Serie: Deutschland, deine Kathedralen – Teil 7

Erfurter Dom: Architektonisches Juwel mit weltberühmter Glocke

Veröffentlicht am 05.09.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Majestätisch thront der Erfurter Dom über der thüringischen Landeshauptstadt. Das Gotteshaus, das in seinen Ursprüngen auf den heiligen Bonifatius zurückgeht, hat mit Blick auf seine Architektur eine bewegte Geschichte hinter sich. Heute beeindruckt es vor allem mit wertvollen Ausstattungsgegenständen.

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Ob der heilige Bonifatius geahnt hat, was für ein architektonisches Juwel dereinst 70 Stufen über der Altstadt auf dem Erfurter Domberg entstehen würde? Wohl kaum – und doch hat der "Apostel der Deutschen" durch sein Wirken im 8. Jahrhundert maßgeblich den Grundstein dafür gelegt, dass Erfurt mit dem Dom und der benachbarten Severikirche heute über eines der herausragendsten Beispiele mittelalterlicher Kirchenbaukunst in Deutschland verfügt. Bonifatius nämlich war es, der im Jahr 742 "an dem Erphesfurt genannten Ort" erstmals ein Bistum gründete, für das er bald danach auf dem Domberg eine erste Kirche errichten ließ – den Vorgängerbau des heutigen Doms.

1154 begann der Bau einer spätromanischen Basilika

Über diese erste Kirche ist heute kaum etwas bekannt. Man weiß aber, dass das Bauvorhaben auch nicht aufgegeben wurde, als das Bistum Erfurt bereits nach nur 13 Jahren wieder aufgelöst wurde. Für das Jahr 1153 berichten die Chroniken dann vom Einsturz einer Kirche, der ein Jahr später der Baubeginn für eine spätromanische Basilika folgte. Es ist allerdings weder sicher, dass die von Bonifatius initiierte Kirche tatsächlich bis 1153 stand, noch dass der Bau tatsächlich eingestürzt ist. Wahrscheinlicher ist, dass die Domherren und der zuständige Mainzer Erzbischof eine neue Kirche bauen ließen, weil sie hinter der kurz zuvor errichteten Severikirche nicht zurückstehen wollten.

Bonifatius war einer der bekanntesten Missionare. Seit der Reformation wird er von der katholischen Kirche als Apostel der Deutschen bezeichnet.
Bild: ©KNA

Der heilige Bonifatius gründete nicht nur das Bistum Erfurt, sondern ließ auch die erste Kirche auf dem Erfurter Domberg errichten.

Der Bau der neuen Kirche schritt schnell voran – auch, weil man bei den Arbeiten zwei Grabstätten fand, die als Überreste der Bischöfe und Bonifatius-Gefährten Adolar und Eoban identifiziert wurden. Dieser Fund führte zu zahlreichen Spenden und Opfergaben und trug damit wesentlich zur Finanzierung des Baus bei. Für den 20. Juni 1182 ist eine Weihe der Kirche überliefert, obwohl die Bauarbeiten zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen waren. Das belegen Berichte über die Fertigstellung der beiden Türme (1201 und 1237) und eine erneute Weihe am 5. Oktober 1253, die besonders in der älteren Literatur gern als Abschluss des romanischen Baus genannt wurde.

Mit der Gotik begannen die Umbauarbeiten

Wie in anderen Dom- und Stiftskirchen wuchs in der bald darauf beginnenden Gotik auch in Erfurt das Bedürfnis, die Kirche und besonders den Chor größer und heller zu gestalten, zumal auch der Platz schnell nicht mehr für alle Domkapitulare ausreichte. Deren Zahl war durch mehrere Stiftungen auf mehr als 100 Personen angestiegen, an Feiertagen nahmen sogar rund 300 Kleriker am Gottesdienst teil. Bereits in den 1280er Jahren wurde deshalb damit begonnen, einen größeren Chor mit polygonalem Abschluss an die Kirche anzufügen. Diese erste Chorverlängerung wurde 1290 fertiggestellt, anschließend wurde der Ausbau des Mittelturms in Angriff genommen, der wiederum vor 1307 vollendet wurde.

Doch schon bald reichte auch das erweiterte Platzangebot nicht aus. Deshalb schuf man im 14. Jahrhundert einen noch einmal wesentlich erweiterten Chor und führte auch sonst umfangreiche Bauarbeiten durch. So wurde unter anderem um 1330 das Triangelportal am nördlichen Querschiffsarm als Haupteingang errichtet. Er zeigt die zwölf Apostel und den Zyklus der klugen und der törichten Jungfrauen, flankiert von Ecclesia und Synagoge. 1349 wurde zudem der Grundstein für den Hohen Chor gelegt, der 1370 geweiht wurde.

Bild: ©Fotolia.com/Val Thoermer

Der Erfurter Domberg mit dem Dom (l.) und der Severikirche

Größere bauliche Veränderungen brachte dann noch einmal das 15. Jahrhundert. Anlass dafür war 1452 die Sorge, dass der Einsturz des Langhauses drohe. Drei Jahre später wurde es deshalb abgerissen und mit dem Neubau einer spätgotischen Hallenkirche begonnen. Bereits um 1465 war die Kirche wieder nutzbar, da für dieses Jahr von einer Fronleichnamsprozession durch das Westportal berichtet wird. Wann das Langhaus genau fertiggestellt wurde, ist allerdings nicht überliefert.

