Knackpunkt kollegiale Leitung

Kardinäle im Vatikan beklagen Spannungen in der Kirche

Veröffentlicht am 30.04.2025 um 15:41 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Seit mehr als einer Woche tagen in Rom die Kardinäle und beraten über die Lage des Vatikans und der katholischen Kirche. Dabei kommen auch schmerzhafte Themen zur Sprache – wie die innerkirchlichen Konflikte.

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Eine Woche vor Beginn der Papstwahl haben die Kardinäle in Rom explizit über Spannungen in der Kirche gesprochen. Sie hätten die Polarisierung in Kirche und Gesellschaft als eine offene "Wunde" bezeichnet, berichtete Vatikansprecher Matteo Bruni am Mittwoch aus den Redebeiträgen des Kardinalskollegiums beim sogenannten Vorkonklave. In der Amtszeit von Papst Franziskus (2013–2025) hatte es als Folge kontroverser Entscheidungen des Papstes sowie durch eine Veränderung der Debattenkultur immer wieder ungewöhnlich scharfe innerkirchliche Konflikte gegeben. Insbesondere konservative und traditionalistische Kreise beklagten dies in den vergangenen Jahren.

Laut Bruni ging es in den Redebeiträgen der Kardinäle unter anderem darum, was das Wesen der katholischen Kirche ausmacht. Der theologische Fachbegriff dafür ist die Ekklesiologie. Es sei vorgeschlagen worden, das unter Franziskus massiv weiter entwickelte Prinzip der Synodalität, also der gemeinsamen Verantwortung aller in der Kirche, genauer zu fassen. Ebenso sollte geklärt werden, in welcher ergänzenden Beziehung es zum Prinzip der kollegialen Leitung der Kirche durch die Bischöfe steht.

Diese kollegiale Leitung der Kirche durch die Bischöfe hatte das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) stark gemacht. Nun sei eine "differenzierte Mitverantwortung" gefordert worden, erklärte Bruni. Offenbar ging es darum, wieder stärker zwischen der bischöflichen Leitung und der Mitbestimmung durch "das Volk Gottes" zu unterscheiden. Unter anderem im von Franziskus 2021 gestarteten Projekt Weltsynode zur Synodalität ging es darum, neue Formen der gemeinsamen Verantwortung von Bischöfen und Katholiken ohne Weiheamt, sogenannten Laien, zu finden. Noch vom Krankenbett aus hatte der Papst im Frühjahr verfügt, dass dazu bis 2028 weitere Treffen stattfinden.

Kardinäle diskutieren über finanzielle Lage des Vatikans

Weiter diskutierten die Kardinäle über die schwierige finanzielle Lage des Vatikans. Als erster sprach dazu am Mittwochmorgen der deutsche Kardinal Reinhard Marx als Koordinator des Wirtschaftsrats des Heiligen Stuhls, wie Bruni erklärte. Der Münchner Erzbischof habe dabei die Frage der "finanziellen Nachhaltigkeit" betont, die nötig sei, um den Dienst des Vatikans für die Weltkirche sicherzustellen. Neben Herausforderungen habe Marx auch Lösungsvorschläge benannt.

Papst Franziskus hatte in seinem letzten Pontifikatsjahr wiederholt auf das dramatische Defizit des Vatikans hingewiesen. Im September 2024 rief er die Kardinäle in einem Brandbrief zu mehr Sparsamkeit und zu neuen Finanzierungsideen auf. Noch vom Krankenbett aus ordnete er am 26. Februar die Gründung einer neuen Kommission an, die sich verstärkt um Fundraising für den Vatikan kümmern solle. Der Vatikan hat seit mehr als zwei Jahren keinen ordentlichen Haushalt mehr veröffentlicht. Laut Medienberichten hat der Heilige Stuhl ein strukturelles Defizit von rund 80 Millionen Euro. Anders als andere Staaten hat der Vatikan seit dem 20. Jahrhundert keinen Zugang mehr zum internationalen Kapitalmarkt, um sich dort über Staatsanleihen zu finanzieren.

Laut Bruni sprach nach Marx auch der Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Er leitet die Kardinalskommission, die der Vatikanbank IOR die Leitlinien vorgibt. Das IOR hatte in den vergangenen Jahren stets eine niedrige zweistellige Millionensumme als Dividende an den Heiligen Stuhl abgeführt. Das Institut gilt derzeit als solide, erwirtschaftet aber nicht genug, um die hohen Gehaltskosten und die Pensionskassen für die knapp 5.000 Vatikangestellten zu decken. Nach Marx und Schönborn sprachen auch die Kardinäle Kevin Farrell (als Kämmerer) und Konrad Krajewski (als Zuständiger für die Almosen) und Fernando Vergez Alzaga. Dieser war bis 1. März der Verwaltungschef des Vatikanstaats. Seine zugleich von Papst Franziskus ins Amt berufene Nachfolgerin, Schwester Raffaela Petrini, nahm nicht an den Beratungen der Kardinäle teil. (tmg/KNA)