Pastor Christian Olding über das Sonntagsevangelium

Der treue Zweifel

Veröffentlicht am 10.04.2021 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
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Geldern ‐ Der Krisenapostel macht es vor: Besser ehrlich zweifeln als unehrlich glauben. Thomas ist mehr als nur eine sympathische Identifikationsfigur, glaubt Pastor Christian Olding. Denn die Geschichte des berühmten Zweiflers bietet konkrete Lektionen für die Kirche heute.

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Impuls von Pastor Christian Olding

Ich glaube an die Auferstehung der Toten. Zugleich kenne ich den Zweifel im Keller meiner Seele. Er argwöhnt, woran ich festhalte sei Heuchelei. Tot ist tot. Fertig. Es sei ja schließlich noch keiner zurückgekommen von denen, die ich bereits in diesem Leben habe gehen lassen müssen.

Ich muss zugeben, wenn ich einmal gestorben bin und sich herausstellen sollte, dass alles wahr ist, was wir Christen uns über den Tod und die Auferstehung erzählen, dann werde ich ein bisschen erstaunt sein.

Glaube ist wohl immer zweifelhaft. Andernfalls wäre er in unseren Menschenhirnen und -herzen selbstgemacht. Wir würden seit 2000 Jahren daran arbeiten, ihn endlich wasserdicht zu bekommen. Wenn der Glaube wieder einmal zweifelhaft wird, dann können wir von Thomas ein paar entscheidende Dinge lernen, um uns der Krise zu stellen.

Als bei Thomas alles zusammengebrochen war, hat er sich abgesetzt von der Gemeinschaft der anderen, wohl getreu dem Motto, damit muss ich erst einmal alleine fertig werden. Ich glaube aber, gerade in dieser Situation braucht es die Gemeinschaft, um mitgetragen zu werden.

So fallen die anderen Apostel auch nicht über ihn her. Thomas wird nicht ausgebuht oder als störender Nörgler hingestellt, der nur die schöne Stimmung kaputt macht oder mit seiner Außenseiter-Meinung die Gemeinschaft gefährdet. Die anderen Jünger kritisieren ihn überhaupt nicht wegen seiner Glaubenszweifel. Alle damals Anwesenden spürten scheinbar, wie ernst es ihm ist, welche Glaubens-not hinter seinem Zweifel steckt.

Für meinen Blick auf die Pfarrei heißt das: Hier ist Platz und Verständnis auch für diejenigen Mitchristen, die sich sichtlich schwertun und mit manchem in der Kirche nicht einverstanden sind. Wenn wir beginnen, über Ängste, Verzweiflung und Enttäuschung zu reden, und wenn Menschen sich für solche Gespräche öffnen, zeigt sich, wie viele Menschen davon getrieben werden. Der gegenseitige Respekt vor den "wunden" Stellen der anderen sollte das gegenseitige Verständnis ermöglichen.

Außerdem zeigt mir Thomas, wenn eine Glaubenskrise kommt, und einem alles fraglich wird, dann halt an Jesus fest – auch wenn scheinbar alles dagegen spricht. An Jesus festhalten, heißt zu beten. Im Gebet kann ich meine Verzweiflung in Worte fassen und auf diese Weise abgeben. Das entlastet und hilft zur Klärung. Mir hilft es daher auch immer, dass andere für mich beten. Das Gebet knüpft ein Band zu Gott und zu den Mitmenschen.

Es ist besser ehrlich zu zweifeln als unehrlich zu glauben. Ein vorgetäuschter Glaube ist kein Fundament für ein gelingendes Leben. Thomas zeigt, dass Glauben und Zweifel zusammengehören, dass wir trotz aller Zweifel mit Jesus rechnen und Glauben finden können.

Von Christian Olding

Aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 20,19–31)

Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.

Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.

Thomas, der Didymus genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.

Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!

Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.

Der Autor

Christian Olding ist Pastor in der Pfarrei St. Maria Magdalena in Geldern.

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