Eine Visitation ist Misstrauensvotum und Chance zugleich
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Als ich von der apostolischen Visitation in unserem Erzbistum erfuhr, war ich "wow-erleichtert". Erleichtert, weil endlich Bewegung in eine festgefahrene und frustbeladene Situation kommt, in der katholische Christen und die Kirche in ihrer Zerrissenheit keine gute Figur abgeben und in der viele Menschen Federn lassen – auf allen Seiten. Und "wow", weil so eine apostolische Visitation kein harmloser Anstandsbesuch unter Kollegen ist.
Dass das öffentliche Interesse groß ist, das Rauschen im Byte- und Blätterwald laut und die Analysen zahlreicher Facebook-Kommentatoren Legion, ist verständlich. Aber muss man diese Visitation jetzt schon mit Erwartungen überfrachten und – so wirkt es – im Sinne ihres erhofften Ausgangs interpretieren, gar instrumentalisieren?
In den sozialen Medien betrachten die einen die Amtszeit des Erzbischofs schon als Teil der Kirchengeschichte, während die anderen spekulieren, ob die "Gegner" (wen auch immer sie damit meinen) des Kardinals "neue Verschwörungstheorien" entwerfen werden, wenn die Visitatoren "nichts" finden. Und das alles, bevor diese ihre Koffer ausgepackt und ihr erstes Kölsch getrunken haben!
Fakt ist: Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sprach in einem Beitrag in der Süddeutschen von einem "Misstrauensvotum" – die Einschätzung aus dem "Epizentrum" der Vertrauenskrise lautet hingegen: "Chance für unser Bistum" und "Beistand in schwerer Zeit". Über diese deutlich gegensätzliche Sichtweise darf man staunen! Aber gut katholisch wird man auch sagen können: Die Visitation ist bzw. soll beides sein. Zeichen, dass der Haussegen in unserem Erzbistum mächtig schief hängt, das Vertrauen und Wohlwollen auch der Kirchenaffinen nachhaltig gestört ist – und der Versuch, das Ausmaß und die Ursachen der Vertrauenskrise auszuloten und nach Wegen aus der Krise zu suchen.
Die Berichterstattung über die Visitation werde ich mit Interesse verfolgen und ich hoffe, dass sie ein Ergebnis zeitigt, das verhärtete Fronten aufbricht und Umkehr und Neuanfang ermöglicht – was nicht ohne Schmerzen einhergehen wird.
Bis dahin wären wir gut beraten, die Visitatoren einfach mal ihren Job machen zu lassen.
Die Autorin
Ricarda Menne ist Lehrerin für Englisch, Geschichte und katholische Religion. Außerdem ist sie in der Hochschulpastoral der Bergischen Universität Wuppertal tätig.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.