Zwölf Frauen bilden Beratungsgremium für Bistumsleitung

Geschäftsführerin: Mainzer Frauenkommission ist "einmalige Chance"

Veröffentlicht am 25.06.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Mainz ‐ Zwölf Frauen sollen im Bistum Mainz künftig Bischof Peter Kohlgraf beraten. Im katholisch.de-Interview spricht die Geschäftsführerin der neuen Frauenkommission, Barbara Wolf, über mögliche Veränderungsschritte in der Kirche und über die Gefahr von gebrochenen Versprechen.

  • Teilen:

"Das ist ein Versprechen, sich beraten zu lassen", sagt die Geschäftsführerin der neuen Frauenkommission im Bistum Mainz, Barbara Wolf. Unter dem Motto "Frauen handeln hier und jetzt!" hatten am Wochenende 260 Frauen aus dem Bistum in einer Online-Sitzung über ihre kirchlichen Anliegen diskutiert und die zwölf Mitglieder der Kommission gewählt. Die Idee einer Frauenkommission sei nicht neu, sagt Wolf im katholisch.de-Interview. Trotzdem sei das Gremium einmalig in der Bistumslandschaft.

Frage: Frau Wolf, am Wochenende wurden 12 Frauen in die neue Frauenkommission des Bistums Mainz gewählt. Was ist das Ziel dieser Kommission?

Wolf: Das Ziel ist, Geschlechtergerechtigkeit in allen Strukturen und Bereichen des Bistums voranzubringen und Schritte zu gehen, damit sich dort auch spürbar etwas verändert. Die Frauenkommission ist das Beratungsgremium des Bischofs und des Pastoralrates, also eine Gruppe, die unter der Perspektive der Geschlechtergerechtigkeit auf die Abläufe, das Leben, Arbeiten und Zusammensein in diesem Bistum blickt.

Frage: Es geht also um ein großes Themenspektrum?

Wolf: Das Themenspektrum ist vielfältig und auch der Weg zu Veränderungsschritten kann vielfältig sein. Der Bischof kann sich Beratung zu speziellen Fragen wünschen oder die Kommission kann Fragestellungen und Anliegen an den Bischof oder die Bistumsleitung herantragen. Wir hatten im Vorfeld der digitalen Frauenversammlung die Teilnehmerinnen gebeten, ihre Themen und Anliegen im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit zu formulieren. Die kamen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Es ging unter anderem um Frauen und Leitung nicht nur in der Kirche, die Verbindung von Familie und Beruf oder Sprache. Das sind Themen, die nicht nur binnenkirchlich von Bedeutung sind. Es ging aber auch um die Stellung der Frau in der katholischen Kirche, den Zugang zu Weihesakramenten und die Sichtbarkeit beispielsweise in Gremien. Aus diesen vielfältigen Themen darf und muss die Frauenkommission jetzt Schwerpunkte auswählen, die sie bearbeiten und setzen möchte.

Frage: Inwiefern können die Frauen denn konkret auf die Bistumsleitung einwirken?

Wolf: In der vorläufigen Ordnung der Kommission ist festgelegt, dass sie in der Diözesanversammlung und im Pastoralrat, also zwei unserer Beratungs- und Mitbestimmungsgremien im Bistum, einen beratenden Sitz haben. Es ist festgelegt, dass sie mindestens einmal im Jahr ein Gespräch mit dem Bischof haben. Darüber hinaus ist die Kommission noch relativ formbar. Die vorläufige Ordnung muss noch zu einer endgültigen gefasst werden. Darin kann auch beschrieben werden, wie die Arbeitsformen dieser Kommission sind.

Barbara Wolf ist Geschäftsführerin der Frauenkommission im Bistum Mainz
Bild: ©Bistum Mainz

"Wenn es nicht gelingt, in einen guten Dialog zu kommen, dann müssen Frauen vielleicht erneut die Erfahrung machen, dass Versprechungen nicht gehalten werden und sie nicht im Blick sind", sagt die Geschäftsführerin der Frauenkommission, Barbara Wolf. Man müsse jetzt nicht in Aktionismus verfallen. "Wenn aber keine Taten folgen, und die Frauen ungehört bleiben, dann war das die letzte Kommission, die wir gewählt haben."

