Kirchenrechtler Hallermann vermisst Regeln für Laien

"Tendenziöse Einseitigkeit"? Kritik an Münsters Disziplinarordnung

Veröffentlicht am 04.03.2025 um 12:21 Uhr – Lesedauer: 

Würzburg ‐ Auf den letzten Metern seiner Amtszeit hat Münsters Bischof Felix Genn noch Regeln für Disziplinarverfahren gegen Kleriker aufgestellt – nicht aber für Laien mit kirchlichen Ämtern. Der Würzburger Kirchenrechtler Heribert Hallermann kritisiert das.

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Die neue Disziplinarordnung im Bistum Münster erzeugt nach Ansicht des Kirchenrechtlers Heribert Hallermann den falschen Eindruck, dass nur Priester missbräuchlich handeln. In einem Beitrag für die "Tagespost" (Sonntag) fordert der emeritierte Würzburger Kanonist angesichts dieser "tendenziösen Einseitigkeit" eine grundlegende Überarbeitung und Ergänzung der Ordnung. Zu begrüßen sei der Versuch, mittels der Ordnung die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen transparenter und rechtssicherer zu gestalten, "so dass einer willkürlichen Disziplinierung von Klerikern ein Riegel vorgeschoben wird". Das Bistum Münster ist das erste Bistum mit einer Disziplinarordnung. Bischof Felix Genn hat sie mit Wirkung vom 1. März in Kraft gesetzt.

Hallermann geht davon aus, dass die Fokussierung auf Kleriker nicht mit dem Kirchenrecht in Einklang zu bringen ist. Eine von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Rom zur Genehmigung vorgelegte Disziplinarordnung sei zurückgewiesen worden, weil sie sich nur auf Kleriker bezogen habe. Darüber hinaus sieht der Kirchenrechtler zwei weitere große Kritikpunkte: In der Ordnung sei zwar allgemein die Rede von Klerikern, die konkreten Regelungen gingen aber nicht auf Besonderheiten bei den Amtspflichten von Diakonen ein.

Schließlich unterscheide die Ordnung nicht zwischen dem Status von Klerikern und den von ihnen ausgeübten Diensten und Ämtern: "Jedes Disziplinarrecht setzt die Ausübung eines Amtes oder eines Dienstes in der Kirche durch Kleriker oder Laien voraus; Disziplinarmaßnahmen betreffen nur die Dienststellung". Damit sei die von der Ordnung vorgesehene Anwendung auf Kleriker im Ruhestand nicht vereinbar: "Kleriker im Ruhestand sind zwar Priester oder Diakone, üben aber kein Kirchenamt und keinen Dienst im kirchenrechtlichen Sinn aus."

Kurz vor Ende der Amtszeit verabschiedet

Die Ordnung trat wenige Tage vor der voraussichtlichen Annahme des Rücktritts von Genn in Kraft. Der Bischof erreicht am Donnerstag das Alter von 75 Jahren, in dem Bischöfe gehalten sind, dem Papst ihren Rücktritt anzubieten. Bischof Genn hat dem Papst schon im vergangenen Jahr seinen Rücktritt angeboten und mehrfach betont, zu seinem 75. Geburtstag aus dem Amt scheiden zu wollen. Dass er mit der Disziplinarordnung und der am selben Tag in Kraft getretenen Schlichtungsordnung so kurz vor dem Ende seiner Amtszeit noch Gesetze erlässt, widerspricht nach Ansicht Hallermanns dem Geist des für die Zeit der Vakanz eines Bischofsstuhls geltenden Veränderungsverbots, "weil dadurch die Nachfolger von Bischof Genn gebunden werden". In den wenigen Tagen zwischen Inkrafttreten und Ausscheiden würde die Ordnung die Amtsführung Genns nicht mehr betreffen, so der Kirchenrechtler.

Laut ihrer Präambel ist das Ziel der Disziplinarordnung, "das Wohl der Gemeinschaft der Gläubigen vor einem unangemessen oder missbräuchlich ausgeübten Dienst oder Amt eines Klerikers" zu schützen. Die Ordnung definiert klerikale Amtspflichtverletzungen näher. Dazu gehören unter anderem Tatbestände sexualisierter Gewalt und geistlichen Missbrauchs, aber auch vermögensrechtliche Delikte und kirchenfeindliche Betätigungen. Für Verletzungen von Amtspflichten sind Sanktionen unterschiedlicher Schwere von einer Ermahnung über Geldbußen bis hin zu Suspendierungen, Amtsenthebungen und Versetzungen in den vorzeitigen Ruhestand vorgesehen. Zuständig für Disziplinarverfahren ist eine Disziplinarkommission unter Vorsitz des Generalvikars. Disziplinar- und Schlichtungsordnung sollen innerhalb von drei Jahren evaluiert werden. Über die Ergebnisse der Überprüfung werden neben den Münsteraner Gremien auch die Deutsche Bischofskonferenz und die Apostolische Signatur im Vatikan, das oberste Kirchengericht, informiert. (fxn)