Abtreibungsprozess in Lippstadt startet

Warum ein Chefarzt eine christliche Klinik verklagt

Veröffentlicht am 08.08.2025 um 00:01 Uhr – Von Raphael Schlimbach (KNA) – Lesedauer: 

Lippstadt ‐ Ein vermeintliches Abtreibungsverbot sorgt für Aufruhr: Im westfälischen Lippstadt streitet ein Chefarzt mit seinem Klinikum über Schwangerschaftsabbrüche. Dabei treffen kirchliche Vorgaben auf weltliches Arbeitsrecht.

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Im westfälischen Lippstadt startet am Freitag ein Prozess des Chefarztes Joachim Volz gegen das dortige christliche Klinikum. Der Mediziner klagt gegen die Einschränkung von Abtreibungen durch seinen Arbeitgeber. Ein Urteil wird schon am ersten Verhandlungstag erwartet. Die Entscheidung betreffe eine reine Rechtsfrage, erklärte das zuständige Arbeitsgericht Hamm auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Kammer plane keine weiteren Termine.

Dem Prozess ist bundesweite Aufmerksamkeit sicher, nachdem Volz unter anderem eine Online-Petition gegen religiöse Vorschriften in Krankenhäusern gestartet hatte, die bislang knapp 230.000 Menschen unterzeichnet haben. Am Verhandlungstag ist zudem eine Solidaritätsdemo für Volz mit rund 1.000 Teilnehmern angekündigt.

Der Weg zur Klage

Nach der Fusion des evangelischen Krankenhauses Lippstadt mit dem katholischen Dreifaltigkeits-Hospital setzte die katholische Seite durch, dass weitgehend auf Abtreibungen verzichtet wird. Volz wirft dem katholischen Träger vor, per Dienstanweisung keine Schwangerschaftsabbrüche mehr zuzulassen, auch nicht aus medizinischen Gründen. Er reichte eine Klage ein, die das Arbeitsgericht nun in Räumen des Amtsgerichts Lippstadt verhandeln will. Dabei geht es auch um eine Ausweitung der Anweisung auf Volz' Nebentätigkeit in seiner privaten Praxis in Bielefeld.

Das Krankenhaus widersprach auf Anfrage den Vorwürfen: Seit dem 1. Februar dürften im Haus Abbrüche vorgenommen werden, wenn Leib und Leben der Mutter in Gefahr seien. Darüber hinaus lasse die Klinik nach wie vor Patientinnen bei einem Abbruch nicht alleine. "In der sensiblen Frage eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs werden wir unsere Patientinnen weiterhin vertrauensvoll, respektvoll und verantwortungsbewusst begleiten." Das Haus verfüge über ein bewährtes Netzwerk und könne die Eingriffe an spezialisierte Kliniken überweisen.

Klinik verteidigt ihren Kurs

Volz beklagt hingegen, er dürfe auch bei schweren Fehlbildungen des Fötus, gesundheitlichen Risiken oder Schwangerschaften nach einer Vergewaltigung nicht eingreifen. "Das ist in meinen Augen schlicht unterlassene Hilfeleistung", so der Chefarzt.

Fötus im Ultraschalluntersuchung
Bild: ©KNA

Die katholische Kirche lehnt Abtreibungen grundsätzlich ab. Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz ist es Aufgabe von Christen, sich für den Schutz jeden Lebens einzusetzen

Zur Frage einer Abtreibung nach einer Vergewaltigung erklärte das Klinikum: Zwar sei ein solcher Eingriff zum "Schutz des ungeborenen Lebens" im Haus nicht mehr möglich. Allerdings hätten diese Abbrüche auch vor der Fusion keine Rolle gespielt, da diese in der Regel vor der 12. Schwangerschaftswoche ambulant erfolgen würden. Generell sei die Zahl der Abtreibungen an der evangelischen Klinik vor der Fusion gering gewesen. Bei etwa 1.700 Geburten im Jahr habe es im Schnitt rund 15 Eingriffe gegeben.

Ähnliche Debatte in Flensburg

Volz nimmt den Prozess auch zum Anlass, um auf vergleichbare Fälle in anderen Kliniken hinzuweisen. Eine ähnliche Diskussion gibt es beispielsweise in Flensburg. Dort planen das katholische Malteser-Krankenhaus und das evangelische Diako-Krankenhaus eine Fusion. In dem neuen Flensburger Zentralklinikum, das 2030 eröffnen soll, sollen auf Wunsch der Malteser ebenfalls keine Abtreibungen mehr durchgeführt werden. "Unsere Aufgabe im Krankenhaus besteht darin, Leben zu retten und zu erhalten", schreibt die katholische Hilfsorganisation. "Wir sind nicht Partner, wenn es um eine Beendigung des Lebens geht." Kürzlich debattierte der schleswig-holsteinische Landtag über das Thema - ohne konkretes Ergebnis.

Die katholische Kirche lehnt Abtreibungen grundsätzlich ab. Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz ist es Aufgabe von Christen, sich für den Schutz jeden Lebens einzusetzen: "In ethischer Perspektive können wir die Abtreibung daher nicht gutheißen und sie auch nicht als eine Normalität menschlichen Lebens akzeptieren." Der aktuell geltende Paragraf 218 des Strafgesetzbuches sei ein wichtiger Kompromiss, der allerdings nicht gänzlich mit den Ansichten der Kirche vereinbar sei.

Abtreibungen sind rechtswidrig

Laut diesem Gesetz sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt.

Von Raphael Schlimbach (KNA)