"Viel schlimmer", als wenn die Mafia ihn gejagt hätte

Kardinal Pell: Kirchenvertreter haben versucht, mich zu zerstören

Veröffentlicht am 16.12.2020 um 13:16 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ So deutlich hat sich Kardinal George Pell wohl noch nie geäußert: In einem Interview behauptet er, er sei wegen Kindesmissbrauchs deshalb angeklagt worden, weil er Finanzreformen im Vatikan vorgenommen habe – und wittert eine Verschwörung.

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In einem Interview hat Kardinal George Pell behauptet, dass sich hohe Kirchenvertreter im Vatikan gegen ihn verschworen hätten, um ihn zu "zerstören". Grund dafür sei seine Arbeit an den Finanzreformen des Vatikan, sagte Pell in einem Interview, das der italienische Fernsehsender RAI am Montag ausgestrahlt hat. "Alle wichtigen Personen, die bei der Finanzreform zusammengearbeitet haben, jeder von uns, glaube ich, mit sehr wenigen Ausnahmen, wurde in den Medien angegriffen und unser Ruf wurde auf die eine oder andere Weise beschmutzt", so der australische Kardinal.

Laut Pell gebe es einige Hinweise aber keine Beweise für einen Zusammenhang zwischen seinen Reformen und der Anklage wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn. "In Australien hat jeder, mit dem ich zusammenarbeite, keine Zweifel daran, dass der Zusammenhang offensichtlich ist", so Pell. "Wir haben noch keine Beweise, aber sicherlich eine Menge Nebel", sagte der Kirchenmann weiter. "Wir haben Kriminelle, von denen man gehört hat, dass sie sagen: 'Pell ist aus dem Spiel. Jetzt haben wir einen Highway vor uns.'"

Pell hofft, "dass es keine Beweise dafür gibt"

Er hoffe, dass es nie genug Beweise geben wird, dass das Geld des Vatikan, wenn nicht zur direkten Korruption, so zumindest zur Vergiftung der öffentlichen Atmosphäre gegen ihn verwendet worden sei. "Ich hoffe, dass es keine Beweise dafür gibt, zum Wohle der Kirche." Während des Prozesses gegen Pell waren mehrere hunderttausend Euro vom Vatikan nach Australien geflossen.

Ein hochrangiger Mitarbeiter an der Finanzreform des Vatikan "beging Selbstmord unter einer Londoner Brücke mit den Händen hinter dem Rücken, eine seltsame Art, sich zu erhängen", so Pell. Ein anderer habe sein Auto brennend vor seinem Haus vorgefunden. Seine Familie habe ihm oft gesagt, dass es "anders gewesen wäre, wenn die Mafia mich gejagt hätte", sagte der Australier. "Es ist viel schlimmer, wenn jemand in der Kirche versucht, dich zu zerstören." 

George Pell ist ehemaliger Finanzchef des Vatikan und war als bislang ranghöchster Kirchenvertreter in seinem Heimatland wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt, verurteilt und anschließend in höchster Instanz freigesprochen worden. Insgesamt verbrachte Pell 404 Tage im Gefängnis. Italienische Medien spekulieren, dass bei der Anklage Pells in Australien auch ein Machtkampf mit dem Ex-Präfekten Giovanni Angelo Becciu eine Rolle spielt. Aktuell erscheint der erste von drei Bänden von Pells "Gefängnistagebuch". (cbr)