Keine Unbedenklichkeitserklärung für Marienerscheinung

Wunderprüfung: Vatikan versieht Marienkult mit Auflagen

Veröffentlicht am 30.07.2025 um 12:17 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Seit einem Jahr prüft der Vatikan mutmaßliche Wunder nach einem neuen Verfahren. Die jüngste Entscheidung fällt kritisch aus: Angebliche Marienerscheinungen in Kalabrien bringen nach Ansicht Roms einige problematische Aspekte mit sich.

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Das Glaubensdikasterium bewertet die angeblichen Marienerscheinungen am Berg Sant'Onofrio (Italien) kritisch. Gemäß den Wunderprüfungsregeln des Vatikans wurde dem Phänomen keine Unbedenklichkeitserklärung ("nihil obstat") ausgestellt, wie Präfekt Víctor Manuel Fernández in einem Brief an den Ortsbischof von Isernia-Venafro und Trivento schreibt, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Stattdessen wird die angebliche Marienerscheinung und der Kult, der sich um sie entwickelt hat, in die Kategorie "prae oculis habeatur" (etwa: "im Auge zu behalten") eingeordnet. Konkret bedeutet dies, dass eine offizielle kirchliche kultische Verehrung in Sant'Onofrio nicht zulässig ist und Botschaften des angeblichen Sehers überprüft werden müssen.

Die Einstufung in die Kategorie "prae oculis habere" bedeutet, dass zwar positive Zeichen anerkannt werden, es aber "auch einige Elemente der Verwirrung oder mögliche Risiken" gibt. Bei den Erscheinungen von Sant'Onofrio sieht das Glaubensdikasterium zwei kritische Punkte: Zum einen seien Anweisungen des Ortsbischofs zum Umgang mit dem Phänomen durch einige Priester nicht befolgt worden. Zum anderen gibt es theologische Bedenken gegenüber den angeblichen Botschaften, die der Seher empfangen haben will.

Fragwürdige Aussagen über Kontakte mit Verstorbenen

Rund um den Berg Sant'Onofrio in Kalabrien soll es seit 2010 Marienerscheinungen geben. Die Gottesmutter soll dem Koch Michelino Marcovecchio den Auftrag gegeben haben, einen Kreuzweg auf dem Berg Sant'Onofrio zu errichten. Marcovecchio soll bis 2024 Botschaften empfangen haben, wie auch seine mittlerweile verstorbene Mutter. In den Botschaften habe Maria zu Gebet und zum Empfang der Sakramente aufgerufen. In seinem Brief würdigt Fernández die Botschaften als "Erinnerung an die grundlegenden Mittel der Heiligung – das Wort Gottes, die Eucharistie und Versöhnung –, die uns Leben und Freude geben und auf das ewige Leben vorbereiten." Mit Blick auf Aussagen über die Seelen Verstorbener gebe es aber Bedenken. "Ich beziehe mich dabei auf die sicherlich ungewöhnliche Tatsache, dass sich einige Seelen Verstorbener dem angeblichen Seher durch das Wirken seines Schutzengels offenbaren sollen", so Fernández. Es müsse sichergestellt werden, dass die Botschaften nicht dazu führen, dass fragwürdige magische Praktiken zur Kontaktierung von Verstorbenen befördert würden.

Die Einstufung des Phänomens verbindet das Dikasterium mit Anweisungen. Insbesondere werden liturgische Feiern und Wallfahrten im Zusammenhang mit den Erscheinungen sowie die Verbreitung der angeblichen Botschaften verboten. Zulässig ist die private Verehrung in persönlichen Besuchen einzeln oder in maximal sehr kleinen Gruppen auf dem Berg. "Das bedeutet, dass die an dem Phänomen Beteiligten eine Haltung der Demut und Offenheit gegenüber der kirchlichen Obrigkeit bewahren, die ihrerseits alles in ihrer Macht Stehende tun muss, um den Fortgang dieser Erfahrung zu bewerten und etwaige verwirrende Aspekte zu korrigieren", so das Schreiben.

Im vergangenen Jahr hat der Vatikan neue Normen für die Bewertung von mutmaßlichen Wundern und Erscheinungen veröffentlicht. Das reformierte Verfahren zur Prüfung möglicher übernatürlicher Ereignisse hat nicht mehr das Ziel, die Übernatürlichkeit eines Ereignisses definitiv festzustellen. Stattdessen ordnet es die geprüften Ereignisse in verschiedene Kategorien ein, die von einem "Nihil obstat", bei dem der pastorale Wert eines Ereignisses gewürdigt wird, bis zu einem "Prohibetur et obstruatur" reichen, bei dem die kritischen Aspekte überwiegen und an der Verehrung des Phänomens nicht festgehalten werden darf. Außerdem besteht weiterhin die Möglichkeit, definitiv festzustellen, dass ein Phänomen sicher keinen übernatürlichen Ursprung hat. Die erste Entscheidung nach den neuen Normen wurde Ende Juni 2024 veröffentlicht. Dabei wurde eine angebliche Marienerscheinungen in der Gemeinde Trevignano nahe Rom als eindeutig nicht übernatürlichen Ursprungs erklärt ("Declaratio de non supernaturalitate"). Seither wurden ein gutes Dutzend Entscheidungen nach den neuen Normen veröffentlicht, zuletzt Anfang Juli zur Marienverehrung auf dem slowakischen Berg Zvir. (fxn)