Man habe eine ganze Dekade verstreichen lassen

Schavan: Kirche müsste bei Missbrauchsaufklärung weiter sein

Veröffentlicht am 05.03.2021 um 11:24 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ "Die Kirche könnte viel weiter mit Aufklärung und Veränderung sein, als sie es ist", sagt CDU-Politikerin Annette Schavan. Schon 2010 sei das Thema auf dem Tisch gewesen, doch "jetzt hat man zehn lange Jahre, eine ganze Dekade verstreichen lassen".

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Die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan kritisiert die Aufarbeitung des Missbrauchskandals in der katholischen Kirche. "Die Kirche könnte viel weiter mit Aufklärung und Veränderung sein, als sie es ist", sagte sie im Interview des "Kölner Stadt-Anzeigers" (Freitag). Die Bundesregierung habe sich 2010 mit dem Thema befasst; "jetzt hat man zehn lange Jahre, eine ganze Dekade verstreichen lassen". In anderen Bereichen wie dem Sport sehe es allerdings nicht besser aus - "im Gegenteil".

Es brauche "Tatkraft und klare Prioritäten, um erstens den Opfern gerecht zu werden - und zweitens den Gläubigen im Bistum", betonte die ehemalige deutsche Botschafterin beim Vatikan. Drängende Fragen seien, wie Macht künftig wirksam kontrolliert werden solle, wie Bistumsleitungen auf Menschen zugehen wollten, die an der Kirche verzweifelt seien, und wo künftig investiert werde.

Krise geht "weit über die Kirche in Köln hinaus"

Die Krise gehe "weit über die Kirche in Köln hinaus", fügte Schavan hinzu. "Die Logik 'Institutionenschutz vor Opferschutz' war überall die gleiche." Mit Blick auf mögliche persönliche Konsequenzen hochrangiger Würdenträger des Erzbistums Köln als Konsequenz aus dem angekündigten Missbrauchsgutachten sagte Schavan, für sich allein hätten Rücktritte keine heilende Wirkung. Es müssten konkrete Schritte der Veränderung folgen. "Politische Verantwortung" ohne einen Rücktritt übernehme nur der, "der etwas verändert und besser macht. Alles andere ist bloße Rhetorik."

Im Erzbistum Köln wird seit Monaten um die öffentliche Aufarbeitung früherer Fälle sexuellen Missbrauchs durch Geistliche gerungen. Dabei geht es auch darum, Verantwortliche zu benennen, die Täter geschützt und Verbrechen vertuscht haben. Ein erstes Aufarbeitungs-Gutachten hat Kardinal Rainer Maria Woelki nicht veröffentlichen lassen, weil er es für fehlerhaft und nicht rechtssicher hält. Zugleich hat er ein zweites Gutachten angekündigt, das bis zum 18. März vorliegen soll.

Grundsätzlich, so die CDU-Politikerin, müssten Kirchenverantwortliche sich fragen, "ob sie das 'Leben draußen' noch ausreichend im Blick haben". Mit dem Ende der Volkskirche dürfe man es sich "nicht gar so leicht" machen, mahnte Schavan: "Denn der Auftrag Jesu lautet nicht 'bleibt unter euch!', sondern 'geht hinaus und bringt allen die Frohe Botschaft!'".

Die frühere Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) nannte Papst Franziskus einen "Impulsgeber" für die Welt: "Seine Rede von den Peripherien, von denen aus die Erneuerung geschehen wird, könnte uns weiterhelfen." Dieser Weg sei in Deutschland eher ungewöhnlich, "weil wir finden: Was geht und was nicht geht, muss im Gesetz stehen." Franziskus habe einen anderen Zugang. Sie rechne zudem damit, dass Veränderungen für Frauen in der Kirche so überraschend kommen würden "wie der Fall der Mauer in Berlin. Nur wird das leider vermutlich nicht so bald sein." (tmg/KNA/epd)