Eine maronitische Gemeinde verändert sich durch den Flüchtlingszuzug

Wie das Deutschlandflair verbindet

Veröffentlicht am 30.09.2016 um 13:45 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Frankfurt ‐ Wo die Muttersprache gesprochen wird, fühlt man sich schnell zuhause. Deshalb kommen immer mehr christliche Flüchtlinge aus dem Nahen Osten zur Maroniten Mission nach Frankfurt. Ein Besuch.

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Nehme Moussa zuckt mit den Schultern. Nein, der Einsatz für Flüchtlinge in seiner Gemeinde, die maronitische Gemeinde in Frankfurt, strenge ihn nicht an. Im Gegenteil: "Es macht einfach Spaß." Dabei ist der hauptberufliche IT-Berater viel im Einsatz: Er hilft Flüchtlingen bei bürokratischen Angelegenheiten, begleitet sie zum Beispiel bei Arztbesuchen oder organisiert Begegnungstreffen.

"Sie freuen sich, dass jemand Arabisch spricht"

Meist melden sich geflüchtete Christen, die Unterstützung benötigten, aber längst nicht nur Maroniten: "Es kommen auch Orthodoxe und Assyrer aus dem Irak, Ägypten oder dem Libanon, die sich einfach freuen, dass jemand Arabisch spricht." Weil die Gemeinde durch den Flüchtlingszuzug internationaler wurde, denkt sie nun darüber nach, ihren Namen in "arabischsprachige Gemeinde" umzuändern und ihre pastoralen Angebote auszuweiten.

Drei Menschen im Gespräch
Bild: ©katholisch.de

Nehme Moussa (v.l.) und Dolly Saliba von der Maronitischen Gemeinde Frankfurt sowie Brigitta Sassin, Referentin für muttersprachliche Gemeinden und christlich-islamischen Dialog der Stadtkirche Frankfurt.

Dabei kommt es der Gemeinde der Maroniten Mission Deutschland auf die innerkirchliche Vernetzung an. Die Maroniten gehören zur katholischen Kirche. Als sogenannte unierte Ostkirche haben sie aber ein anderes Kirchenrecht und ihre eigene aramäisch-antiochenische Liturgie. In Deutschland haben sie keine eigenen Pfarreien und besitzen keine Kirchen. In Frankfurt hält einmal im Monat Pfarrer Gaby Geagea in der katholischen Kirche St. Wendel eine Messe nach maronitischem Ritus. Mit der katholischen Gemeinde teilen die Maroniten aber nicht nur das Gotteshaus, sondern organisieren gemeinsame Feste und Veranstaltungen - und sind nun bei der Versorgung und Integration von Flüchtlingen besonders gefragt.

"Die Arbeit der fremdsprachlichen Gemeinden hier in Frankfurt ist sehr wichtig", betont Brigitta Sassin. Sie ist Referentin für muttersprachliche Gemeinden und christlich-islamischen Dialog der Stadtkirche Frankfurt. "Wir unterstützen alles, was die Maroniten für die Flüchtlinge machen, denn sie bieten den Geflüchteten ein sprachliches Zuhause." Sie schaue dann, wie und wo sie diese Arbeit finanziell oder anderweitig unterstützen könne. Für die Gemeinden sei die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe eine spezielle Herausforderung. "Die Flüchtlinge bringen ihre Wunden aus dem Krieg mit." Dadurch komme es vor, dass die alten Wunden ihrer hier oft schon Jahrzehnte lebenden Landsleute wieder aufrissen.

"Ja, zum Beispiel, wenn einige davon erzählen, wie oft sie Stromausfall hatten", fällt es Nehme Moussa sofort ein. "Oder wie schlimm Passkontrollen sind, dass man dann oft nicht weiß, wie lange es dauert, ob man weiterkommt oder seine Papiere nie zurückerhält. Ich hatte schon ganz vergessen, wie normal das im Libanon war", erzählt er.

Im Libanon werden die Kinder zur Schule gefahren

Er selbst kam 1997 nach Deutschland, um zu studieren - und blieb. Er gründete eine Familie und machte sich selbstständig, allen Anfangsschwierigkeiten zum Trotz. "In der ersten Zeit habe ich mir so gewünscht, dass ich jemanden treffe, der Arabisch sprechen kann!" Nun hilft er gemeinsam mit anderen den Flüchtlingen, sich in Deutschland zurechtzufinden. "Da gib es oft kleine Probleme, von denen wir eigentlich nie dachten, dass sie mal Thema werden"; so Moussa. Zum Beispiel wurde er vor kurzem gefragt, was eine Schultüte ist und was da hineinkommt. Oder wie die Kinder zur Schule kommen sollen ohne Auto: "Hier laufen die Kinder selbst, im Libanon würden sie gefahren."

Der Erzbischof von Hamburg, Stefan Heße.
Bild: ©KNA

Über alles werde gesprochen – nur nicht über Politik: Zu konfliktträchtig. Da versucht Moussa dann abzublocken. "Denn hier hat jeder dazu seine ganz eigene Ansicht", meint er. Wer schuld sei am Krieg in Syrien zum Beispiel. "Der eine sagt: Nur mit Bashar al-Assad gibt es eine Chance, dass wir Christen wieder in Syrien leben können. Der andere sagt: Nur wegen Assad ist das alles passiert." Moussa probiere in solchen Fällen, das Thema zu wechseln. "Ich sage dann: Lasst das da unten da unten sein und konzentriert euch auf die Politik hier in Deutschland. Ihr werdet sowieso noch einige Jahre hier sein, also müsst ihr euch auch hier auskennen."

Was ihn daher schon etwas wundere, sei, dass die Verständigung in der maronitischen Gemeinde trotz der vielen Unterschiede unter den Christen dennoch funktioniere. "Hier gibt es jetzt Kopten, Orthodoxe, Assyrer - und sie verstehen sich gut. Im Nahen Osten ist das nicht selbstverständlich." Seine Erklärung: "Das Deutschlandflair hat alles positiv beeinflusst."

Heße: Sorge um Flüchtlinge gehört zum Glauben

Vielleicht ist es das, was der Hamburger Erzbischof Stefan Heße meinte, als er sagte, dass die Gesellschaft ohne die Ehrenamtlichen ganz anders aussehe. "Wir dürfen dieses Engagement nicht klein- und nicht kaputtreden." Der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen sprach zur Eröffnung des zweiten Katholischen Flüchtlingsgipfels am Donnerstag in Frankfurt. Dabei gehöre die Sorge um Flüchtlinge und Migranten zum Selbstverständnis des Glaubens und der Kirche: "Das können wir uns nicht aussuchen, das ist der Auftrag Jesu, für die Armen und die Menschen auf der Flucht da zu sein." Auf dem Gipfel diskutierten rund 140 Teilnehmer aus Praxis und Wissenschaft, die in der Flüchtlingshilfe engagiert sind, hauptsächlich Fragen der Flüchtlingsintegration und des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Von Johanna Heckeley

Kirche verteidigt ihren Flüchtlingskurs

Beim zweiten Katholischen Flüchtlingsgipfel hat Erzbischof Stefan Heße davor gewarnt, Stimmungen nachzugeben. Das widerspreche einem grundlegenden Prinzip des Christentums.