Theologische Kompetenz in der Verkündigung ist kein "nice to have"
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Theologische Kompetenz ist kein "nice to have", sie ist unerlässlich in allen öffentlichen Kundgaben kirchlichen Agierens. Individuelle Frömmigkeit allein reicht hier beileibe nicht aus, denn auch sie kann ohne inhaltliche Versiertheit schnell falsch abbiegen oder im dogmatischen Schlummer naiver Art nicht selten irritationsresistent verharren. Eine Organistin schilderte mir unlängst, sie habe bei Predigten in der Regel die Wahl zwischen "Jesus ist dein Freund"-Plattitüden und "Früher war alles besser"-Gejammer – vielleicht kommt das Vielen bekannt vor.
Einbrechende Zahlen im kirchlichen Verkündigungssektor sind das eine, die bestenfalls langweilig-irrelevante, schlimmstenfalls klerikal-gängelnde Ansammlung von puren Behauptungen oder retardierende Nacherzählungen einer neutestamentlichen Jesusgeschichte (wobei diese womöglich gar nicht hermeneutisch als "story" vorstellig gemacht wird) belegen das andere: Mangel an hinreichend kritischem und belehrtem theologischem "know what" (Bildung), das ohne dies zu keinem "know how" (Ausbildung) werden kann. Hier hilft dann auch der homiletische Grundsatz nicht weiter: "Wo die Argumente schwach sind, erhebe die Stimme!"
Ich erhebe seit Jahren meine Stimme wider das theologische Ausbluten, denn akademische Theologie ist kein angeleiteter Kurs im Kerzenanzünden – sie vermittelt religiöses Orientierungswissen, sie weiß um geschichtliche Herkünfte vordergründig "ewiger Wahrheiten", sie kann der fundamentalistischen Versuchung mit kühlem Sachverstand entgegentreten und die suggestiven Kapermanöver der Neuen Rechte diesseits und jenseits des Atlantiks als zutiefst unchristliche Autoritarismusnarrative entlarven.
Wer sich in der Bibel besser auskennt als die Biblizisten, in der Tradition besser als die Traditionalisten und im Katholischen besser als die Katholizisten, hat auch inhaltlich etwas zu sagen: Sie oder er ist wegen theologischer Kompetenz souverän-katholisch, argumentationsfähig, und deswegen selbstkritisch – kurzum: fromm, weil frei, und in wahrer Loyalität zur Kirche, weil diese ohne Theologie weiter zu verzwergen und zu versekten droht.
Der Autor
Oliver Wintzek ist Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule in Mainz. Zugleich ist er als Kooperator an der Jesuitenkirche in Mannheim tätig.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.
