Standpunkt

Die Glaubenskongregation schnürt dem Heiligen Geist die Luft ab

Veröffentlicht am 16.03.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ Aus Rom kommt ein klares Nein zu Segnungen für homosexuelle Paare. Damit drücke die Glaubenskongregation aufs Tempo innerer Zerstrittenheit und äußerer Weltfremdheit, kritisiert Thomas Arnold. Menschen würden sich trotzdem weiter lieben.

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Mit Vollmacht gegen die Wand. Anders kann man die Dynamik des Responsums der Glaubenskongregation, das gestern veröffentlicht wurde, nicht beschreiben. Denn es drückt mit seiner Vollbremsung gleich mehrfach aufs Tempo innerer Zerstrittenheit und äußerer Weltfremdheit.

Für den Vorsitzenden und seine neue Generalsekretärin wird es eine kirchenpolitische Herausforderung. Haben sie selbst – auf verschiedene Weise argumentativ reflektiert – eine anderslautende Haltung eingenommen, könnte es zum sensiblen Konfliktfeld mit dem Papst werden, weil die Lösung Polarisierungspotential hat: Wird man einknicken, indem man der römischen Linie folgt, oder den Aufstand proben? Oder versuchen es die beiden doch mit Konsens? Wer aber, wie jetzt die Glaubenskongregation, einmal so deutlich antwortet, scheint nur schwerlich bereit zu sein, einen anders gearteten Konsens zu suchen, der bereit ist, die Lehrmeinung weiterzuentwickeln. Dafür aber stehen der Vorsitzende und die neue Generalsekretärin.

Damit stimmen sie mit der Mehrheit des Synodalen Wegs überein. Dort ist die Erwartung hoch, sich in den Beschlüssen für eine Akzeptanz homosexueller Partnerschaften auszusprechen. Dementgegen ist das Responsum ein "Erwartungsmanagement" auf lateinisch. Mag sein, dass es diplomatisch korrekt ist, zunächst darauf zu verweisen, die Argumente in den Synodalen Weg mit einfließen zu lassen. Die Mehrheit der Synodalen würde sich kaum damit zufriedengeben. Was aber hilft der Beschluss von 230 Menschen in Deutschland, wenn Rom schon währenddessen die Entscheidung einkassiert? Es bietet lediglich den Vorteil, dass Rom sich nicht vorwerfen lassen muss, auf die Bitte um Prüfung von der Synodalversammlung nie geantwortet zu haben. Stattdessen gibt man im 21. Jahrhundert schon die Antwort, bevor die Bitte eingegangen ist. Das ist #lernendeKirche neu buchstabiert.

Und als wäre mit der Missbrauchskrise und Finanzskandalen nicht der Vertrauensverlust schon groß genug, vollzieht die Glaubenskongregation gerade mit dem Autoritäts-Argument "Die Kirche hat keine Vollmacht" eine Machtdemonstration, die den Autoritätsverlust erneut dynamisiert. Die Gläubigen spüren, dass mit diesem administrativen Mittel dem Heiligen Geist die Luft abgeschnürt wird, weil die Angst vorherrscht, von ihm selbst zerstört zu werden. Die Menschen, egal ob hetero- oder homosexuell, werden sich weiterhin lieben und zueinander bekennen. Sie werden auch weiter an Gott glauben. Nur den Segen, den werden sie nicht mehr vom kirchlichen Personal erbitten, sondern vom freien Traurednern. Gültig dürfte er trotzdem sein.

Von Thomas Arnold

Der Autor

Thomas Arnold ist Leiter der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.