Mitmenschlichkeit, Offenheit, Solidarität

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, ermunterte dazu, sich angesichts der Krisen weltweit auf die identitätsstiftende Kraft des Weihnachtsfestes zu besinnen. Im Münchner Liebfrauendom betonte er zugleich, dass Weihnachten mehr bedeute als eine "liebgewordene Tradition oder sentimentale Folklore". Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte, das Weihnachtsfest sei die größte Quelle der Empathie, die die Welt habe.
Im Kölner Dom rief Kardinal Rainer Maria Woelki zu Friedfertigkeit auf. Er erinnerte zudem daran, dass sich Menschen nicht nur wegen Unterdrückung auf den Weg nach Europa machten. "Es werden immer mehr Menschen vor der Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen fliehen, wenn sich unser Lebensstil nicht ändert."
Gegen Sprachverrohrung und Angst
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck kritisierte die Abschottung in einigen europäischen Ländern gegen Flüchtlinge. Der Essener Bischof wandte sich zudem gegen eine Sprachverrohung in der Flüchtlingsdebatte. Die Weihnachtsgottesdienste fanden auch an ungewöhnlicheren Orten statt: Bedford-Strohm feierte am Heiligen Abend einen Gottesdienst in der Schalterhalle des Münchner Hauptbahnhofs - und erinnerte daran, wie dieser Ort im Spätsommer zu einem Symbol deutscher Willkommenskultur geworden sei, als Einheimische Flüchtlinge versorgt hatten.
Linktipp: Die Weihnachtspredigten 2015
Es ging über die Menschwerdung Gottes und über Menschenrechte, über Gewaltlosigkeit einerseits und IS-Terroristen andererseits. Katholisch.de dokumentiert alle Predigten, die online verfügbar sind, im Wortlaut in dieser Liste.Auf der einen Seite stünden Freude und Dankbarkeit, dass es gelungen sei, eine Million Flüchtlinge aufzunehmen, sagte der Landesbischof. Andererseits gebe es aber auch Zweifel, ob die Integration und die Aufnahme weiterer Flüchtlinge die Kräfte nicht übersteigen könnten.
Angesichts des Schicksals von 60 Millionen Flüchtlingen weltweit betonte Kardinal Karl Lehmann im Mainzer Dom, dass Weihnachten zu einer Umkehr herausfordere. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann rief in der von der ARD übertragenen Christmette in Püttlingen (Saarland) zu einem angstfreien und offenen Umgang mit Flüchtlingen auf.
Hamburgs Erzbischof Stefan Heße betonte, wie wichtig menschliche Wärme gegenüber denen sei, deren Leben aus Dunkelheit und Kälte bestehe. In Dresden erinnerte der evangelische Landesbischof Carsten Rentzing mit Blick auf Pegida daran, dass das Jesuskind sein Leben der Aufnahmebereitschaft Fremder verdanke - so wie viele Flüchtlinge heute. "Es ist dieser Geist der Nächstenliebe, der das prägte, was man das christliche Abendland nennt."
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch erklärte: "Heimat wächst, wenn wir sie einander schenken, und sie zerfällt, wenn wir die Türen schließen." Insofern seien die Migranten und Asylbewerber, die nach Deutschland kämen, Helfer beim Aufbau einer gemeinsamen Heimat. "Ohne sie wären wir ärmer, würden wir heimatloser." Der Trierer Bischof Stephan Ackermann rief zu einem angstfreien und offenen Umgang mit Flüchtlingen auf. "Wer sich in Gott beheimatet weiß, der kann anderen mit einer ungeahnten Freiheit und Großzügigkeit begegnen."
Am Heiligabend war der Passauer Bischof Stefan Oster zunächst im Fernsehen. In seiner Weihnachtspredigt dankte er den Flüchtlingshelfern. Er rief sie auf, zu Weihnachten auch von Jesus zu erzählen.
