Geringer Einfluss von Theologie auf Reformdiskurs

Knop: Synodaler Weg von Autorität statt Argument geprägt

Veröffentlicht am 27.10.2025 um 13:38 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Der Synodale Weg ist mit großen Zielen gestartet: Systemische Ursachen für Missbrauch in der Kirche sollten aufgearbeitet werden. Die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop sieht das kaum eingelöst – und sie hat auch eine Erklärung dafür.

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Statt theologischer Argumente hat nach Ansicht der Erfurter Dogmatikerin Julia Knop Macht den Ausschlag für das Stimmverhalten der Bischöfe beim Synodalen Weg gemacht. Intensiv geführte theologische Debatten hätten so kaum kirchliche Konsequenzen erzeugt, schreibt die Theologin in einem Beitrag für die Herder-Korrespondenz (November-Ausgabe). "Theologie prägte das Diskurs- und Stimmverhalten der meisten Bischöfe viel weniger als ihr Selbstverständnis, dem Lehramt der Kirche Gehorsam leisten zu sollen. Bischöfliche Mehrheiten fanden nur solche Texte, die autoritative Vorgaben interpretierten, aber keine grundsätzlichen Anfragen stellten", so Knop, die selbst in der Vollversammlung des Synodalen Wegs, dem Synodalforum "Macht und Gewaltenteilung" und im Synodalen Ausschuss mitgearbeitet hat.

Beispiele dafür seien die Grundtexte zu Macht und Gewaltenteilung sowie zur Sexualmoral. Der erste sei zwar mehrheitlich angenommen werden, aber nur, weil der Text die Systemfrage nicht gestellt habe: "ob das steile kirchliche Selbstverständnis, Zeichen und Werkzeug des Heils und der Gemeinschaft aller Menschen zu sein (LG 1), angesichts des Zusammenbruchs der Glaubwürdigkeit dieser Kirche, ihrer Repräsentanten und Vollzüge überhaupt noch vertretbar ist, ob es durch den Missbrauchskomplex nicht längst überholt und sogar gefährlich ist". Der Text zur Sexualmoral sei mit bischöflicher Sperrminorität abgelehnt worden, obwohl er die "kritische Selbstreflexion des christlichen Glaubens" geleistet habe, den die Bischöfe zuvor als Kernaufgabe der Theologie benannt hatten.

Theologie soll Wahrheitsansprüche hinterfragen

"Das heißt: Autorität statt Argument, Lehramt statt Theologie", fasst die Theologin zusammen. Die These des Münsteraner Dogmatikers Michael Seewald, dass die geringe Wirksamkeit an mangelnder Qualität oder dogmenhistorischem Desinteresse der Synodalversammlung liege, wies Knop zurück: "Viel entscheidender war das weithin geteilte Verständnis von Theologie als bekenntnisgebundener Wissenschaft, die nur innerhalb eines kirchlich gesteckten Rahmens legitim erfolgt." Für systemische Korrekturen sei es zwingend erforderlich, "die dem (Lehr-)System Kirche inhärenten Ambivalenzen wahrzunehmen". Es brauche die Erkenntnis und Anerkenntnis, "dass Machtmissbrauch keine bloße Fehlinterpretation der kirchlichen Lehren von der Kirche, vom Amt, von Frauen und von der Sexualität ist, sondern vulnerantes Implikat dieser Lehre".

Theologie bleibt nach Ansicht Knops so lange "ungefährlich", wie sie den Wahrheitsanspruch der die Kirche legitimierenden Strukturen und Ideen nicht hinterfragen darf: "Systemisch wirksame Faktoren für Machtmissbrauch bleiben unerkannt und unangetastet, solange die Systemfrage nicht gestellt wird." Die Theologie brauche daher zweierlei: "Abstand und Freimut". (fxn)