Schwester Anne Kurz über das Sonntagsevangelium

Was ist jetzt wesentlich?

Veröffentlicht am 19.07.2025 um 12:20 Uhr – Lesedauer: 
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Senden ‐ Im Urlaub erleben viele Menschen zunächst Irritation statt Entspannung. Gut so, meint Schwester Anne Kurz. Sie hat in diesen Tagen das Hören auf die eigene Intuition selbst ausprobiert – und findet im heutigen Sonntagsevangelium eine Weggefährtin.

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Was will ich eigentlich? Mitten im Urlaub kann sich diese Frage auftun. Das Gewohnte ist nicht gleichermaßen präsent. Der Abstand schafft Freiraum zum Nachspüren: Möchte oder sollte ich etwas ändern?

Um die eigenen Wünsche kennenzulernen und für sie einzutreten, muss man manchmal eine kleine Odyssee zurücklegen. Das ist einer Frau namens Marta im heutigen Evangelium passiert. Es beginnt gut: Marta nimmt Jesus gastlich in ihr Haus auf. Sie lädt ihn spontan ein, öffnet ihren Raum und möchte Jesus, der von Ort zu Ort zieht, eine angenehme Zeit schenken. Jesus nimmt ihre Einladung an. Doch ein fremder Gast bringt manchmal Turbulenzen in das häusliche System. Es läuft nicht wie gewohnt – und Marta hat einen Lernweg vor sich.

Ihre Schwester Maria, mit der sie normalerweise wohl ein gutes Team bildet, setzt sich Jesus zu Füßen und überlässt die Arbeit Marta. Das irritiert. Marta spürt die Verstimmung. Hier geht etwas Wichtiges ohne sie ab. Nähe ereignet sich um Jesus, von der sie sich ausgeschlossen fühlt. Der Ärger schlägt sich in Gedanken nieder, vielleicht in Selbstgesprächen: "Maria sollte mir helfen. Das ist ungerecht. Wenn Jesus der Messias ist, sollte er aufstehen und für Gerechtigkeit sorgen. …"

Irgendwann kann sie nicht mehr an sich halten. Sie geht direkt zu Jesus und sagt ihm, was sie umtreibt: "Kümmert dich das eigentlich nicht?" Jetzt kommt es zur ersehnten Nähe mit Jesus. "Martha, Martha" wird sie angeredet – die doppelte Namensnennung ist Ausdruck von Zärtlichkeit. Ihr Rabbi Jesus lehrt sie Weisheit: "Maria soll das Gute behalten, das sie gewählt hat. Du kreist ums Kümmern, da steige ich nicht mit ein. Martha, halt mal an, und wähle, was Dir wesentlich ist." Das ist ein Lebensprogramm, das sie zur Schülerin Jesu macht. Es eröffnet in jedem Moment Handlungsspielraum, bringt Hören und Tun zusammen.

Vor kurzem bin ich auf Texte von Ruth C. Cohn gestoßen. Sie beschreibt, wie sie an einem freien Tag auf dem Balkon meditiert. Dabei stellt sie die Frage: "Was ist jetzt wesentlich?" Sie lässt hörenden Raum, um die Bedeutung ihres Hier-und-Jetzt-Seins zu erfassen. Ich habe es in diesen Tagen ausprobiert und immer wieder kurz innegehalten mit der Frage: "Was ist jetzt wesentlich?" Und ich bin überrascht, über die Intuition in mir, die oft lichtvoll zu spüren war.

Cohn schreibt über die Intuition: "Intuition antwortet uns am besten, wo wir uns anstrengen; und doch kommt sie kaum je zu uns, wenn wir nicht Muße haben." – Wenn das nicht zu Maria und Marta passt! Bequem sind das offene Hören und das Wahrnehmen der Intuition nicht immer. So kann es gerade auch im Urlaub zu Irritationen kommen. Doch das kann der Weg zum Leben sein.

Evangelium nach Lukas (Lk 10,38–42)

In jener Zeit kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf.

Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen.

Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!

Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.

Die Autorin

Anne Kurz ist Schwester der Gemeinschaft Verbum Dei. Sie ist Referentin für Liturgie im Bistum Hildesheim, Geistliche Begleiterin und Supervisorin in Ausbildung.

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