Standpunkt

Ohne positive Kirchenidentität schlägt Selbstkritik in Selbsthass um

Veröffentlicht am 19.05.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ In einem Brief kritisierte der Würzburger Priesterrat das Priesterbild des Synodalen Wegs – es fehle an positiver Identifikation. Für Benjamin Leven ist das ein Warnruf: Die Akzeptanz des Reformprozesses drohe nicht nur in Rom verloren zu gehen.

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Es ist das Dokument einer Entfremdung. Der Priesterrat der Diözese Würzburg hat am 27. April 2021 einen Brief an das Forum "Priesterliche Existenz heute" des Synodalen Weges von Deutscher Bischofskonferenz (DBK) und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) geschrieben. Die Geistlichen hatten sich bei einem ihrer Treffen mit der thematischen Gliederung befasst, die das Forum Anfang Februar vorgelegt hatte. Für die Würzburger Priester handelt es sich um ein Papier, das "leider zu sehr von Angst geprägt" sei. "Wir finden uns darin in vielen Belangen nicht wieder", so die Autoren. Sie kritisieren die "Reduzierung des Priestertums auf das Thema 'Macht'" und warnen davor, den sexuellen Missbrauch zur "einzig bestimmenden Grundlage für Anregungen oder Regelungen einer priesterlichen Existenz heute" zu machen. Es fehle an "Ermutigung und Orientierung sowohl für diejenigen, die im Dienst stehen, als auch für junge Menschen, die über einen geistlichen Beruf nachdenken". Am Schluss stellen sie zwei Fragen: "Wofür brauchen wir den Priester? Und brauchen und wollen wir überhaupt Priester?"

Es muss alarmieren, wenn diejenigen, deren "Existenz" beim Synodalen Weg verhandelt wird, offenbar den Eindruck gewinnen, dass über diese Fragen dort kein Konsens mehr besteht. Es handelt sich bei dem Würzburger Schreiben erkennbar um kein Pamphlet aus einer kirchenpolitischen Ecke, sondern um einen Warnruf, den die Verantwortlichen sehr ernst nehmen sollten. Sonst droht die Akzeptanz des Projektes nicht nur in Rom verloren zu gehen.

Angesichts von Missbrauch und Vertuschung ist die Selbstkritik der Kirche, wie sie im Synodalen Weg zum Ausdruck kommt, berechtigt. Trotzdem darf nicht aus dem Blick geraten, dass die übergroße Mehrheit der Priester sich weder an Kindern vergeht, noch ihre Gemeinden tyrannisiert. Wenn es nicht mehr gelingt, positiv zu formulieren, was die Identität der Kirche ausmacht, dann schlägt Selbstkritik in Selbsthass um. Daraus kann nichts erwachsen.

Von Benjamin Leven

Der Autor

Benjamin Leven ist Redakteur der "Herder Korrespondenz".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.