Rufbereitschaft
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Jedes Mal, wenn ich diese Evangelienstelle lese oder höre, habe ich genial dargestellte Untergangsszenarien des deutschen Hollywoodregisseur und Meisters der Apokalyse Roland Emmerich vor Augen. "Independence Day", "The Day After Tomorrow" und eine Neuauflage der Arche-Noah-Geschichte unter dem Titel "2012" lassen einem die Worte Jesu in Schauern und hochaktuell über den Rücken laufen.
Es sind aber eigentlich die apokalyptischen Geschehnisse der letzten Jahre, die wir live miterleb(t)en, an die wir uns aber irgendwie gewöhn(t)en. Die weltumgreifende Pandemie Corona, verschiedenste brutale Kriege fern und auch nah sowie Umwelt- und Wetterphänomene, die wohl dem Klimawandel und der Erderwärmung geschuldet sind.
Jesus spricht vom Zeichen des Menschensohnes am Himmel, wo er mit Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels erscheinen und die Auserwählten von überall her um sich sammeln wird. Die wenigsten werden sich darauf mit der richtigen inneren Einstellung, nämlich der Wachsamkeit, einstellen, so sagen es die weiteren Worte des Evangeliums. Die Wachsamen, die Achtsamen aber haben sich angewöhnt, in einer Art Rufbereitschaft zu leben und dabei nicht nachlässig zu sein.
Einfach ist das aber wirklich nicht, denn wir können nicht permanent 24 Stunden, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr auf Hab-acht sein. Ein wenig lebe ich diese Bereitschaft seit über acht Jahren als Klinikpfarrer eines großen bayerischen Klinikums. Ich habe Tag und Nacht Bereitschaft, erleb(t)e dabei zu jeder Tages- und Nachtzeit, dass mein Telefon klingelt und mich zu Einsätzen ruft. Totgeborene Babys in der Nacht, Sterbende auf allen Stationen, Schwerverunglückte in der Notaufnahme, Irrungen und Wirrungen von Patienten in der Psychiatrie. Diese und noch viele andere Notlagen von Menschen wünschen immer noch und immer wieder jemanden, der zur Seite steht, tröstet, betet … da ist und mit aushält.
Gottlob habe ich auch freie Tage, wo ich einfach von all dieser Not für kurze Zeit befreit bin, um neue Kräfte zu sammeln für die nächste Wachsamkeitsübung. Im Laufe der Jahre hat sich eine anfänglich – es dauerte ca. 2 Jahre – innere Unruhe aufgrund der Dauerbereitschaft in ein mehr oder weniger gelassenes "Standby" entwickelt. Ein Indianerschlaf, wo ich Flöhe husten höre, ist mittlerweile aber mein nächtlicher Begleiter. Ich kann hier Wachsamkeit und Achtsamkeit einüben und wenn ich keine Angst vor der Ankunft des Menschensohn habe, dann kann ich auch gelassen darauf warten und meine Lebenszeit dafür aufwenden, es ihm ähnlich zu tun: Den Notleidenden an der Seite stehen, zu trösten, zu beten und einfach da zu sein.
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus (Mt 24, 37–44)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wie es in den Tagen des Noach war, so wird die Ankunft des Menschensohnes sein. Wie die Menschen in jenen Tagen vor der Flut aßen und tranken, heirateten und sich heiraten ließen, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird auch die Ankunft des Menschensohnes sein.
Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die an derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen. Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.
Bedenkt dies: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.
Der Autor
Der Franziskanerpater Christoph Kreitmeir arbeitet in der Klinikseelsorge am Klinikum Ingolstadt, in der Erwachsenenbildung und bei Lebenshilfesendungen im Radio Horeb.
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