sie ja schon einige; in ein paar BR-Serien haben Sie sich sogar selbst gespielt. Warum hat es ausgerechnet in "Ihrer" Serie nur für eine Cameo-Szene gereicht und nicht für eine größere Rolle – oder gar für die Hauptrolle?

Schießler: Das war nie ein Thema. Es gab mal die Überlegung, ob ich nicht die Rolle des Mesners übernehmen könnte. Ich habe aber von Anfang an gesagt, dass ich nicht mitspiele. Der Cameo-Auftritt ist sozusagen ein kleines Zugeständnis. Erstens bin ich kein Schauspieler und könnte das nie so spielen wie Stephan Zinner, zweitens wäre das dann zu einer "Personality-Story" oder zu Schießler-Festspielen geworden. Und das soll es ja gerade nicht sein. Es geht um die Kirche. Es geht darum, dass eine Kirche, die ungehemmt, unmittelbar und natürlich ist, eine Chance bei den Leuten hat. Der Mensch, den man gerade trifft, soll das Gefühl haben, er ist in dem Moment der wichtigste Mensch der Welt: So soll Seelsorge sein. Nach dem Motto lebt der Pfarrer Reiser in der Serie. Das haben die Macher auch in meinem Buch entdeckt.

Frage: Inwieweit waren Sie in die Produktion eingebunden?

Schießler: Ich war einmal am Set, habe alle begrüßt und hatte eben den Dreh für diese Szene. Sonst war ich nicht dabei – wenn, dann nur fernmündlich, falls eine spezielle Frage aufkam. "Theologische Fachberatung" steht im Abspann. Ich habe natürlich Stephan Zinner gebrieft und ihm gezeigt, wie man sich anzieht, wie man segnet und so weiter – so wie wir das gelernt haben als junge Priester vor der Weihe. Das alles aber nur in einem kleinen Crashkurs. Viel wichtiger war, dass er einmal bei mir in einem Gottesdienst war, damit er die Atmosphäre erlebt. Sonst habe ich mich nicht eingemischt. Ich habe kein Drehbuch, keine Ausschnitte vorab gesehen.

Frage: Wie realistisch ist die Serie mit Blick auf die Rolle des Priesters in einer heutigen "Durchschnittspfarrei"? Der Pfarrer als Kümmerer in der Gemeinde ist ja eine aussterbende Spezies in Zeiten von Priestermangel und Großpfarreien.

Schießler: Auch der Pfarrer Reiser muss weiter "rausgrasen". Er ist in ganz vielen Aspekten wirklich Sozialarbeiter; er muss um Dinge kümmern, die gar nichts mehr mit geistlichem Wirken zu tun haben. Da ist die Serie sehr nah an der Realität.

„Es geht darum, dass eine Kirche, die ungehemmt, unmittelbar und natürlich ist, eine Chance bei den Leuten hat. Der Mensch, den man in gerade trifft, soll das Gefühl haben, er ist in dem Moment der wichtigste Mensch der Welt: So soll Seelsorge sein. Nach dem Motto lebt der Pfarrer Reiser in der Serie. Das haben die Macher auch in meinem Buch entdeckt.“

—  Zitat: Pfarrer Rainer Maria Schießler über das Anliegen der Serie "Himmel, Herrgott, Sakrament".

Frage: Auch im Blick auf die daraus oft resultierende psychische Belastung von Priestern?

Schießler: Absolut. Pfarrer Reiser packt zwar an, aber er ist kein Manager. Er spürt die Last auf seinen Schultern und bricht sogar unter ihr zusammen. Er kommt manchmal an den Punkt, an dem er sagt, er kann nicht mehr. Da frage ich mich: Hat jemals schon eine Gemeinde gefragt, ob der Pfarrer noch kann? Hat sie sich gefragt, ob er hier zu Hause ist? Und da muss nicht alle fünf Minuten eine Frau vor der Tür stehen und einen Kuchen bringen. Darum geht es nicht. Es geht darum, ob ihm die Gemeinde Heimat ist. Darauf wird viel zu wenig geschaut.

Frage: Apropos Belastung der Priester: Auch der Zölibat wird in der Serie thematisiert. Ein roter Faden ist die wachsende Beziehung zwischen Pfarrer Reiser und einer Frau aus der Gemeinde.

