Nehmen wir Maria Magdalena so wirklich ernst?

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Kaum eine biblische Figur löst so vielfältige Assoziationen aus wie Maria aus Magdala, genannt Maria Magdalena, deren Festtag die Kirche heute feiert. Vielleicht denken Sie jetzt an explizite Darstellungen als bekehrte Sexarbeiterin in der Kunst? Oder an Maria Magdalenas Auftritt als Intimpartnerin Jesu im Bestseller Sakrileg? Auf deutlich biblischerem Fundament stehen theologische Strömungen seit dem 20. Jahrhundert, welche das Frausein Maria Magdalenas betonen.
All diese Perspektiven legen ihren Fokus auf die Person. Auch bei anderen Aposteln wie Petrus oder Jakobus kann das interessant sein. Nach einem vorangesetzten Absatz oder Kapitel sprechen wir dann aber doch über deren Taten. Maria Magdalena hingegen bleibt noch heute oft schlicht die Frau in der vermeintlichen Männerrunde Jesu – vergleichbar mit Schlumpfine bei Die Schlümpfe.
Viele marginalisierte Menschen machen die Erfahrung, dass ihre biographischen Merkmale als ungleich bedeutsamer gewertet werden als ihre Leistungen. Als Botin (Apostelin) verkündet Maria Magdalena eine Botschaft. Das Johannesevangelium berichtet über sie am Ostermorgen: "Jesus sagte zu ihr: […] Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte." (Joh 20,17f)
Es scheint oft leichter, über ihre weibliche Identität zu sprechen als über ihre Auferstehungsbotschaft. Auferstehung ist unvorstellbar, unverständlich und irgendwie auch unangenehm. Das aber ist kein modernes Phänomen. Bereits Paulus mahnte: "[…] wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? […] Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube." (1 Kor 15,12ff)
Keine Angst vor Inhalten! lautet ein Leitbild der Religionspädagogik. Wir alle wären gut beraten, Maria Magdalenas Botschaft zu hören – auch fragend, ringend und zweifelnd. Der Dogmatiker Karlheinz Ruhstorfer schreibt: "An die leibliche Auferstehung glauben heißt, sich für die Transformation der Welt einzusetzen hier und jetzt, immer wieder die Trümmer wegzuräumen, Stacheldraht zu beseitigen, Menschlichkeit zur Welt zu bringen, Lebensmöglichkeiten zu eröffnen." Unsere Gegenwart schreit nach Maria Magdalenas Botschaft.
Die Autorin
Valerie Judith Mitwali promoviert an der Ruhr-Universität Bochum in systematischer Theologie.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.