US-Erzbischof Alois J. Muench setzte sich gegen Politik der Rache ein

Als vor 70 Jahren wieder ein Nuntius nach Deutschland kam

Veröffentlicht am 09.03.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kardinal Aloysius Muench
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Bonn ‐ Bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wirkte Erzbischof Alois Muench aus den USA in Deutschland. Vor 70 Jahren wurde der Sohn deutscher Auswanderer schließlich zum ersten Nuntius in der neuen Bundeshauptstadt Bonn ernannt.

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Kopfschütteln im Vatikan: Als Papst Pius XII. (1939-58), selbst einst Nuntius in Deutschland, den 62-jährigen US-Erzbischof Alois J. Muench mit dieser Aufgabe betraute, setzte er auf einen Seiteneinsteiger in die päpstliche Diplomatie. Denn der am 18. Februar 1889 in Milwaukee/Wisconsin geborene Sohn deutscher Auswanderer war eigentlich "nur" Bischof der Diözese Fargo im entlegenen North Dakota an der Grenze zu Kanada. Am 9. März 1951, vor 70 Jahren, wurde Muench, der damals bereits seit fünf Jahren in Deutschland wirkte und die Nöte der Menschen kannte, vom Papst zum Apostolischen Nuntius ernannt.

Beim Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa, General Dwight D. Eisenhower (1890-1969), hatten die Vatikan-Diplomaten erreicht, eine Päpstliche Mission in Deutschland zu errichten. Ziel war es, der Bevölkerung, den Heimatvertriebenen und den "Displaced People" - Menschen, die von den Nazis als Zwangsarbeiter verschleppt worden waren - besser helfen zu können.

Muench setzte sich gegen "Politik der Bestrafung und der Rache" ein

Eisenhower setzte durch, dass der Leiter dieser Mission mit Sitz in Kronberg/Taunus ein Amerikaner sein musste. Die Wahl des Papstes fiel auf Muench, den er am 16. Mai 1946 zum Apostolischen Visitator "ad interim" ernannte. Die US-Militärregierung in Deutschland berief ihn zudem als Berater für religiöse Angelegenheiten. Die US-Bischöfe betrauten ihn mit der Leitung der Militärseelsorge im amerikanisch besetzten Teil Deutschlands. Weil der Bischof Sohn deutscher Auswanderer war, hatte er wenig Probleme, in Kontakt mit der Bevölkerung zu kommen, und diese wandte sich in der direkten Nachkriegszeit oft genug, um Hilfe bittend an ihn.

Muenchs Beförderung zum Nuntius wurde möglich, nachdem die Westalliierten vom Morgenthau-Plan, der endgültigen Zerschlagung Deutschlands, abrückten. Sie begannen, wieder Landesverwaltungen zu errichten, um den Aufbau der Wirtschaft zu fördern. Im Frühjahr 1948 machte die Sechs-Mächte-Konferenz in London den Weg frei für die Errichtung eines westdeutschen Teilstaates. Dies sei auch Muench zu verdanken, erklärte General Lucius D. Clay (1897-1978), als er sich 1949 als Militärgouverneur der US-Besatzungszone in Deutschland verabschiedete.

Muench habe dazu beigetragen, das amerikanische Volk wachzurütteln: "So konnte ein Wechsel zu einer Besatzungspolitik herbeigeführt werden, die unserem Nationalcharakter mehr entspricht als die anfängliche Politik der Bestrafung und der Rache". Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Mit der Gründung der DDR im Oktober 1949 war dann die Teilung besiegelt, die vier Jahrzehnte Bestand haben sollte.

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Papst Johannes XXIII. (1958-63) berief Alois Muench an die Kurie und erhob ihn 1959 zum Kardinal.

So kompliziert wie die Geschichte der beiden deutschen Nachkriegsstaaten, so holprig war auch der Anfang der Vatikanvertretung. Am 21. Oktober 1949 ernannte der Papst Muench zum "Regenten der Apostolischen Nuntiatur im Deutschen Reich". Die saß in Eichstätt, wohin der letzte Reichs-Nuntius, Erzbischof Cesare Orsenigo (gest. 1946), mit seinem Personal Anfang 1945 vor den sowjetischen Truppen aus Berlin geflüchtet war.

Der Heilige Stuhl hielt an der mit Kriegsende diplomatisch erloschenen Nuntiatur fest und wartete erst einmal ab. Er signalisierte, im Fall einer Lockerung des Besatzungsstatus einen Nuntius bei der Bundesrepublik akkreditieren zu wollen, nicht aber bei der DDR. Die wieder aktivierte Nuntiatur solle - wie bis 1945 - für das gesamte Deutschland zuständig sein.

Apostolischer Nuntius "beim deutschen Volk"

Am 4. April 1951 überreichte Muench in der Bonner Villa Hammerschmidt Bundespräsident Theodor Heuss seine Akkreditierung. Darin beglaubige ihn der Papst als Apostolischen Nuntius "beim deutschen Volk". Dem gesamtdeutschen Anspruch entsprach auch sein offizieller Titel "Nuntius Apostolicus in Germania". Nach dem Umzug der Nuntiatur nach Bad Godesberg im Juni wirkte Muench fast acht Jahre lang am Rhein.

Eines seiner Verdienste ist es, dass er mit der westdeutschen Nachkriegsregierung die Fortdauer der Konkordate regelte. Besuche im Osten Deutschlands, die ihm als Visitator in Kronberg verwehrt blieben, waren ihm als Nuntius zweimal möglich: 1954 kam er zur 1.200-Jahrfeier des Märtyrertods des Heiligen Bonifatius und 1957 anlässlich des 750. Todestags der Heiligen Elisabeth von Thüringen in die DDR. Zur Messe auf den Stufen des Erfurter Doms kamen mehr als 70.000 Menschen.

Papst Johannes XXIII. (1958-63) berief Muench an die Kurie und erhob ihn im Dezember 1959 zum Kardinal. Damit endete seine Zeit als Nuntius in Bonn und auch sein Bischofsamt in Fargo, das er bis dahin nicht aufgegeben hatte. Muench starb am 15. Februar 1962 in Rom - drei Tage vor Vollendung seines 73. Lebensjahrs.

Von Albert Steuer (KNA)