Rückgang um bis zu 20 Prozent

Studie: Weniger Abtreibungen durch Papstbesuche

Veröffentlicht am 08.01.2020 um 14:00 Uhr – Lesedauer: 

Belfast/Brighton ‐ Ein Papstbesuch sorgt für viel Medienecho – doch hat er auch praktische Auswirkungen? Zwei britische Ökonomen haben das untersucht und sind auf einen überraschenden Zusammenhang gestoßen.

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Nach Papstbesuchen sinkt die Zahl der Abtreibungen. Das haben zwei britische Ökonomen durch eine statistische Analyse italienischer Bevölkerungsentwicklungsdaten herausgefunden und in einem Artikel im "Journal of Population Economics" veröffentlicht.

Untersucht wurden insgesamt 129 Papstbesuche in Italien zwischen 1979 und 2012. In diesem Zeitraum gab es in den besuchten Provinzen jeweils einen Rückgang der Abtreibungszahlen um zehn bis zwanzig Prozent. Der Effekt ließ sich im Zeitraum von drei bis 14 Monaten nach den jeweiligen Besuchen nachweisen. Die Anzahl der Geburten ging im gleichen Zeitraum nicht zurück. Daraus schließen die Forscher, dass sich der Rückgang am besten durch einen Abnahme ungeplanter Schwangerschaften erklären ließe. Ob der Grund dafür Abstinenz oder eine – nach katholischer Lehre nicht zulässige – stärkere Verwendung künstlicher Verhütungsmittel sei, konnten die Forscher nicht herausfinden. Die verwendeten Daten des italienischen nationalen Instituts für Statistik geben keine Auskunft über das Sexualverhalten. "Der Gebrauch von Verhütungsmitteln steht zwar auch der katholischen Lehre entgegen, aber eventuell wird er von Frauen als geringeres Übel im Vergleich zu Abtreibungen gesehen", vermutet einer der Autoren der Studie, der Belfaster Ökonom Egidio Farina.

Papstbesuche schärfen die Lehre der Kirche ein

Besonders deutlich komme der Effekt zum Tragen, wenn der Papst das Thema Abtreibung explizit anspreche. In diesen Fällen sank die Zahl der Abtreibungen doppelt so stark. Auch die Zahl der Reden korreliere mit den Abtreibungszahlen: Je mehr Ansprachen der Papst während eines Besuchs halte, desto stärker sei der Effekt nachzuweisen. "Wir zeigen, dass Papstbesuche die katholische Lehre besonders deutlich machen", heißt es in der Studie. Zwar sei gerade im katholischen Italien die Position der Kirche bekannt, "ein Papstbesuch kann aber das mit Abtreibung verbundene moralische Stigma verstärken und so die wahrgenommenen Kosten einer Abtreibung erhöhen".

Dazu trage besonders die umfangreiche Berichterstattung in Lokalmedien bei. Neben einer Abnahme der Abtreibungszahlen lässt sich auch eine gesteigerte Kirchgangshäufigkeit zeigen – dieser Anstieg sei aber weitaus geringer als die Abnahme von Abtreibungen. "Unsere Forschung zeigt den sehr deutlichen Einfluss, den religiöse Werte auf das intimste sozioökonomische Verhalten von Menschen haben können", erläutert Farina. Die Kirche könne daraus lernen, dass auch "nicht-informative" Kommunikation einen Einfluss auf das Verhalten des Einzelnen habe, sagte der Wissenschaftler gegenüber katholisch.de. Dass die Kirche klar für Lebensschutz steht, hat also auch dann einen Einfluss auf das Verhalten, wenn es nicht explizit thematisiert wird.

"Bis vor kurzem haben Ökonomen die Rolle von kulturellen Faktoren für die Entscheidungsfindung eher ignoriert. Dabei spielt Kultur eine große Rolle, wie wir im Alltag sehen", erläutert Farina sein ungewöhnliches Forschungsfeld. Der italienische Kontext habe eine besonders gute Forschungsmöglichkeit geboten, da sowohl umfanreiche Daten über Papstbesuche wie zu Abtreibungen vorliegen. (fxn)

8. 1. 2020, 15.40 Uhr: Ergänzt um Statements von Egidio Farina