Vatikan wehrt sich gegen Kritik des UN-Kinderrechtskomitees

"Versuchter Eingriff" in die Lehre

Veröffentlicht am 06.02.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Flaggen auf der Zufahrt zum UN Gebäude und Schriftzug der Vereinten Nationen.
Bild: © Gemeinfrei
Kinderrechte

Genf/Vatikanstadt ‐ Das UN-Kinderrechtskomitee (UNCRC) hat am Mittwoch einen Bericht über den Kinderschutz im Vatikan verfasst. Darin werden einerseits die vom Vatikan eingeführten gesetzlichen Regelungen gelobt, andererseits werden die noch nicht gemachten Schritte kritisiert. An einem Punkt wehrt sich der Vatikan entschieden gegen die Kritik des UNCRC: Einige der vom Komitee in Genf veröffentlichten Forderungen seien ein "versuchter Eingriff" in die kirchliche Lehre über die Würde des Menschen und in die Religionsfreiheit, erklärte das vatikanische Presseamt am Mittwoch.

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In der Vatikanerklärung werden keine Details genannt, aber laut Radio Vatikan bezieht sich die vatikanische Anmerkung "wohl" auf Ausführungen des Berichtes "zum Thema Abtreibung und Homosexualität". Der Heilige Stuhl bekenne sich zu seiner Verpflichtung, die Kinderrechte gemäß der von ihm unterzeichneten UN-Kinderrechtskonvention und der religiös-moralischen Werte der katholischen Lehre zu verteidigen, heißt es weiter.

UN-Komitee verlangt Anpassung des Kirchenrechts

UN-Kinderrechtsexperten hatten vom Heiligen Stuhl verbindliche Regeln im Kirchenrecht verlangt, die Kinder besser vor einem Missbrauch in katholischen Institutionen schützen sollen. Das Komitee kritisierte den jüngsten Kinderschutzbericht des Heiligen Stuhls als unzureichend. Einige Bestimmungen des Kirchenrechts entsprächen nicht den Forderungen der Kinderschutzkonvention. Das betreffe insbesondere das Recht von Kindern auf Schutz vor Diskriminierung, Gewalt und allen Formen sexuellen Missbrauchs.

Papst Benedikt XVI. begrüßt einen jungen Seminaristen bei einer Messe in der St. Mary's Kathedrale beim Weltjugendtag in Sydney 2008.
Bild: ©KNA

Beim Weltjugendtag vom 15. bis 20. Juli 2008 in Sydney/Australien hat Papst Benedikt XVI. sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche entschieden verurteilt und den Opfern sein Mitgefühl ausgesprochen. Bild: Papst Benedikt XVI. begrüßt einen jungen Seminaristen.

Der Heilige Stuhl müsse dafür sorgen, dass kirchliche Gesetze und Bestimmungen der Konvention angepasst werden. Zudem forderte das UNCRC nähere Auskünfte dazu, inwieweit Geistliche auf allen Ebenen verpflichtet seien, Missbrauchsfälle an staatliche Behörden zu melden. Sie bemängelten, in der Praxis könnten Sexualstraftäter in der katholischen Kirche straflos bleiben.

In den vergangenen Jahren hatten tausende Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Heranwachsenden in katholischen Kirchengemeinden und Institutionen die Kirche in eine Krise gestürzt. Papst Benedikt XVI. (2005-2013) verlangte ein striktes Vorgehen gegen jeden Missbrauch in der Kirche und "Null Toleranz". Besonders dramatisch entwickelte sich der Skandal für die Kirche in den USA, wo mehr als drei Milliarden US-Dollar an die Opfer gezahlt worden sind. Nach bekanntwerden von Missbrauchsfällen in Deutschland meldeten laut der Nachrichtenagentur dpa bislang etwa 1.300 Missbrauchsopfer bei der Kirche Ansprüche an.

Vatikanvertreter: UN berücksichtigt nicht die aktuelle Situation

Der Vatikanvertreter beim Büro der Vereinten Nationen in Genf, Erzbischof Silvano Maria Tomasi, äußerte im Interview mit Radio Vatikan den Verdacht, die Stellungnahme des Komitees zum jüngsten Kinderschutzbericht des Heiligen Stuhls sei bereits vorab verfasst worden. Die Beurteilung sei nicht auf der Höhe der aktuellen Situation. Sie berücksichtige nicht die Maßnahmen, die sowohl der Vatikanstaat als auch die nationalen Bischofskonferenzen zum Schutz von Minderjährigen gegen Missbrauch längst ergriffen hätten. Damit erweise das Komitee den Vereinten Nationen keinen guten Dienst, so der Vatikandiplomat. Tomasi betonte die Position des Heiligen Stuhls: "Wir müssen auf unserer Politik der Transparenz und Intoleranz von Missbrauch beharren, weil schon jeder einzelne Fall von Kindesmissbrauch ein Fall zu viel ist."

Der Jesuit Bernd Hagenkord leitet seit 2009 die deutschsprachige Abteilung von Radio Vatikan.
Bild: ©KNA

Der Jesuit Bernd Hagenkord leitet seit 2009 die deutschsprachige Abteilung von Radio Vatikan.

Auch der Jesuit Bernd Hagenkord kritisiert einige Vorschläge des UN-Berichts als "völlig irreal". Offenbar habe die UN nicht verstanden, dass der Vatikan keine Nichtregierungsorganisation sei und wie die Kirche funktioniere, schreibt der Leiter der deutschsprachlichen Redaktion von Radio Vatikan in seinem Blog. Der Bericht schlage unter anderem vor, dass eine Ansprechstelle geschaffen werden soll, die für alle Kinder auf katholischen Schulen erreichbar ist – ungeachtet der verschiedenen Sprachen weltweit. Auch verkenne die Kommission die Rechtslage in verschiedenen Ländern, wenn sie eine automatische Meldung aller Fälle von Missbrauch an die Strafverfolgungsbehörden fordert. Hagenkord verweist darauf, dass zum Beispiel in Deutschland diese Meldepflicht bewusst nicht existiere.

Vatikan soll Priesterkinder aufklären

Weiter hatte das UNCRC den Vatikan aufgefordert, die Kinder katholischer Priester über ihre Herkunft aufzuklären. Sie müssten ihr Recht wahrnehmen können, "ihren Vater zu kennen und von ihm versorgt zu werden", erklärte der Ausschuss. Als Voraussetzung dafür solle der Heilige Stuhl deren Zahl und Identität ermitteln. Besorgt äußerte sich das Gremium über Berichte, nach denen Mütter von Priesterkindern eine finanzielle Unterstützung durch die Kirche nur unter der Auflage erhielten, dass sie die Liebesbeziehung zu dem Geistlichen verschwiegen. Der Vatikan müsse gegen solche Vertraulichkeitsvereinbarungen vorgehen, fordert das Komitee.

Der Heilige Stuhl hatte sich als Unterzeichner der Kinderschutzkonvention 2013 erstmalig einer turnusmäßigen Evaluierung durch das UNCRC unterzogen. Am 16. Januar erörterten das UN-Komitee und Vatikan-Vertreter in Genf offene Fragen unter anderem zu Kinderpornografie, Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch und Diskriminierung von Mädchen. Die nächste Begutachtung soll im September 2017 beginnen. Dann soll der Heilige Stuhl in seinem Kinderschutzbericht auch darlegen, inwieweit er die Empfehlungen des aktuellen Schlussdokuments umgesetzt hat. (mit Material von KNA und dpa)

Von Agathe Lukassek

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