Vater und Sohn: Das gleiche Kreuz, derselbe Glaube
Nils Haberland zeigt das goldene Kreuz, das er an seiner Halskette trägt. Darauf ist der gekreuzigte Jesus zu erkennen. Sein Vater trägt das gleiche Goldkreuz. "Ich habe aber das Original", erklärt Olaf Haberland gleich. Das Schmuckstück hat er von seinem verstorbenen Schwiegervater, der katholisch war, das ist Nils' Opa. Und Nils wollte später auch genau dieses Kreuz haben. Daher hat sein 56-jährige Vater, der als Hausmeister an einem Berufskolleg arbeitet, die Idee, seinem Sohn einen Abguss davon, also eine Kopie von dem Kreuz, bei einem Juwelier anfertigen zu lassen.
Seitdem trägt Nils Haberland dasselbe Kreuz wie er, jeden Tag, und gut sichtbar außen an der Kleidung. "Ich möchte Jesus nicht verleugnen", betont der 19-Jährige, der das duale Studium Wirtschaftsinformatik aufgenommen hat. Das Kreuz hätte ihm sogar beim Bewerbungsgespräch für seine neue Arbeitsstelle Glück gebracht, ist er sicher. "Weil ich das Kreuz offen gezeigt habe". Auch sein Vater möchte das Kreuz nicht mehr unter seinem Shirt verstecken. "Früher habe ich die Kirche in meinem Alltag eher auf die Seite geschoben", gibt er zu. Dieses Kreuz aber habe ihn "ein Stück weit am Glauben" gehalten. "Gott war so immer bei mir", betont der Familienvater, der katholisch ist und in einer konfessionsverbindenden Ehe lebt. Seine Frau und seine zwei jüngeren Söhne sind evangelisch. Sein älterer Sohn Nils ist daher auch evangelisch getauft. Aber vor einem Jahr hat sich der 19-Jährige dazu entschieden, katholisch zu werden.
Damals entwickelte er mehr Interesse am Glauben und wollte einfach einmal "in eine katholische Messe gehen", erzählt er. Und dann wurde seine Familie zu der Erstkommunion eines Schulfreundes seines jüngeren Bruders eingeladen. Seine Mutter kam dann auf die Idee, dass man vorab doch einmal in die Sankt Antonius Kirche in Essen gehen könne, in der die Erstkommunion stattfinden würde. Das war an Ostern. "Meine erste heilige Messe", berichtet der 19-Jährige nicht ohne Stolz. "Der Weihrauch, das Weihwasser und die Ministranten in der Kirche, das hat mich alles beeindruckt", blickt Haberland zurück. Die Predigt des Pfarrers und die wohlwollende Atmosphäre in der Gemeinde taten ihm gut, wie er sagt.
"Fast jeden Sonntag sind wir zusammen im Gottesdienst"
Auch sein Vater Olaf erinnert sich gerne an diesen Gottesdienst zurück. "Ich war davor seit 20 Jahren nicht mehr in der Messe", sagt er offen. Danach hatten Vater und Sohn Haberland beschlossen, öfters und regelmäßig in die Kirche zu gehen. "Fast jeden Sonntag sind wir seitdem in einem Gottesdienst", ergänzen die beiden und zeigen in der Essener Sankt Antonius Kirche ihren Sitzplatz in der Kirchenbank. Von hier aus haben sie einen guten Blick auf den Altar. Nils Haberland erzählt, dass er sich dann "aus Interesse" mehr Informationen zum Glauben im Internet suchte, sich Videos auf YouTube von einem amerikanischen Ordensmann anschaute und eine kostenlose Bibel-App nutzt. "Ich wollte einfach mehr wissen zu den Konzilien, zur Kirchengeschichte und zu den Sakramenten", so der 19-Jährige.
Vor einem Jahr beschließt er dann, offiziell katholisch zu werden. "Auch weil ich unbedingt ministrieren wollte", lacht er. Bei seinem zuständigen Ortspfarrer erkundigt er sich, was er für einen Kirchenübertritt braucht. Weil sich die beiden christlichen Kirchen die Taufe gegenseitig voll anerkennen, muss er sich nicht erneut taufen lassen, aber aus der evangelischen Kirche austreten. An den Tag, als ihn seine Mutter zum Landgericht in Essen bringt, um aus der einen Kirche aus und in die andere Kirche einzutreten, kann sich Nils Haberland noch gut erinnern. "Meine Mama sagte: Christ ist Christ", weiß er noch. Er habe von seinen Eltern viel Freiheit erfahren, diesen Schritt selbst gehen zu können, betont er. Bei einer feierlichen Liturgie, die in der Kapelle der Essener Kirchengemeinde stattfand, wurde Nils Haberland dann offiziell in die katholische Kirche aufgenommen. Er erinnert sich noch daran, als er vor der Gemeinde stand und gemeinsam mit den anderen das Glaubensbekenntnis aufsagte. "Und dann war ich endlich katholisch".
