"Schnell ins Handeln kommen" blieb bislang eher Wunschdenken

Über ein Jahr nach fünfter Vollversammlung: Wo steht der Synodale Weg?

Veröffentlicht am 26.03.2024 um 00:01 Uhr – Von Matthias Altmann und Benedikt Heider – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wer auf schnelle Reformen nach dem Synodalen Weg gehofft hatte, wurde enttäuscht: Rund ein Jahr nach der letzten Vollversammlung und einigen römischen Interventionen steht auf der Habenseite noch nicht allzu viel zu Buche. Was ist seit März vergangenen Jahres mit den Reformbeschlüssen passiert?

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"Wir müssen schnell ins Handeln kommen", war eines der Mantren in Frankfurt. Nun ist "schnell" relativ. Dennoch dürften viele Synodale gehofft haben, dass gut ein Jahr nach der letzten Vollversammlung des Synodalen Wegs im März 2023 die Beschlüsse des Reformprozesses schon konkreteren Niederschlag gefunden hätten. Sicher: Manche waren lediglich Voten an den Papst, weil Themen wie das Frauendiakonat nur auf weltkirchlicher Ebene entschieden werden können. In anderen Bereichen wähnte man sich hingegen kirchenrechtlich und theologisch auf der sicheren Seite. Doch nach und nach stellte sich heraus, dass das Ganze doch nicht so einfach ist. Davon zeugen nicht zuletzt die vatikanischen Interventionen, die an die Adresse der Deutschen Bischofskonferenz gegangen sind – mit der Aufforderung vor wenigen Wochen, zunächst nicht über die Satzung des Synodalen Ausschusses abzustimmen, als vorläufigen Höhepunkt. Nun haben sich die deutschen Bischöfe und die Kurie zwar auf ein weiteres Vorgehen in Sachen Synodaler Weg geeinigt. Doch wie ist, abgesehen von der Debatte um den Synodalen Ausschuss, der aktuelle Stand beim Reformprozess und seinen zentralen Anliegen?

Der erste richtige Praxistest der deutschen Reformvorhaben scheiterte. Das Erzbistum Paderborn, das vor dem Abschluss der Synodalversammlungen vakant wurde, wollte im Sinne des entsprechenden Handlungstexts bei der Wahl eines neuen Erzbischofs Laien besser einbinden – und damit als erstes Bistum einen der zentralen Reformbeschlüsse umsetzen. Zunächst beriet ein gemeinsames Gremium aus Gläubigen und Domkapitel Kandidatenvorschläge und schickte eine eigene Liste an die Apostolische Nuntiatur. So weit, so unproblematisch. Die nächsten Schritte wurden jedoch mit Verweis auf die Sorge um die Rechtmäßigkeit der Wahl unterbunden. Somit war eine – auch vom Synodalbeschluss – vorgesehene gemeinsamen Beratung über die Dreierliste des Papstes, die er gemäß des geltenden Preußenkonkordats zur Wahl an das Domkapitel zurückschickt, vom Tisch.

Ausweitung beim "Päpstlichen Geheimnis"?

Diese nächsten Schritte hätten nämlich das sogenannte "Päpstliche Geheimnis" angetastet. Das sieht vor, dass sowohl über die römische Dreierliste und den Wahlverlauf von allen Beteiligten Stillschweigen zu bewahren ist. Das "Päpstliche Geheimnis" müsste durch den Vatikan auch auf die beteiligten Laien ausgeweitet werden. Viele Kirchenrechtler halten für ausgeschlossen, dass der Vatikan das tut: Er habe in der Vergangenheit erkennen lassen, dass er die Beteiligung Dritter oder von Laiengremien an der Bischofsbestellung ausdrücklich nicht wünsche.

Insingnien des Bischofs
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Symbolbild)

Wie weit können Laien bei der Bestellung eines neuen Bischofs eingebunden werden?

Im aktuell noch vakanten Bistum Osnabrück und im Bistum Münster kündigte man zwar an, ebenfalls Laien stärker an der Bischofswahl beteiligen zu wollen. Hier beschränkt sich das Ganze auf das gemeinsame Gremium aus Domkapitel und Laien, das über Kandidaten berät, woraufhin das Domkapitel eine Kandidatenliste weiterleitet. Das mag zwar kirchenrechtlich in Ordnung sein: Richtige Mitbestimmung, wie sie der Synodale Weg intendierte, sieht anders aus. Und im bis kürzlich ebenfalls vakanten Erzbistum Bamberg winkte das Domkapitel frühzeitig ab: Aufgrund der bestehenden Rechtslage in den Diözesen, die dem Bayerischen Konkordat unterliegen, gebe es keine Möglichkeit, den Beschluss des Handlungstextes zu berücksichtigen. In Bayern ist der Papst bei der Bischofsernennung frei, eine Wahl aus einer Dreierliste durch das Domkapitel gibt es nicht.