Der Passauer Bischof Stefan Oster dankte den Flüchtlingshelfern. Er rief sie auf, zu Weihnachten auch von Jesus zu erzählen. Oster lud die Christen ein, sich Jesus wieder voller Freude neu ans Herz legen zu lassen. "Er will jeden Menschen verwandeln, in einen Menschen, der glaubt, hofft und liebt." Vor allem aber wolle er der Welt den Frieden schenken - "auch durch unser Zeugnis für ihn. Dafür ist er gekommen."
Angesichts einer "heillosen Zeit" gehe es darum, "solidarisch einander zu Hilfe zu kommen und füreinander einzustehen", sagte der Magdeburger Bischof Gerhard Feige. Er warnte vor fremdenfeindlichen und rassistischen Tendenzen, "die man im Europa des 21. Jahrhunderts so nicht mehr erwartet hätte". Wer aber sich das Schicksal anderer zu Herzen nehme und mutig darauf reagiere, gebe "etwas von dem weiter, was Gott an Weihnachten in diese Welt hinein gesetzt hat".
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr fragte: "Kann nicht gerade der Blick auf die Krippe von Bethlehem uns helfen, in den geflüchteten Menschen unsere Mitmenschen zu sehen?" Heute sei die Krippe im Grunde eine behelfsmäßige Erstaufnahmeeinrichtung. Gerade Christen sollten in den Flüchtlingen Mitmenschen sehen, denen ihre Nächstenliebe gelte.
Weihnachten als Antwort auf religiösen Fundamentalismus
Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt rief dazu auf, den "Menschen, die Herberge bei uns suchen", Obdach zu geben. Mit der Geburt seines Sohnes habe Gott "uns eine Botschaft hinterlassen und zugleich einen Auftrag gegeben, der für alle Zeiten gilt." Gott selbst suche "Heimat und Aufnahme bei uns - auch in den Menschen, die in diesem Jahr zu uns gekommen sind".
Die Weihnachtsbotschaft gibt nach den Worten des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke eine Antwort auf die besorgniserregende weltweite Zunahme von religiösem Fundamentalismus. Der Weg zur Krippe schenke Freiheit vom Begehren nach Macht, Gewalt, Ansehen und Einfluss. Die Armseligkeit der Geburt Christi und sein Kleinsein stünden für Liebe, die nicht zwingen könne, sondern um das freie Ja des Menschen werbe.
Dossier zu Weihnachten: Gott wird Mensch
"Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude": So beginnt der Bericht des Evangelisten Lukas über die Geburt Jesu, die Christen alljährlich am 25. Dezember feiern. Das Dossier informiert über die Bedeutung von Weihnachten, bekannte Bräuche sowie spannende Hintergründe rund um das Fest.Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst rief Christen zum weltweiten Engagement für Frieden und Versöhnung auf. Gottes Friedensprogramm zeige sich in der Geburt Jesu in der Schutzlosigkeit des Stalls von Bethlehem. Christus bringe den umfassenden Frieden, betonte der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann. Deshalb seien die Christen aufgerufen, mit dem Friedensstiften ernstzumachen.
Für eine menschliche und freie Gesellschaft warb der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann. "Kein Terror der Welt darf die Macht haben, auch uns zu Hassenden und Hetzenden zu machen." Die Terroranschläge, insbesondere die in Paris, hätten die Verwundbarkeit der freiheitlichen Gesellschaft dramatisch aufgezeigt. Nun dürfe aber nicht die Angst das Handeln bestimmen; die Spirale von Hass und Gewalt müsse durchbrochen werden.
Das Heranwachsen von Kindern in Liebe und in Frieden ist nach den Worten des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick der beste Schutz gegen Radikalisierung durch rechte oder linke Gewaltpropaganda. Wenn die Familie von Liebe und Frieden geprägt sei, habe das Auswirkungen auf die ganze Welt. Zugleich rief Schick die Familien auf, Weihnachten als Fest des Friedens und der Liebe zu begehen.
Kritik an niedrigen Geburtenzahlen
Der Apostolische Administrator des Bistums Limburg, Weihbischof Manfred Grothe, mahnte eine kinderfreundlichere Gesellschaft an. "Die Geburtenzahl bleibt seit Jahren in unserer Gesellschaft konstant niedrig. Das Kind wird oft als ein Problem angesehen, das man vermeiden muss", kritisierte Grothe. "Wir müssten das Leben wieder als ein Geschenk begreifen, das wir für andere leben und einsetzen."
