Warum queere Katholiken aus Deutschland nach Rom pilgern

Zum ersten Mal pilgern queere Katholiken offiziell zum Heiligen Jahr 2025 nach Rom. Mehr als 1.000 Gläubige aus rund 30 Ländern werden an diesem Wochenende im Vatikan erwartet. Die LGBTQ-Wallfahrt wird vom Global Network of Rainbow Catholics und der italienischen Initiative La Tenda di Gionata organisiert. Die englische Abkürzung LGBTQ steht vor allem für nicht-heterosexuelle Menschen, die sich etwa als lesbisch, schwul oder queer identifizieren. Für viele Teilnehmende ist die Wallfahrt ein historisches Ereignis – doch die Einschätzungen gehen auseinander.
In Onlineforen wurde im Vorfeld kontrovers diskutiert, ob nicht-heterosexuelle Katholiken im Herzen der Kirche, die bis heute lehrt, homosexuelle Handlungen seien "in sich nicht in Ordnung" – und Sexualität sei ausschließlich in der Ehe zwischen Mann und Frau erlaubt, wirklich willkommen sind. Irritationen löste zudem aus, dass die Wallfahrt zeitweise aus dem offiziellen Vatikan-Programm entfernt wurde.
Zwei Seelsorger pilgern nach Rom
Während manche queere Katholiken nun aus Protest fernbleiben, haben sich der Münchner Pastoralreferent und Queerseelsorger Gerhard Wachinger sowie der baden-württembergische Priester Armin Noppenberger in dieser Woche auf den Weg nach Rom gemacht. Beide nehmen aus Überzeugung teil – wenn auch mit unterschiedlichen Erwartungen.
Wachinger spricht von einer "Einladung an queere Menschen zum Heiligen Jahr". Mit einer Gruppe aus München und Köln ist er in Rom unterwegs. Für den Theologen ist die LGBTQ-Pilgerfahrt ein deutliches Zeichen der kirchlichen Öffnung. Er spricht von einem "Meilenstein". Noch vor wenigen Jahren hätte er sich nicht träumen lassen, als schwuler Mann mit einer queeren Pilgergruppe im Vatikan willkommen zu sein. Dass im offiziellen Programm lediglich die ausrichtende Gruppe La Tenda di Gionata erwähnt wird, ohne Hinweis auf ihr LGBTQ-Engagement, stört ihn nicht: "Wer sich auskennt, weiß, wofür Tenda di Gionata steht."
Sie wollen keine Pride-Parade im Petersdom, sondern ein Glaubenszeugnis. Darin sind sich beide Pilger einig.
Für Wachinger stehen Gebet und Gemeinschaft im Mittelpunkt des Wochenendes. Besonders freut er sich auf Vigil, Messe und den traditionellen Gang durch die Heilige Pforte am Samstag. "Die Wallfahrt ist keine Demonstration, sondern eine Feier des Glaubens", betont er. "Wir feiern, dass wir uns als queere Menschen nicht verdrängen lassen, sondern unseren Platz in der Kirche behaupten." Befürchtungen, die queere Community könne für PR-Zwecke vereinnahmt werden, weist er zurück: "In Rom hat tatsächlich ein Lernprozess stattgefunden."
Pfarrer Armin Noppenberger aus Baden-Württemberg, klingt zurückhaltender. Er ist bereits seit einigen Tagen in Rom und nimmt als Einzelperson teil. Für ihn bleibt die Wallfahrt ambivalent: "Die Veranstaltung war im Dezember kurz im Vatikan-Kalender sichtbar, verschwand dann aber wieder." Für ihn ein Zeichen von Zögern im Umgang mit queeren Gläubigen. Ob er ohne die LGBTQ-Pilgerfahrt zum Heiligen Jahr gekommen wäre, weiß er nicht. Doch gerade die Verbindung von Glauben und seiner Lebenswirklichkeit habe ihn angesprochen.
Noppenberger: Identität nicht sündhaft
Sein Antrieb ist klar: Solidarität, Sichtbarkeit und gemeinsames Glaubenszeugnis. Eine Botschaft liegt ihm besonders am Herzen: Niemand gehe durch die Heilige Pforte, um "Ablass" für die eigene queere Identität zu erbitten. "Unsere Identität ist nicht sündhaft", betont Noppenberger, der in Deutschland bei der Initiative Out in Church mitwirkt. Er kenne die Gefahr, dass die Kirche rasch in ihre alte "Sünden-Rhetorik" verfalle. Dem setzt er ein anderes Bild entgegen: "Das Tor für queere Menschen ist lehramtlich noch eng. Gemeinsam können wir beim Durchschreiten der Heiligen Pforte im Petersdom zeigen, wo Rahmen reißen und Türen sich öffnen." Für ihn ist die Wallfahrt daher auch ein Zeichen und Gesprächsangebot an die Kirchenleitung.
Trotz ihrer unterschiedlichen Perspektiven sind sich beide Pilger aus Deutschland einig: Sie wollen keine Pride-Parade im Petersdom, sondern ein Glaubenszeugnis. Ihr Anliegen ist es, dabei zu zeigen, dass queere Katholiken keine Gläubigen zweiter Klasse sind. Die Wallfahrt ist für sie weder Schuldbekenntnis noch Protest, sondern Ausdruck selbstbewusster Präsenz und Normalität. Beim nächsten Heiligen Jahr hoffen beide auf noch mehr Vielfalt in der Kirche. "Wenn LGBTQ dann im offiziellen Kalender steht, wäre das ein Zeichen reflektierter Normalität", sagt Noppenberger.