Russische Orthodoxie erkennt Unabhängigkeit an

Ukrainisch-orthodoxe Kirche trennt sich vom Moskauer Patriarchat

Veröffentlicht am 28.05.2022 um 16:17 Uhr – Lesedauer: 

Kiew ‐ Einzelne Gemeinden gingen bereits voraus. Nun hat sich der gesamte bisher zum Moskauer Patriarchat gehörende Teil der ukrainischen Kirche unabhängig erklärt. Moskau billigte den Schritt, der zukünftige Status der Kirche ist aber noch unklar.

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Russlands Krieg gegen die Ukraine führt zu einer Spaltung der russisch-orthodoxen Kirche. Ihr ukrainischer Zweig beschloss am Freitag in Kiew seine völlige Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchat, dem sie seit 1686 unterstand. Nach einem Landeskonzil, an dem Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien teilnahmen, erklärte die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats am Abend: "Wir teilen nicht die Position des Patriarchen von Moskau und ganz Russland, Kyrill, zum Krieg in der Ukraine."Das Konzil habe Änderungen des Kirchenstatuts angenommen, "die die volle Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche bescheinigen". Weitere Einzelheiten zu der Loslösung vom Moskauer Patriarchat wurden zunächst nicht bekannt. Für Russlands Kirche wäre der Verlust ihres ukrainischen Zweigs mit Millionen Gläubigen und Geistlichen ein schwerer Schlag.Im Gegensatz zu Kyrill I. verurteilte das ukrainische Landeskonzil Russlands Angriffskrieg als Verstoß gegen das Gebot "Du sollst nicht töten!". Die Versammlung sprach allen Menschen, die unter dem Krieg litten, ihr Beileid aus. Die Regierungen der Ukraine und Russlands sollten den Verhandlungsprozess fortsetzen und das "Blutvergießen" beenden.

Unabhängigkeit durch Moskauer Patriarchat bestätigt

Die russisch-orthodoxe Kirche akzeptiert nach eigenen Angaben die völlige Unabhängigkeit ihres ukrainischen Zweiges. Der Außenamtschef des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, stimmte am Samstag in einer Videobotschaft der Entscheidung der ukrainisch-orthodoxen Kirche zu, ab sofort komplett eigenständig zu sein. Zugleich betonte er: "Die Einheit der russischen und ukrainischen Kirche bleibt gewahrt, und wir werden diese Einheit weiter stärken."

Hilarion sagte, das kirchliche Zentrum der ukrainischen Orthodoxen liege nicht in Moskau, sondern in Kiew. Die Kirche des Nachbarlandes sei weder organisatorisch noch finanziell auf irgendeine Weise von Moskau abhängig. Der Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche, Wladimir Legoida, hatte sich am Freitagabend in einer ersten Reaktion noch überrascht vom Votum des ukrainischen Landeskonzils gezeigt. "Wir beten für die Bewahrung der Einheit der russisch-orthodoxen Kirche", erklärte er.

Zu den konkreten Folgen der Unabhängigkeit der ukrainischen Kirche zählt offensichtlich auch, dass der Kiewer Metropolit Onufri nicht mehr dem Leitungsgremium der russisch-orthodoxen Kirche angehört. Der 77-Jährige steht seit 2014 an der Spitze der ukrainischen Kirche. Allerdings gab sie bisher nicht bekannt, welche Änderungen ihres Kirchenstatuts das Konzil beschlossen hat. Daran nahmen Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien aus allen Diözesen teil.

Auslöser: Unterstützung des Moskauer Patriarchen für russischen EinmarschDie Theologin und Osteuropaexpertin Regina Elsner nannte den Konzilsbeschluss "beeindruckend". "Die ukrainische Orthodoxie befreit sich damit von der toxischen Wirkung Moskaus, auch wenn der Weg bis zum Religionsfrieden in der Ukraine erst anfängt", sagte sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).Die Unterstützung des Moskauer Patriarchen Kyrill I. für Russlands Einmarsch in der Ukraine sorgt auch im ukrainischen Zweig seiner Kirche seit Monaten für Empörung. In der ukrainischen Kirche forderten immer mehr eine Trennung vom Moskauer Patriarchat. In 21 der 53 Diözesen stellten die örtlichen Bischöfe ihren Pfarreien frei, Kyrill I. in der Liturgie nicht mehr zu gedenken, was als schwere Sanktion gilt. Mehr als 400 Priester forderten ein "internationales Kirchentribunal" gegen Kyrill, weil er den Krieg gegen die Ukraine gesegnet habe. Schon bis dato wählte die Moskau unterstehende ukrainische Kirche ihr Oberhaupt und ihre Bischöfe selbst. Ihre bisherige Autonomie umfasste auch die Finanzen.

Rund 60 Prozent der etwa 41 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings zwei verschiedenen Kirchen an: der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats und der Ende 2018 gegründeten eigenständigen (autokephalen) Orthodoxen Kirche der Ukraine. Die moskautreue Kirche zählt in der Ukraine mit rund 12.000 Pfarreien zwar deutlich mehr als jede andere Konfession. Aber in Umfragen bekannten sich die meisten Bürger zur neuen, unabhängigen orthodoxen Kirche. Zu ihr sollen in den vergangenen drei Monaten etwa 400 ehemalige Gemeinden des Moskauer Patriarchats gewechselt sein. Nach eigenen Angaben zählt sie nun etwa 7.600 Pfarreien. (KNA)

28.05., 16:55 Uhr: Ergänzt um Bestätigung des Moskauer Patriarchats.