Komiker hofft auf mehr Humor in Kirche

Mittermeier: Priester waren erste Stand-Up-Comedians

Veröffentlicht am 13.06.2024 um 18:04 Uhr – Von Roland Müller – Lesedauer: 

Bonn ‐ Michael Mittermeier ist einer der bekanntesten Comedians Deutschlands. Am Freitag nimmt er an einem Treffen von mehr als 100 Humoristen im Vatikan teil. Im katholisch.de-Interview verrät Mittermeier unter anderem, welchen Witz er Papst Franziskus erzählen wird, wenn er die Gelegenheit dazu bekommt.

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Die Crème de la Crème der deutschen Comedy-Szene trifft sich am Freitag im Vatikan. Sechs deutschsprachige Comedians von Rang und Namen nehmen an einer Audienz von mehr als 100 Humorschaffenden bei Papst Franziskus teil. Mit dabei ist Michael Mittermeier, einer der bekanntesten deutschen Komiker. Im Interview mit katholisch.de erklärt der 58-Jährige, warum er mit der Kirche auf der Bühne hart ins Gericht geht und weshalb er den Papst dennoch treffen möchte.

Frage: Herr Mittermeier, die Katholiken verteilen die härtesten Schläge, haben Sie einmal über Ihre Zeit an einer Ordensschule gesagt. Nun sind Sie bald im Zentrum des Katholizismus, dem Vatikan. Haben Sie etwas Angst, den Papst zu treffen?

Mittermeier: Ich nehme nicht an, dass der Papst mich schlagen wird. Das hoffe ich jedenfalls. (lacht) Aber Franziskus hat sich mehrmals zum Schlagen geäußert. Einmal hat er gesagt, ein Kind zu schlagen sei in Ordnung, wenn es mit Würde passiert. Das war am Anfang seiner Zeit als Papst. Aber jemanden zu schlagen, kann nie würdevoll sein. Das habe ich selbst miterlebt. Franziskus hat auch gesagt: Wenn ein guter Freund meine Mutter beleidigt, erwartet ihn ein Faustschlag. Als ich das gehört habe, dachte ich mir nur: What the hell! Im Rap-Business geht es genauso zu. Und dann habe ich mich gefragt, wer überhaupt zum Papst geht, und seine Mutter beleidigt? Also, ich glaube nicht, dass der Papst uns Comedians schlagen wird. Er ist immerhin offen für Humor. Das ist schon sehr viel wert. Denn normalerweise ist die katholische Kirche wie das deutsche Feuilleton, einfach spaßbefreit und ohne Sinn für Humor. 

Frage: Sie gehen auf der Bühne immer hart mit der Kirche ins Gericht. Haben Sie eine Ahnung, warum ausgerechnet Sie zu dem Treffen in den Vatikan eingeladen wurden?

Mittermeier: Die Einladung kam und ich habe sie angenommen. Ich weiß nicht, warum ich eingeladen wurde. Meine Vermutung ist, dass ich wichtig bin, ohne dass ich es weiß. Nun kommen mehr als 100 Comedians zum Papst, das ist eine gute PR-Aktion für die Kirche. Das meine ich gar nicht negativ, sondern das ist sehr clever. Am Ostersonntag hat der Bischof von Passau einen Witz nach der Messe erzählt und die Leute haben sich totgelacht. Das Video ging viral, denn da steht ein Bischof am Altar, der lacht. Wenn der Bischof lacht, dann macht es ihn menschlich und bringt ihn den Leuten näher. Denn Lachen ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Situationen, in denen nicht gelacht wird, sind immer Situationen, in denen etwas nicht stimmt. Leider steht der Humor bei der Kirche nicht an erster Stelle, um es diplomatisch auszudrücken. Ich bin seit Beginn meiner Karriere von Katholiken wüst beschimpft worden. Da habe ich gelernt: Sie haben nicht den größten Sinn für Humor. Daher finde ich es super, wenn es da nun scheinbar eine Veränderung bei der Kirche gibt.

Frage: Ist das auch ein Grund, warum Sie die Einladung angenommen haben?

Mittermeier: Wenn der Papst einen einlädt, ist das eine außergewöhnliche Sache. Ich finde es als Comedian – aber auch als Mensch – wahnsinnig interessant, in den Vatikan zu fahren und zu spüren, was für eine Energie und Ausstrahlung Franziskus verströmt. Vielleicht merke ich ja, warum das Fels der ist, auf den die Kirche gebaut sein soll. Für mich als Comedian kommt noch hinzu: Ein solches Treffen ist eine der besten Vorlagen, über die man Witze machen kann. In der nächsten Woche habe ich in meiner neuen Sendung "Mittermeiers Lucky Punch Comedy Club" eine ganze Folge dem Papst gewidmet. Die ist schon aufgezeichnet und deshalb habe ich mir vorab überlegt, welche Jokes man in Rom machen könnte. Ganz konkret frage ich mich: Muss ich vor dem Treffen im Vatikan noch beichten? Wird es bemerkt, wenn ich nicht gebeichtet habe? Allein für diese Folge hat es sich also schon gelohnt, dass ich zum Papst fahre. Aber ich will die Audienz auch nicht lächerlich machen, denn ich bin ein Mensch, der viele Fragen hat. 