Einzelne diözesane Umsetzungsansätze gab es auch beim Thema Laienpredigt und -taufe. Im von der Synodalversammlung beschlossenen Handlungstext "Verkündigung des Evangeliums durch beauftragte Getaufte und Gefirmte in Wort und Sakrament" werden die Bischöfe aufgefordert, eine Partikularnorm zu erarbeiten, also ein für das Gebiet der Bischofskonferenz geltendes kirchliches Gesetz, mit der Nicht-Geweihten in der Eucharistiefeier auch offiziell die Predigt erlaubt wird. Eine Partikularnorm diesen Inhalts benötigt jedoch die Genehmigung durch den Heiligen Stuhl. Die Homilie durch Laien ist in einigen Bistümern bereits seit Jahren zumindest geduldet. Im Bistum Rottenburg-Stuttgart gibt es seit 1999 sogar eine Handreichung, auf deren Grundlage Laien in der Messe predigen dürfen.

Taufspendung: Regelungen in einzelnen Bistümern

Außerdem steht in dem Handlungstext, dass in einem Konsultationsprozess überprüft werden soll, unter welchen Bedingungen Laien regulär die Taufe spenden und beim Ehesakrament assistieren dürfen. In einigen Diözesen wurden bereits Nägel mit Köpfen gemacht – zum Teil schon vor dem Beschluss des Handlungstextes bei der fünften Synodalversammlung: Die Bistümer Essen, Rottenburg-Stuttgart und Osnabrück erließen Regelungen, die beauftragten Laien die Taufspendung regulär ermöglichen.

Doch auch im Bereich Laienpredigt und -taufe signalisierte der Vatikan bereits, dass er keinen Spielraum sieht: Durch die Laienpredigt sehe man die Gefahr, dass im Bewusstsein der christlichen Gemeinde Missverständnisse über die Gestalt und Identität des Priesters entstehen. Bei der Taufspendung durch Laien wird auf das geltende Recht verwiesen, wonach Laien nur bei Abwesenheit oder Verhinderung eines Klerikers als erlaubte Spender des Sakraments vorsieht. Diese Bedingung sei nur dann erfüllt, wenn ein ordentlicher Taufspender nicht innerhalb eines Monats erreicht werden kann. Solche Umstände "scheinen in keiner Diözese im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz vorzuliegen", teilte der vatikanische Liturgiepräfekt, Kardinal Arthur Roche, den deutschen Bischöfen in einem Brief mit. Offiziell einkassiert wurden die Beschlüsse in den Diözesen bisher jedoch nicht.

ZdK-Vize Mock: Es braucht einen Rahmen für die Segenshandlungen

Mit der Vatikan-Erklärung "Fiducia supplicans" sind Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare möglich, sollen aber nicht ritualisiert werden. Was heißt das für die Beschlüsse des Synodalen Wegs? Birgit Mock, die das zuständige Synodalforum geleitet hat, äußert sich im katholisch.de-Interview dazu. (Artikel vom Dezember 2023)

Dass der Vatikan von manchen Sachen abrücken kann, zeigte die überraschende Segenserklärung "Fiducia supplicans" vom vergangenen Dezember. Darin wird die Segnung homosexueller und wiederverheirateter Paare unter bestimmten Umständen für zulässig erklärt. Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare sind auch ein zentrales Reformanliegen des Synodalen Wegs. Noch 2021 hatte der Vatikan erklärt, dass die Kirche keine Vollmacht habe, solche Verbindungen zu segnen.

Doch auch wenn die Segnungen nun möglich sind: Der Vatikan versteht darin einen einfachen pastoralen Segen ohne liturgischen Rahmen, der dezidiert die kirchliche Ehelehre und Sexualmoral nicht infrage stelle. Der Synodale Weg plädierte dafür, Segensfeiern in einem eigenen liturgischen Rahmen einzuführen, und plant, dazu eine ausgearbeitete Handreichung zu veröffentlichen. Zudem will man sich beim Papst für eine lehramtliche Neubewertung von Homosexualität und homosexueller Beziehungen einsetzen. Kardinalstaatsekretär Pietro Parolin teilte den deutschen Bischöfen in Herbst jedoch mit, dass der Vatikan nicht daran denke, über die Lehre der Kirche zu diesem Thema zu verhandeln.

