Standpunkt

Was die Politik vom heiligen Benedikt lernen kann

Veröffentlicht am 11.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Julia Martin – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Ergebnis der Europawahl hat viele Menschen erschreckt. Damit in Politik und Gesellschaft trotzdem eine Mitte gefunden werden kann, empfiehlt Julia Martin die Regel des heiligen Benedikt als Leitschnur.

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Am heutigen Gedenktag das heiligen Benedikt lohnt sich wieder einmal ein Blick in die Benediktsregel. Denn als Patron Europas kann er auch Vorbild für die Politik sein. Nach dem für die meisten wohl schockierenden Wahlergebnis der Europawahl von vor gut einem Monat kommt das neu gewählte Parlament in der kommenden Woche zum ersten Mal zur Plenarsitzung zusammen. Und schon ein Blick auf das erste und letzte Wort der Benediktsregel könnte helfen: "Ausculta (…) pervenies." – "Höre (…) du wirst ankommen." Was für starke Worte, um den über 1.500 Jahre alten Text einzurahmen, was für simple Worte als ganzer Lebensratgeber.

Lebenshilfe kann die Benediktsregel vor allem auf das Leben in Gemeinschaft hin sein – sei es nun im privaten oder beruflichen Alltag. Gerade bei kontroversen Themen ist das Hören, das Zuhören Grundlage für einen Konsens. Dabei geht es im Umkehrschluss nicht darum, das Gegenüber von den eigenen Argumenten zu überzeugen oder gar zu überreden. Vielmehr heißt es, die Perspektive zu wechseln, empathisch zu sein und den anderen zu sehen. Hören bedeutet gleichzeitig Respekt – auch, wenn man selbst eine andere Meinung hat.

Das benediktinische Hören und vor allem die daraus folgende Entscheidungsfindung in Gemeinschaften meint also offen zu sein für die Haltung anderer. Auch wenn, oder vielleicht sogar gerade wenn diese Haltung gar nicht mit der eigenen einhergeht. Denn nur im Dialog – und das ist mit dem Hören auch gemeint – können Herausforderungen und Probleme bearbeitet werden. Benedikt weiß, wovon er spricht: Bei großen Mönchsgemeinschaften kann es schließlich nicht nur eine Meinung geben.

Übrigens lässt sich dieses Hören auch im persönlichen Alltag außerhalb jeglicher Konsensfindung ganz gut umsetzen, indem ich einfach bewusst auf mein Gegenüber (meine Arbeitskolleg/innen, Partner/in oder Eltern) eingehe, ihm zeige, dass ich ihn sehe. Probieren Sie es aus und fragen einfach mal mit ernsthaftem Interesse, wie es demjenigen geht und hören zu. Schließlich gilt das Versprechen der Benediktsregel: "pervenies".

Von Julia Martin

Die Autorin

Julia Martin ist Pressesprecherin der Benediktinerabtei Münsterschwarzach.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.