Frage: In diesen Gremien haben die Frauen aus der Frauenkommission aber keine Entscheidungsbefugnis?

Wolf: Auch die Gremien sind alle nur beratend für die Bistumsleitung. Man sagt ja: Leitende sind gut beraten, wenn sie sich beraten lassen. Die Aufgabe der Bistumsleitung ist es deshalb, diese Beratung anzunehmen, weil es fachliches Know-how ist. Hier hat der Bischof schon zum Ausdruck gebracht, dass er Interesse daran hat und an konkreten Schritten, die er selbst auch in Gang bringen kann.

Frage: Wenn man auf die Frauen schaut, die jetzt die Frauenkommission bilden, ist alleine schon die Altersspanne zwischen 21 und 60 Jahren interessant. Was motiviert so unterschiedliche Frauen, sich in der Kommission einzubringen?

Wolf: Ich finde es vor allem erstaunlich, dass so viele junge Frauen gewählt wurden. Ich glaube, es motiviert die Frauen, dass sie Energie und Ideen haben und diese auch einbringen wollen und jetzt einen Ort finden, wo sie das tun können. Eine Rückmeldung von vielen Frauen war, dass es jetzt an der Zeit ist, in einen offenen und ehrlichen Dialog zu treten. Wir brauchen keine Kommission um der Kommission willen. Bei den Motivationsschreiben der Kandidatinnen schwang vielfach die Frage nach der Nichtzulassung von Frauen zu Weiheämtern mit. Die Motivation der Frauen ist, dass sie das Bistum dabei mit konkreten Schritten im Kontext vor Ort weiterdenken wollen. Die Frauen sehen in der Frauenkommission ein ehrliches Angebot zur Mitgestaltung. Jetzt muss sich beweisen, dass es das auch ist.

Frage: Es geht in den Stellungnahmen der Frauen also um umsetzbare Schritte und nicht etwa um Forderungen wie die Priesterweihe für Frauen in den nächsten zwei Jahren?

Wolf: Frauen sind ja auch nicht kurzsichtig. Natürlich zieht sich die Frage nach den Ämtern durch. Aber die Frauen wissen, unter welchen Bedingungen wir in der katholischen Kirche leben. Deswegen sagen sie: Wir brauchen unsere Forderungen nach dem gleichberechtigten Zugang zum Amt nicht ad acta zu legen. Aber wir arbeiten jetzt an Schritten, die umsetzbar sind und an Veränderungen in diesem System, die Frauen mehr Sichtbarkeit, mehr Mitsprache und mehr Leitungsmöglichkeiten geben, denn wir haben noch vieles auszuschöpfen, was wir nicht ausschöpfen. Insofern sind diese Frauen schon sehr realistisch. Aber sie haben ihre Grundideen nicht aufgegeben zugunsten der Pragmatik, die eben näher liegt.

Frage: In der Pressemitteilung des Bistums werden Sie mit den Sätzen zitiert: "Wir müssen diesen Schwung nutzen, um wirklich Schritte der Veränderung zu gehen. Wenn nichts passiert und die Frauenkommission als Trostpflaster gesehen wird, wäre das nicht nur ein Schaden für die Geschlechtergerechtigkeit im Bistum." Was heißt das für Sie konkret?

Wolf: Das heißt für mich, dass das eine einmalige Chance für das Bistum Mainz ist. Das ist ein Versprechen, sich beraten zu lassen. Wenn es nicht gelingt, in einen guten Dialog zu kommen, dann müssen Frauen vielleicht erneut die Erfahrung machen, dass Versprechungen nicht gehalten werden und sie nicht im Blick sind. Dann werden sich die Frauen wohl nicht nur aus dem Feld der Strukturen zurückziehen, sondern insgesamt aus dem kirchlichen Leben. Viele Teilnehmerinnen der Versammlung haben gesagt: Wenn das nur ein Trostpflaster war, ein Alibi, dann habt ihr mich ganz verloren. Wir müssen jetzt nicht in Aktionismus verfallen, aber in den zwei Jahren, für die die Kommission jetzt gewählt worden ist, sind wir vielleicht Schritte auf dem Weg zu Veränderungen gegangen. Wenn aber keine Taten folgen, und die Frauen ungehört bleiben, dann war das die letzte Kommission, die wir gewählt haben. Es muss wirklich ein offener Dialog in Gleichwertigkeit beginnen.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Frage: Was könnten denn Schritte sein, die in den nächsten zwei Jahren gegangen werden sollten?

