Schwester Charis Doepgen über das Sonntagsevangelium

Die letzte Lektion am See Tiberias

Veröffentlicht am 04.05.2019 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
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Bonn ‐ Viele Gläubige fragen sich, wie Kirche-Sein heute gelingen kann. Schwester Charis Doepgen findet im heutigen Sonntagsevangeliums eine Antwort – gemeinsam mit dem ansonsten eher wankelmutigen Petrus, der einen beherzten Sprung ins kalte Wasser wagt.

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Impuls von Schwester Charis Doepgen

Die Kunstgeschichte wäre an wunderbaren Meisterwerken ärmer, gäbe es nicht die Ostererzählungen des Johannesevangeliums. Lukas kommt mit den Emmausjüngern gleich auf Platz zwei, aber Johannes führt die Bestsellerliste mit seinen Themen an: Da ist der Wettlauf von Petrus und Johannes zum leeren Grab, Maria von Magdala findet beim Klang ihres Namens im Garten das Paradies wieder, Thomas bekommt eine Nachhilfestunde, die uns Nachgeborenen immer noch Einsichten vermittelt. Und nun heute gleich im Doppelpack das Frühmahl am See mit reichlich Fisch und die Liebeserklärung eines wankelmütigen Freundes. Unsere Osterbilder verdanken wir fast alle dem vierten Evangelisten. Er hatte den besonderen Blick für die sichtbare Seite einer geheimnisvollen Wirklichkeit. Heute wird das ausdrücklich erwähnt.

Da sind sieben Jünger miteinander bei ihrem Alltagsgeschäft. Sie fischen. Petrus hatte das Stichwort dazu gegeben. Lakonisch klingt das Wir-kommen-auch-mit der anderen. Da wundert es eigentlich nicht, dass dieser Initiative kein Erfolg beschieden ist. Diese durch den Tod ihres Meisters desillusionierten Männer brauchen einen Impuls von außen. Jesus, zu diesem Zeitpunkt noch unerkannt, gibt einen Tipp, der ihnen im zweiten Versuch die Netze füllt. Den Durchblick in dieser Situation hat nur einer von den Sieben: "der Jünger, den Jesus liebte". In ihm sehen viele den vierten Evangelisten, Johannes. Wichtig ist eigentlich in dieser Szene nur, dass wenigsten einer aus der Gruppe das Vordergründige aus einem gläubigen Hintergrund deuten kann. Und das ist nicht der viel aktivere Petrus, aber dieser kann die Erkenntnis eines anderen für das eigene Handeln nutzen - und springt sogar ins kalte Wasser. So funktioniert geschwisterliche Kirche!

Über dem gemeinsamen Frühmahl am See liegt eine zauberhafte Atmosphäre. Nun wissen alle, denen Jesus das Brot bricht, dass der Herr bei ihnen ist - ohne dass dieses Wissen zerredet werden muss. Nach dem Mahl beginnt ein spezieller Dialog mit Petrus. Jesus fragt seinen Jünger dreimal, ob er ihn liebt. Die Frage Jesu ist berührend, weil sie so menschlich ist. Wie schon früher, als Jesus zuerst wissen möchte, für wen ihn die Leute halten, und dann die Jünger sehr direkt fragte: "Für wen haltet ihr mich?" (Mk 8,29) Wir lernen Jesus hier von einer Seite kennen, mit der wir eigene Erfahrungen haben. Anerkannt zu werden und geliebt, sind zutiefst menschliche Bedürfnisse. Natürlich hat diese dreimalige Befragung des Petrus auf dem Hintergrund seiner dreimaligen Verleugnung auch noch die Dimension einer Wiedergutmachung. Und sicherlich möchte der Evanglist auch unterstreichen, dass dem Petrus eine besondere Verantwortung für die Sache Jesu zukommt. Dieser Auferstandene steht aber vor jedem und jeder von uns mit seiner Frage: "Liebst du mich?" Welche Antwort kann ich ihm heute geben?

Von Sr. Charis Doepgen OSB

Evangelium nach Johannes (Joh 21,1–19)

In jener Zeit offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal, am See von Tiberias, und er offenbarte sich in folgender Weise.

Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus, Natanaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen. Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts.

Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.

Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es.

Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See.

Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot – sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen – und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her.

Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot liegen. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt! Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht.

Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu befragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch.

Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.

Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Lämmer!

Zum zweiten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!

Zum dritten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum dritten Mal gefragt hatte: Liebst du mich? Er gab ihm zur Antwort: Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!

Amen, amen, ich sage dir: Als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet und gingst, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.

Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen werde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach!

Die Autorin

Schwester Charis Doepgen OSB ist Benediktinerin in der Abtei St. Erentraud in Kellenried bei Ravensburg.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreiben Ordensleute und Priester für uns.