Zu Hilfen für Arme, Kranke und Flüchtlinge rief der Freiburger Erzbischof Stephan Burger auf. Die christliche Weihnachtsbotschaft bestehe auch darin, hinter die Fassaden zu sehen und für die Schattenseiten des Lebens sensibel zu werden. "Welches Licht mag der sehen, der keine Chance auf eine Wohnung oder auf einen Arbeitsplatz hat, der sozial ausgegrenzt ist?"
"Es sind immer Menschen, konkrete Menschen und Gesichter mit persönlichen Schicksalsschlägen und persönlichen Zusammenbrüchen," Erzbischof Hans-Josef Becker über die Flüchtlinge, die in Medienberichten gezeigt werden.
Münsters Bischof Felix Genn sagte, man könne nicht die Krippe anschauen, ohne sich vom Schicksal der Flüchtlinge, der Asylsuchenden und der Heimatlosen beunruhigen zu lassen. Jesus sei "in große Armut hineingeboren, um so an der Armut dieser Welt teilzunehmen".
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef-Becker verwies auf die Medien, die über hohe Zahlen von Kriegsopfern, Hungernden und Flüchtlingen berichten. "Aber es sind immer Menschen, konkrete Menschen und Gesichter mit persönlichen Schicksalsschlägen und persönlichen Zusammenbrüchen."
Der Aachener Diözesanadministrator, Weihbischof Karl Borsch, rief die Christen zu einem mutigen Bekenntnis auf. "Christen dürfen sich nicht abriegeln, dürfen sich nicht einschließen und absichern vor der Welt."
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode rief dazu auf, auch in Zeiten von Gewalt, Terror und weltweiter Krisen auf die christliche Botschaft zu vertrauen. Sie stehe für Wertschätzung, Respekt, Toleranz, Fürsorge, Hilfsbereitschaft und vor allem Barmherzigkeit. Das Kind in der Krippe stelle den Maßstab für das menschliche Zusammenleben auf. Es rede denen ins Gewissen, die über das Schicksal anderer verfügten.
Frieden, Menschenrechte, Heimat und Angenommen-Sein
In Augsburg verglich Bischof Konrad Zdarsa die Sprachfähigkeit von Flüchtlingen und Christen. So wie das Erlernen der deutschen Sprache das wichtigste Mittel für eine gelingende Integration sei, müssten auch Christen fähig sein, Auskunft über ihren Glauben zu geben. Ein solches Lebenszeugnis sei die Voraussetzung, um selber als Christ bestehen zu können.
Zum Einsatz für die Achtung der Menschenwürde am Beginn und am Ende des menschlichen Lebens und für Flüchtlinge rief der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen auf. "Dann kommen wir dem, was Gott allen Menschen zu Weihnachten schenken will, ein gutes Stück näher."
Der Diözesanadministrator des Bistums Dresden-Meißen, Andreas Kutschke, erklärte, die Weihnachtsbotschaft könne den Blick dafür schärfen, was jeder Mensch brauche, um froh zu werden: Frieden, Menschenrechte, Heimat und Angenommen-Sein.
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer erzählte eine Weihnachtsgeschichte, die sich vor 70 Jahren zugetragen habe. Eine aus russischer Kriegsgefangenschaft 1945 freigelassene Frau hatte sich bis ins damals amerikanisch besetzte Regensburg durchgeschlagen. Dort habe ihr ein Fremder Lebensmittelmarken geschenkt und sie zur Christmette mitgenommen. Der Abend sei Balsam für ihre geschundene Seele gewesen.
Auch einige christliche Flüchtlinge aus Syrien besuchten den Gottesdienst. Voderholzer rief ihnen zu, auch heute fänden Menschen, denen Krieg und Terror die Heimat geraubt hätten, "bei uns offene Türen und offene Herzen". (KNA)
25. Dezember, 16:35 Uhr: ergänzt um 20 weitere Bischöfe