Richtet euch auf!
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"Die Völker werden bestürzt und ratlos sein", über die Bilder aus zerbombten Städten in scheinbar ausweglosen Konflikten, "über das Toben und Donnern des Meeres". Selbst "die Kräfte des Himmels werden erschüttert". Selbstverständliches wankt: Die Erzählung vom unbegrenzten Wachstum ebenso wie das Einvernehmen auf demokratische Werte. Und mittendrin steht die Erzählung von Gott selbst in Frage.
Die Apokalypse des Lukas, aus der das heutige Sonntagsevangelium entnommen ist, entstand nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels. Es brach zusammen, was den Menschen Halt und Orientierung gab. Ich erkenne meine Verunsicherung wieder und die Arten damit umzugehen: mich wegducken und machtlos reden. Mein Fähnchen in den Wind hängen und den einfachsten Antworten folgen. Die Nachrichten ausschalten und mich unter meiner Bettdecke verkriechen.
Mitten in diese Menschlichkeit hinein stellt das heutige Evangelium Jesus: "Wenn all dies geschieht, dann richtet euch auf und erhebt euer Haupt." Beugt euch nicht dem, was euch verzweifeln lässt. Richtet euch auf. Erhebt euch. Vertraut auf euer Rückgrat – dass es hält.
Heute unterstützen psychologische Studien, was Jesus hier fordert. So wurde in den 80er Jahren eine Gruppe von Probanden gebeten, sich gebeugt hinzusetzen und in dieser Haltung zu verharren. Die andere Gruppe sollte gerade sitzen, den Blick gehoben. Anschließend rätselten beide Gruppen an einem (unlösbaren) Puzzle. Die Gruppe, die vorher gebeugt saß, gab signifikant schneller auf als die "aufgerichtete" Gruppe. Heute lässt sich erklären, wie sich die Körperhaltung auf unsere Gefühls- und Gedankenwelt auswirkt. Ein aufrechte Haltung löst andere Signalketten im Gehirn aus, die so etwas wie Kreativität, Weitsicht und Hoffnung überhaupt erst ermöglichen.
Nun sind Jesu Worte jedoch nicht solche eines verkappten (und erstaunlich präzisen) Neurophysiologen. "Richtet euch auf und erhebt euer Haupt." Diese Worte stammen von demjenigen, der sich am kompromisslosesten in diese Welt hineingestellt hat. Jesus ist dadurch radikal verbunden mit allen, die heute für seine Botschaft mitten in der Welt einstehen.
Das ist das Geheimnis des christlichen Glaubens. Dass unser Rückgrat nicht auf einer abstrakten Idee, einem Ideal oder einer Ideologie beruht. Sondern ein Gesicht hat. Einen Namen. Eine Geschichte in dieser Welt. Dieses Gegenüber können wir mit dem, was uns bedrückt und beugt, ansprechen, anklagen, anrufen – von DU zu Du.
Ein Experiment kann uns durch diesen Advent begleiten. Wenn wir in den Liedern den Namen Emmanuel singen – Gott mit uns – lassen wir davon doch jedes Mal etwas aufrichten, den Blick anheben, die Atmung befreien. Versuchen Sie es, es tut gut.
Evangelium nach Lukas (Lk 21,25–28.34–36)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.
Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht wie eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen.
Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt!
Die Autorin
Schwester Elisabeth Muche gehört zur Kongregation der Helferinnen, ist in der Geistlichen Begleitung tätig und arbeitet als Psychotherapeutin in Ausbildung in München.
Ausgelegt!
Als Vorbereitung auf die Sonntagsmesse oder als anschließender Impuls: Unser Format "Ausgelegt!" versorgt Sie mit dem jeweiligen Evangelium und Denkanstößen von ausgewählten Theologen.