Arbeitsgruppe zu Segensfeiern arbeite an Handreichung

Der Berliner Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl, der Mitglied im Synodalforum "Leben in gelingenden Beziehungen und Partnerschaften" war, sieht die vatikanischen Interventionen jedoch gelassen. "Für den Bereich unseres Synodalforums sehe ich keine Einschränkungen", betont er gegenüber katholisch.de. "Ohnehin sehe ich nicht, dass römische Interventionen uns daran hindern könnten, als Getaufte und Gefirmte unserem gemeinsamen Priestertum nachzukommen und uns durch unser evangelisierendes Denken und Handeln an der Fortentwicklung der Lehre der Kirche zu beteiligen." So arbeite etwa die beauftragte Arbeitsgruppe zu Segensfeiern weiter an Orientierungspunkten für seine Handreichung. Neben Blockadeversuchen nimmt Lob-Hüdepohl auch viel Aufbruch wahr, in Deutschland und weltweit: Der Grundtext des Forums etwa, der die nötige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe verfehlte und deshalb kein Beschluss des Synodalen Weges werden konnte, sei international interessiert aufgenommen worden.

Papst Franziskus beendet die erste römische Phase der Weltsynode
Bild: ©picture alliance / ANSA | VATICAN MEDIA (Archivbild)

Bei der zweiten Runde der Weltsynode soll nicht über Themen wie das Frauendiakonat beraten werden.

Viele Hoffnungen im Blick auf Veränderungen setzten Unterstützer des Synodalen Wegs bisher auf die Debatten bei der Weltsynode. Bei deren erster Runde im vergangenen Oktober zeigte sich, dass die deutschen Reformthemen auch in anderen Weltregionen eine Rolle spielten, wenn auch sicher nicht in derselben Ausprägung. Aber gerade beim Frauendiakonat, für das sich der Synodale Weg in Deutschland dezidiert aussprach und ein entsprechendes Votum an den Papst formulierte, erhoffte man sich bei der zweiten Runde in Rom im kommenden Herbst eine starke Stimme. Vorvergangene Woche entschied Papst Franziskus jedoch überraschend, dass wichtige Reformthemen nicht mehr Teil der Beratungen der Weltsynode sein werden. Stattdessen sollen "heiße Eisen", darunter die Rolle der Frau samt Frauendiakonat in Studiengruppen weiterdiskutiert werden – was gerade in Deutschland für viel Unverständnis sorgte.

Wie ist nun in diesem Bereich die Erfolgsaussicht für Veränderungen? "Ich persönlich glaube nicht, dass im Blick auf die sakramentalen Dienste von Frauen in diesem Pontifikat wirkliche Reformen zu erwarten sind", sagt Renovabis-Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz, der im vergangenen Herbst Beobachter bei der ersten Runde der Weltsynode war, gegenüber katholisch.de. Er lasse sich allerdings gerne eines anderen belehren. Denn je nachdem, wie in diesen Studiengruppen das Abstimmungsergebnis bei den Voten ist, könne das für Reformprozesse von Bedeutung sein. "Je größer eine positive Kenntnisnahme sein wird, umso höher die Wahrscheinlichkeit für dann mögliche Veränderungen von kirchlichem Recht, kirchlicher Disziplin und Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre zu einzelnen Themen."

Die deutschen Bischöfe haben sich bei ihrem Gespräch mit hochrangigen Kurienvertretern am vergangenen Freitag darüber verständigt, sich bei Reformen eng mit dem Vatikan abzustimmen und dabei auch die Weltsynode im Blick zu behalten. Für die weitere Arbeit im Synodalen Ausschuss, der unter anderem konkrete Formen von Synodalität erarbeiten soll, gab es so etwas wie grünes Licht – unter der Maßgabe, dass es bei der Einführung dieser Formen die Approbation des Heiligen Stuhls braucht, wie es in der Erklärung nach dem Treffen außerdem hieß. Eine Sache bleibt daher klar: Gläubige in Deutschland, die sich Veränderungen im Sinne des Synodalen Wegs wünschen, brauchen auf jeden Fall weiterhin eine ordentliche Portion Geduld – und müssen mit wohl mit manchen Enttäuschungen umgehen. Aus "schnell ins Handeln kommen" wird bei vielen Themen wohl weiterhin nichts.

Von Matthias Altmann und Benedikt Heider