Unter den Franzosen diente der Dom als Pferdestall

Mehr als 400 Jahre lang wurden danach kaum noch bauliche Veränderungen an dem Gotteshaus vorgenommen. Stattdessen sorgten äußere Einflüsse für Zerstörungen – so 1717, als die Turmhelme abbrannten und anschließend nur ein flaches Notdach aufgesetzt wurde. Während der napoleonischen Kriege wurde der Domberg zudem in eine Festung umgewandelt und der Dom durch französische Truppen als Pferdestall missbraucht. Ab 1868 wurde dann jedoch das spätgotische Walmdach zu einem niedrigeren Satteldach umgebaut.

Anders als viele andere Gotteshäuser blieb der Erfurter Dom im Zweiten Weltkrieg von direkten Bombentreffern verschont. Allerdings wurden das Dach sowie die nicht ausgelagerten Fenster des Hohen Chores und des Langhauses durch Detonationen in der Nähe teilweise stark beschädigt und die Türme von Granaten getroffen. Die Reparaturen dieser Schäden dauerten bis 1951. Schon knapp 20 Jahre später begann die nächste Renovierung: 1968, 100 Jahre nach dessen Errichtung, wurde das neogotische Dach mit dem Mosaikbild der Gottesmutter Maria am westlichen Giebel abgebaut und durch ein dem spätgotischen Zustand entsprechendes neues Dach ersetzt. In den folgenden Jahrzehnten folgten weitere Restaurierungen, dabei wurden unter anderem die Sanierung der mittelalterlichen Glasmalerei des Hohen Chores sowie die Restaurierung des barocken Hochaltares durchgeführt.

Bild: ©picture-alliance/ZB/arifoto UG

Der Wolfram-Leuchter gehört zu den bekanntesten Kunstwerken im Erfurter Dom.

Im Inneren beeindruckt der Dom, der seit 1994 wieder als Kathedrale des damals neuerrichteten Bistums Erfurt dient, durch eine reiche Ausstattung. Hervorzuheben sind vor allem die Glasfenster im Hochchor, das Chorgestühl und der Hochaltar. Letzterer wurde zwischen 1697 und 1707 angefertigt und präsentiert unter anderem Plastiken der vier Evangelisten, der Apostelfürsten Petrus und Paulus und der heiligen Bonifatius und Martin. Die Glasfenster wurden zwischen 1380 und 1420 geschaffen und zählen zu den wertvollsten erhaltenen Glasmalereien des Mittelalters. Rund 18 Meter hoch und 2,60 Meter breit zeigen die Fenster Ereignisse aus der Bibel und dem Leben der Heiligen. Das Chorgestühl wiederum umfasst 89 Sitze, die sich auf zwei Doppelreihen von etwa 17 Meter Länge und je eine Reihe links und rechts an den westlichen Wänden verteilen. Die Sitze sind aus Eichenholz, das im Jahr 1329 geschlagen und wohl bald darauf auch bearbeitet wurde. Das Chorgestühl ist eines der umfangreichsten und am besten erhaltenen mittelalterlichen Gestühle in Deutschland.

Im Domturm schlägt die weltberühmte "Gloriosa"

Zu den bedeutendsten Ausstattungsgegenständen des Doms zählt zudem der Wolfram-Leuchter. Die Figur, die stehend und mit erhobenen Armen in jeder Hand eine Kerzenfassung hält, lässt sich auf etwa 1170 datieren und entstand vermutlich in der Magdeburger Gießhütte. Sie gilt als älteste freistehende Bronzeskulptur eines Menschen, die aus dem Hochmittelalter erhalten ist. Die 290 Kilogramm schwere Statue trägt an ihrem Gürtel einen lateinischen Schriftzug mit den Namen der Stifter sowie eine Fürbitte an die Gottesmutter.

Weltberühmt ist der Erfurter Dom zuletzt für die "Gloriosa". Die "Königin der Glocken" wurde 1497 gegossen und ist mit einem Gewicht von 11,45 Tonnen und einer Höhe von 2,62 Metern die größte freischwingende mittelalterliche Glocke der Welt. Auffälligste Verzierung der "Gloriosa" ist die Madonna im Strahlenkranz, außerdem finden sich auf der Glocke Christusköpfe an den sechs Bügeln der Krone, ein Fries heraldischer Lilien am Glockenhals sowie eine lateinische Umschrift mit dem Gießdatum und dem Namen des Glockengießers Gerhard van Wou. Nachdem die "Gloriosa" 1984 und 2004 wegen Haarrissen jeweils aufwändig geschweißt werden musste, ist sie heute nur noch an wenigen Tagen im Jahr zu hören: Für 2020 sah die Läuteordnung zehn Termine vor, unter anderem an Ostern, Pfingsten und Weihnachten.

Von Steffen Zimmermann