Neue Erkenntnisse der Biologie in Diskussion berücksichtigen

Theologe: Auch eine Frau kann Christus repräsentieren

Veröffentlicht am 12.04.2022 um 12:08 Uhr – Lesedauer: 

Münster ‐ Kann sich die Lehre der Kirche über die Frauenweihe ändern? Sie muss sogar, ist der Theologe und Biologe Ulrich Lüke überzeugt. Er fordert, naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen, und beruft sich ausgerechnet auf Thomas von Aquin.

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Nach Ansicht des Theologen und Biologen Ulrich Lüke kann auch eine Frau Jesus Christus bei der Eucharistie repräsentieren. Bei der Diskussion um die Zulassung von Frauen zum Weiheamt müssten neue Erkenntnisse der Naturwissenschaften berücksichtigt werden, schrieb Lüke am Dienstag in einem Gastkommentar für das Portal "Kirche und Leben". "Wir müssen die biologischen Sachverhalte dieser Welt als Schöpfung Gottes redlich zur Kenntnis nehmen, um nicht bei den theologischen Sachverhalten über Gott, ihren Schöpfer, in die Irre zu gehen", so der frühere Professor für Sys­tematische Theologie.

Auf den Zusammenhang zwischen "Weltwissen und Gotteslehre" habe bereits Thomas von Aquin mit dem Satz hingewiesen: "Ein Irrtum über die Welt wirkt sich aus in einem falschen Denken über Gott." Für Lüke folgt daraus, dass sich die Lehre der Kirche ändern könne und sogar müssen, "wenn neue Erkenntnisgründe da sind, weil uns die Wahrheit, Gott selber, dazu verpflichtet". Eine veränderte Erkenntnisgrundlage sieht der Biologe in der genetischen Begründung des menschlichen Geschlechts gegeben: Eine Frau sei "in aller Regel" mit zwei X-Chromosomen ausgestattet, ein Mann mit einem X- und einem Y-Chromosom. Es gebe aber Abweichungen in der Erbanlage, die eine Person mit XX-Genom männlich oder eine mit XY-Genom weiblich erscheinen ließen. Auch existierten Menschen mit der Chromosomen-Kombinationen XXY, so Lüke.

Hier stelle sich die Frage: "Sind sie wegen der zwei X nun Frauen oder wegen des XY Männer?" Bezüglich der Weihe würde in diesen Fällen meist nach dem Erscheinungsbild entschieden. Er kenne mindestens eine Person, die zur Priesterweihe zugelassen wurde, obwohl der Bischof von ihrem uneindeutigen XXY-Genom gewusst habe, so Lüke. Im Zentrum des christlichen Glaubens stehe die "Menschwerdung Gottes, nicht die Mannwerdung Gottes". Darum könne auch eine Frau "durch ihre Menschlichkeit" Christus repräsentieren, schreibt der Theologe. Ulrich Lüke war von 2001 bis 2017 Professor für Sys­tematische Theologie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und arbeitet heute als Krankenhausseelsorger in Münster. (mfi)