Wolf: Die Kommission hat zunächst die Herausforderung, für sich zu benennen, was sie bearbeiten möchte. Wenn es zum Beispiel beim Vorsitz der Räte eine Parität geben soll, könnte es eine Selbstverpflichtung der Bistumsleitung geben, an den Schritten oder Statuten zu arbeiten. Dann muss es in zwei Jahren noch nicht in jedem Rat eine Parität geben, aber es gäbe zumindest schon in der Novellierung der Statuten eine Veränderung auf dem Weg dorthin. So kommt man in Schritte des Handels. Oder dass die Frage nach dem Predigtdienst für Frauen oder andere Gottesdienstformen zumindest in den liturgischen Kommissionen und den Räten diskutiert wird und Überlegungen zusammengetragen werden, was man denn umsetzen könnte.

Frage: Ist die Frauenkommission im Bistum Mainz denn die erste ihrer Art in den deutschen Bistümern, oder gibt es Vorbilder?

Wolf: Es gibt Vorbilder und ganz unterschiedliche Formen der Frauenkommissionen, beispielsweise in den Bistümern Münster, München und Freising, Speyer, Augsburg, Passau und Würzburg. Die ersten Frauenkommissionen sind in den 90ern entstanden. Oft sind das ebenfalls Gremien von zehn oder zwölf Frauen, die vom Bischof berufen werden und sich mit ihm treffen. Da haben wir uns viele der Ordnungen zum Vorbild genommen. Es gibt aber auch andere Formen von Kommissionen oder Frauenkommissionen in Bistümern, wo sich Gruppen zusammentun, die in der Frauenpastoral, oder mit Frauen arbeiten. Da sind dann oft unter anderem die Pastoral- und Gemeindereferentinnen, die Ordensfrauen, die Verbände und weitere Gruppen. Sie beraten auch die Bistumsleitung, aber mit größerem Abstand, weil sie eigene Satzungen haben und nicht vom Bischof berufen sind. Im Bistum Limburg gibt es eine Arbeitsgruppe zum Thema Geschlechtergerechtigkeit, die die Bistumsleitung berät. Neu ist bei uns im Bistum Mainz aber wohl, dass die Kommissionsmitglieder in einem ganz offenen Wahlprozess bestimmt wurden und der Bischof vorher zugesichert hat, die gewählten Frauen auch zu berufen. Weil der Impuls zur Frauenkommission so stark vom Bischof mitgetragen wird, bin ich auch zuversichtlich, dass hier ein gutes Miteinander und Veränderungen gelingen können.

Frage: Im September trifft sich die Frauenkommission zur konstituierenden Sitzung. Was sind die nächsten Schritte, wie es für die Frauenkommission weitergeht?

Wolf: Zunächst einmal müssen sich die Frauen im Vorfeld kennenlernen und sich austauschen und der Bischof wird die Frauen noch berufen. Bei der konstituierenden Sitzung im September gibt sich das Gremium dann eine Sprechergruppe aus drei Personen, die die Kommission vertritt. Danach wird es die ersten Sondierungen geben, wo die thematischen Schwerpunkte liegen und inwiefern es eine Arbeitsform gibt. Die erste Kommission muss zudem die vorläufige Ordnung überarbeiten und eine dauerhafte Ordnung finden. Da wird sich im System sicherlich auch das ein oder andere verändern, weil man etwas ausprobiert und feststellt, was funktioniert und was nicht. Es gibt zudem mehrere Frauen, die nicht in die Kommission gewählt werden wollten, die sich aber trotzdem weiterhin einbringen wollen. Wir gehen deshalb auch felsenfest davon aus, dass es in zwei Jahren wieder eine Versammlung gibt und dass dann eine neue Kommission gewählt wird, die ihre Arbeit weiterführt.

Von Christoph Brüwer