Franziskus lacht bei einer Generalaudienz.
Bild: ©KNA

Franziskus lacht bei einer Generalaudienz. Comedian Michael Mittermeier sagt über den Papst: "Er ist immerhin offen für Humor. Das ist schon sehr viel wert."

Frage: Wie ist die Beziehung des Menschen Michael Mittermeier zum Glauben und zur Kirche?

Mittermeier: Die katholische Kirche hat es mir nie einfach gemacht. Über die Zeit am Klostergymnasium haben wir schon gesprochen. Wenn ein Geistlicher ein Kind schlägt, widerspricht das allen Grundsätzen des christlichen Glaubens. Am liebsten würde ich ihn fragen: Hast du eigentlich den zweiten Teil der Bibel gelesen? Ich bin mir nicht sicher, ob du ihn kennst. Er heißt Neues Testament und ist das Sequel zum Ersten Testament. Auch ganz persönlich habe ich viele Fragen. Meine Frau und ich haben vier Kinder als Totgeburten verloren. Das kann mir niemand erklären. Zwei sind zudem gestorben, als es noch die Vorhölle gab, in die nicht getaufte Kinder bei ihrem Tod kommen, und zwei nachdem Benedikt XVI. die Vorhölle abgeschafft hatte. Ich habe einen Pfarrer gefragt, ob das auch rückwirkend gilt. Seine Antwort war: Ich glaube schon. Bei dieser Frage hätte ich aber gerne eine Gewissheit. Ob ich das bei Franziskus ansprechen kann, weiß ich nicht. Können wir Comedians überhaupt mit ihm reden? Gerade aus Sicht von uns deutschen Comedians ist es das krasseste Lineup, das morgen im Vatikan geboten wird. Ich will nur mal Chris Rock, Jimmy Fallon, Stephen Colbert und Whoopi Goldberg nennen. Hoffentlich können wir Comedy-Club-Stimmung im Vatikan machen. Das wäre sehr cool!

Frage: Sind Sie ein gläubiger Mensch?

Mittermeier: Ich weiß es nicht. Ich glaube zwar, dass es etwas gibt, das über uns Menschen hinausgeht. Ich kann es aber nicht benennen. Jeder hat eine andere Definition von Gott. Aber zuhause beten wir jeden Abend vor dem Essen, das geht an Gott und das Universum. Es gibt da draußen etwas, da bin ich sicher. Aber was es genau ist, kann ich nicht benennen. Vielleicht eine Energie, die alles zusammenhält?! Deshalb frage ich mich, ob von Franziskus eine Form von Energie ausgehen wird. Der Papst ist schließlich das Oberhaupt der Katholiken. Natürlich läuft in der katholischen Kirche auch viel schief. Franziskus ist gerade erst wieder mit einer Entgleisung über Homosexuelle ins Fettnäpfchen getreten. Da kann man sich nur wünschen, dass die Kirche dazulernt. Falls nicht, wird es sie irgendwann vielleicht nicht mehr geben.

Frage: Wenn Sie die Möglichkeit haben mit Franziskus zu sprechen, werden Sie ihm einen Witz erzählen?

Mittermeier: Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Eine Idee ist: Was kann man bei einer Papstaudienz und im Puff sagen? Heiliger Bimbam! (lacht) Ich bin mir nicht sicher, ob solche Witze so gut vor Ort ankommen. Vielleicht ist das ganze Treffen auch eine Falle?! Die besten Humoristen werden eingeladen und anschließend nie wieder gesehen? Wer das Buch Der Name der Rose gelesen hat, weiß, dass sehr extreme Kirchenmänner das Lachen nicht mögen. Deshalb geschehen im Buch sogar Morde. Das Lachen hat immer etwas Subversives. Deshalb bin ich mir nicht so sicher, dass die Kirche uns wieder aus dem Vatikan herauslässt. Ich hoffe aber, dass Franziskus etwas mehr von Humor verstanden hat, so wie der Passauer Bischof mit seinem Osterlachen. Das Osterlachen gehörte früher fest zur Liturgie von Ostern dazu. Die Priester mussten also Witze erzählen. Sie waren die ersten Stand-Up-Comedians, denn sie mussten professionell die Leute zum Lachen bringen – sozusagen Comedy Club bei der Ostermesse. Vielleicht bringt Franziskus diese Tradition wieder überall in den Gottesdienst zurück.

Von Roland Müller