Römische Rota verwirft Führung von Listen "glaubwürdig Beschuldigter"

Zeitung: Kirchengericht gegen Veröffentlichung von Beschuldigten-Namen

Veröffentlicht am 11.11.2025 um 12:20 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Auch ohne rechtskräftige Verurteilung veröffentlichen viele US-amerikanische Diözesen und Orden Namen von "glaubhaft Beschuldigten". In Rom sah man das schon immer kritisch – das zweithöchste Kirchengericht scheint diese Skepsis zu teilen.

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Das zweithöchste Gericht der Kirche soll die Praxis, Namen von beschuldigten, aber nicht verurteilten Klerikern zu veröffentlichen, verworfen haben. Laut der italienischen Zeitung "La Repubblica" hat die Römische Rota der Berufung eines US-amerikanischen Ordenspriesters stattgegeben, der auf einer Liste von "glaubhaft Beschuldigten" aufgeführt wurde. Der Priester soll geltend gemacht haben, durch die Veröffentlichung verleumdet worden zu sein. Weitere Details zu der Entscheidung sind nicht bekannt.

Die Entscheidung könnte zu einem Präzedenzfall für die vor allem in den USA geübte Praxis werden, Listen von "glaubwürdig beschuldigten" ("credibly accused") Klerikern zu veröffentlichen. Gegen Entscheidungen der Rota können in eng begrenztem Maße Rechtsmittel wegen Verfahrensverstößen bei der Apostolischen Signatur, dem höchsten Gerichtshof der Kirche, eingelegt werden.

Das kirchliche Recht schützt den guten Ruf vor rechtswidrigen Schädigungen (c. 220 CIC). Anfang des Jahres veröffentlichte das Dikasterium für die Gesetzestexte ein Schreiben zu der Problematik der Nennung der Namen von Missbrauchsbeschuldigten. Bei verstorbenen Missbrauchs- und Vertuschungsbeschuldigten sieht das Dikasterium demnach keine Rechtfertigung für eine Veröffentlichung von Namen, wenn sie zu Lebzeiten nicht verurteilt wurden. Die Schädigung des guten Rufs von Beschuldigten durch Namensnennung sei nur dann legitimiert, wenn dadurch Gefahren für Menschen oder die Gemeinschaft abgewendet würden.

Papst Franziskus betonte Unschuldsvermutung

Beim Anti-Missbrauchsgipfel 2019 im Vatikan hatte Papst Franziskus (2013–2025) in seiner Ansprache eine Liste von relevanten Punkten benannt, die ebenfalls auf das Recht auf Verteidigung und die Unschuldsvermutung verwiesen. Die Veröffentlichung von Listen von Beschuldigten, auch durch die Diözesen, müsse vor der endgültigen Verurteilung unterlassen werden, heißt es in der Rede.

In Deutschland wird die Frage, wie transparent mit den Namen von nicht verurteilten Beschuldigten umgegangen werden kann und darf, kontrovers diskutiert. In der Regel werden in Missbrauchsgutachten die meisten Namen anonymisiert, lediglich bei Beschuldigten in herausgehobenen Stellungen wie Bischöfen und Generalvikaren werden Namen genannt. Besonders weit ging 2023 das Bistum Aachen mit einer umfassenden Offenlegung von Namen und beruflichen Biographien von 53 verurteilten und mutmaßlichen Missbrauchstätern. Als Grund für die Veröffentlichung wurden die Wünsche von Betroffenen und das Aufarbeitungsinteresse angeführt. Rechtlich sicherte sich das Bistum durch ein Vorgehen in Anlehnung an die staatliche Rechtssprechung zum Persönlichkeitsrecht Verstorbener ab. Bislang sind keine kirchlichen und staatlichen Klagen gegen das Aachener Vorgehen bekannt. (fxn)