Schießler: Es ist sehr wichtig, dass das vorkommt. Da habe ich auch mitreden dürfen in der Vorbereitung. Ich habe gesagt: Baut mir die Liebe dieses Pfarrers auf. Aber baut sie mir so auf, dass er ein Mensch mit Gefühl ist und keiner, der nur nach Paragrafen lebt. Die Frage, die sich die Kirche stellen sollte, ist: Schaffen wir es, dass wir diese Menschen begleiten und ihnen zu einem verantwortlichen Umgang verhelfen? Ein Priester hat freiwillig das zölibatäre Leben gewählt. Aber wenn so etwas wie in der Serie passiert und sich zwei begegnen: nicht verdrängen und nicht das Ganze in die Dunkelkammer sperren wie in der Vergangenheit, sondern fair damit umgehen. Ich darf dem Anderen sagen: Du weißt schon, dass du mir unglaublich viel bedeutest. Das muss ich sagen können, weil die Liebe zu ihrem Recht kommen muss.

Frage: Wie viel steckt da von Ihrer Biografie drin?

Schießler: Da steckt ganz viel von meinem Leben drin. Ich lebe jetzt 36 Jahre als Priester. Aber für mich war immer klar: zölibatär leben heißt nicht vereinsamen. Das kann der liebe Gott nicht wollen.

Frage: Sehen Sie diese Serie auch als Anfrage, was in Zukunft aus der Kirche und ihren Priestern wird?

Schießler: Auf jeden Fall. Es ist völlig klar, dass wir eine Spezies sind, die am Aussterben ist. Wenn wir das Priesterbild nicht neu denken und mit Leben füllen, wenn wir keinen Wandel hinkriegen, der auch die Frauen miteinbezieht, weiß ich nicht, wo die Kirche in 30 Jahren sein wird. Es kann ja nicht so weitergehen, dass wir hier alles nur zumachen. Aber bitte: Ich habe immer schon gesagt, der Letzte nimmt die Kasse mit und macht das Licht aus. Wenn das die Zukunft ist, dann machen wir es. Meine Aufgabe ist es, so lange ich Energie habe, für die Menschen da zu sein. Den Rest müssen diejenigen regeln, die sagen, sie hätten die Verantwortung und stünden in der Hierarchie auf einer Ebene, wo sie darüber entscheiden könnten, so wie jetzt bei der Bischofssynode in Rom. Ich kann nur sagen: Liebe Freunde, tut es, oder lasst es sein – aber sagt uns, was ihr vorhabt. So würde auch der Pfarrer Reiser reden.

Team der Fernsehserie "Himmel, Herrgott, Sakrament"
Bild: ©KNA/Barbara Just

Das "Team" der Fernsehserie "Himmel, Herrgott, Sakrament" (v.l.n.r): Philipp Kreuzer (Produzent), Stephan Zinner, Anne Schäfer (Schauspielerin), Rainer Maria Schießler, Franz Xaver Bogner und Elmar Jaeger (Redakteur).

Frage: Der Pfarrer Reiser ist an den Typus Schießler angelehnt. Ich stelle mal die umgekehrte Frage: Was kann denn der Schießler vom Reiser lernen?

Schießler: Er hat schon gewisse Schlagfertigkeit. Da sind ein paar Momente drin, da habe ich echt mit der Zunge geschnalzt. Und dann diese unglaubliche Energie, die er ausstrahlt, die er aber sofort runterfahren kann in den absoluten Ruhemodus, wo er eine wahnsinnige Gemütlichkeit ausstrahlt. Ich bin ein sehr, sehr ungeduldiger Typ – und er ist einer, der wie eine Raubkatze auf den Moment wartet und dann zugreift. Aber dann weiß er genau, was er zu tun hat. Da überlegt er nicht lange. Entschlossener zu sein, das kann ich schon von ihm lernen. Und tanzen (lacht).

Frage: Wenn Sie es zusammenfassen müssten: Welche Message bringt diese Serie aus Ihrer Sicht vor allem rüber?

Schießler: Geht in der Kirche ehrlich und anständig miteinander um. Hierarchie heißt nicht, einer ist mehr wert oder wichtiger als der andere. Geht so miteinander um, dass Leben stattfinden kann, dass man übereinander und miteinander lachen kann, dass man sich gegenseitig korrigieren kann und dass man den Anderen in seinem Selbstwert ernst nimmt.

Frage: Jetzt sind erstmal sechs Folgen gedreht worden. Wie stehen die Chancen, dass es eine Fortsetzung in einer zweiten Staffel gibt?

Schießler: Darüber ist bei der Premiere offen gesprochen worden. Regisseur Bogner ist gefragt worden, ob die Macher Interesse hätten, dass es weitergeht. Interesse wäre da zu wenig gesagt: Sie würden es gerne machen. Ich hoffe, dass sie in die letzte Folge einen ganz bösen Cliffhanger eingebaut haben, dass sie praktisch gezwungen sind, weiterzumachen… Material gäbe es noch reichlich. Ich habe ja noch ein paar andere Bücher geschrieben (lacht).

Von Matthias Altmann