Nils Haberland steht mit seinem Vater Olaf vor der Kapelle der Essener Kirche Sankt Antonius, in der er in die katholische Kirche aufgenommen wurde.
Nils Haberland, der als Jugendlicher bereits in der evangelischen Kirche konfirmiert wurde, erhält bei dieser Feier auch die Erstkommunion und möchte sich danach gerne firmen lassen. "Das gehört für mich dazu", betont der 19-Jährige. Die Vorbereitung auf das Sakrament der Firmung nimmt er gerne an und war beispielsweise bei einer Wallfahrt nach Kevelaer dabei, lernte bei einem Ausflug eine Jesuitengemeinschaft kennen und beteiligte sich an sozialen Aktionen in der Gemeinde. Seine Firmung fand dann im letzten Jahr im November mit Bischof Franz-Josef Overbeck in seiner Essener Heimatgemeinde statt. Sein Patenonkel, der auch gefirmt ist, wurde sein Firmpate.
Wenige Zeit später wird Nils Haberland dann Ministrant in Sankt Antonius und ist der Älteste der Gruppe dort, wie er erzählt. Ein Obermessdiener half ihm, die Abläufe in der Messe besser kennenzulernen. Manches erarbeitete er sich aber selbst. "Da steht ja einiges im Gotteslob", meint der 19-Jährige, der den Buchdienst beim Ministrieren am liebsten mag. "Ich halte die geöffneten Bücher während der Messe für den Priester", erklärt er. Die Gemeinschaft mit den anderen Messdienern und das Beten mit den anderen tue ihm gut. "Auch körperlich", sagt er. Er komme dabei innerlich zur Ruhe. Dass er als Ministrant engagierter in der Kirchengemeinde und aktiver am Gemeindeleben teilnimmt, gefällt seinem Vater. "Er ist nicht mehr so viel vorm Computer", scherzt der.
Sohn Nils ist Firmpate von Vater Olaf
Dennoch, die Begeisterung seines Sohns für die Kirche habe ihn angesteckt, berichtet Olaf Haberland. Und zwar so, dass er im letzten Jahr beschließt, sich auch firmen zu lassen, weil ihm das "gefehlt hat", wie er sagt. Erst wusste er gar nicht, dass er sich auch als Erwachsener firmen lassen könne. Nachdem er sich in seiner Gemeinde und im Bistum Essen darüber informiert hat, wie er sich auf das Sakrament vorbereiten kann, wird er von einem Seelsorger begleitet, mit dem er sich austauscht und sich in seinem Glauben "bestärkt fühlt". Jetzt braucht er nur noch einen Firmpaten und denkt dabei an seinen Sohn Nils. Der kenne sich bei Fragen zur Kirche "besser aus, weil er sich informiert und viel dazu liest", meint sein Vater.
Dieses Jahr an Pfingsten empfing Olaf Haberland im Essener Dom von Weihbischof Ludger Schepers die Firmung. Gerne erinnert sich der 56-Jährige an die Feier mit seiner Familie zurück. Und er ist stolz darauf, dass sein Sohn Nils sein Firmpate ist. "Wir wollen uns gegenseitig im Glauben an der Seite stehen", so Haberland. Manche aus der Gemeinde freuen sich, dass sein Sohn "so schnell" katholisch geworden ist. Einmal habe ihn jemand gefragt, ob der 19-Jährige später vielleicht Priester werden möchte. "Das darf er dann selbst entscheiden", sagt Olaf Haberland. "Ich möchte einfach nur ein guter Christ sein", ergänzt sein Sohn. Wenn die beiden sonntags zusammen in die Kirche gehen, sind ganz selten auch die beiden jüngeren Brüder von Nils Haberland dabei. "Die sind ja weiterhin evangelisch", sagt der. Genauso wie seine Mutter, die seit kurzem im katholischen Kirchenchor der Gemeinde mitsingt. "Wegen uns muss keiner katholisch werden", scherzen Olaf und Nils Haberland. Ihre beiden Kreuze leuchten in der Sonne.
