Mehr als nur Worte: Warum Kirche an den Menschen vorbeiredet

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Neulich war ich auf einer Firmung. Die Kirche war rappelvoll. 49 Firmlinge und ihre Familien drängten sich in den Bänken. Ein festlicher Anlass, der viel Vorbereitung erfordert: Es gab einen Chor, einen geschmückten Kirchraum und Liedhefte. Was für eine Chance, Kirche zu den Menschen zu bringen! Allen voran zu den Jugendlichen, aber eben auch zu allen Anwesenden. Ein oft erwähntes Problem von Kirche ist ja, dass sie nicht in Kontakt zu den Menschen kommt. Hier und jetzt sind sie da.
Die Feierlichkeit beginnt, eine Pastoralmitarbeiterin eröffnet den Gottesdienst. Sie spricht in etwas schwülstigen Bildern davon, dass Jugendliche im pastoralen Raum sich auf den Weg gemacht hätten. Ja, aber wohin denn eigentlich? In der Kirche nutzen Akteure oft das Bild des Sich-auf-den-Weg-Machens. Meistens bleiben sie dabei denkbar unkonkret und sagen viel, um eigentlich wenig zu meinen. So auch hier.
Die Predigt beginnt mit einem Vergleich: die Spielekonsole, die regelmäßig ein Update braucht – genau wie unser Leben. Der Versuch eines jugendlichen Einstiegs, doch das Bild wirkt bemüht. Unweigerlich frage ich mich, ob dem Predigenden klar ist, dass auch die Institution Kirche unbedingt ein Update bräuchte? Und da denke ich nicht bloß an die großen Debatten wie Frauenfrage, Zölibat und Co., sondern finde, dass es bereits bei Sprache und Ansprache beginnt.
Die Fürbitten als verpasste Chance
Eine der schönsten Stellen bei solchen Gottesdiensten sind für mich die Fürbitten. Themenwahl und Formulierung geben immer Hinweise darauf, wie die Verfasser denken und fühlen. Das ist echt, das ist authentisch, das mag ich. Doch auch hier werde ich enttäuscht. Der erste Firmling verliest die Fürbitte: "Wir danken für den Heiligen Geist beim vergangenen Konklave." Herrgottskinder. Das hat doch kein 14-Jähriger freiwillig und selbstständig verfasst. Schade.
Schade, weil es wieder eine verpasste Chance ist, jemanden persönlich zu berühren. Denn das kann Sprache: Sie kann zu Tränen rühren und zu Empörung aufrütteln, zur Debatte anregen und Wut aufkochen lassen. Sprache kann Emotionen wecken, wenn man sie denn richtig bedient. Und wenn man authentisch ist. Die bildstärkste, wortgewaltigste Metapher bringt einem nichts, wenn sie nicht authentisch ist. Dann lässt man sie lieber weg. Und wenn ein Jugendlicher eine Fürbitte selber schreibt, fühlt er sie auch mehr, als wenn er sie nur aufsagt.
Alles, was mir vom Gottesdienst sonst in Erinnerung geblieben ist, sind die unzähligen Danksagungen aller Teilnehmenden untereinander, die viel Raum eingenommen haben. Jeder hat jedem mehr als einmal gedankt. Verstehen Sie mich nicht falsch; Dankbarkeit ist wichtig, Anerkennung besonders, aber gehört es inflationär in den Gottesdienst? Würden pointierte, echte Botschaften nicht besser gehört werden, wenn sie nicht durch Formalitäten verwässert würden?
Form folgt Funktion
Im Bereich der audiovisuellen Medien gibt es eine Regel: "Form folgt Funktion." Das bedeutet, dass nur diejenigen Informationen Berechtigung haben, die auch eine Funktion erfüllen. Und Kirche? Die kann viel von dieser Regel lernen. Dieser ganze Gottesdient war Form. Funktion gab es nur theoretisch. Denn natürlich wurde den Jugendlichen das Sakrament der Firmung gespendet. Das ist aber auch schon alles. Wiedersehen wird die Kirche in den kommenden Jahren die wenigsten von ihnen und ihre Familien vermutlich auch nicht. Warum? Weil es nicht gelungen ist, die Anwesenden im Innersten zu berühren.
Meine Hoffnung ist eine Kirche, die nicht nur Form ist, sondern Funktion – eine Kirche, die durch Sprache verbindet und berührt. Eine Kirche, die bemüht ist, echte Verbindung zu suchen, und nicht an den Menschen vorbeikommuniziert, sondern mit ihnen und, ja, auch durch sie. Und das beginnt schon im Kleinen: indem man echte Jugendliche echte Fürbitten schreiben lässt.
Und falls Sie in dieser Kolumne meine Kinder vermisst haben: Die lümmelten nach der Hälfte des anderthalbstündigen Events auf dem Boden zwischen den Kirchbänken und ich hätte mich am liebsten dazu gesetzt.