Aus einstigem "Aufklärer" sei sein Verteidiger geworden

Kritik an Kardinal Woelkis Missbrauchsgutachter Gercke

Veröffentlicht am 20.10.2022 um 16:14 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Rechtsanwalt Björn Gercke legte im März 2021 das Kölner Missbrauchsgutachten vor, das Kardinal Woelki keinerlei Pflichtverletzungen bescheinigte. Jetzt tritt er als Rechtsbeistand des Erzbischofs auf. Kritik daran weist er zurück.

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Ein vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki beauftragter Missbrauchsgutachter gerät in die Kritik. Nachdem Rechtsanwalt Björn Gercke vor rund zwei Jahren ein Gutachten zur Aufarbeitung von Missbrauch für das Erzbistum Köln erarbeitet hatte, das Woelki keinerlei Pflichtverletzungen bescheinigte, tritt er nun als Rechtsbeistand des Kardinals auf. Aus Woelkis einstigem "Aufklärer" sei sein Verteidiger geworden, kritisierte Strafrechtlerin Jessica Hamed am Donnerstag im "Kölner Stadt-Anzeiger" (online). Gercke hingegen wies den Vorwurf einer Interessenkollision als abwegig zurück.

Nach Ansicht von Hamed könnte Gercke gegen berufsrechtliche Regeln verstoßen haben, da ein Rechtsanwalt nicht in derselben Rechtssache die Vertretung widerstreitender Interessen übernehmen dürfe. Im vorliegenden Fall stünden zwei Interessen "unversöhnlich" gegenüber: "Das Erzbistum will alle etwaigen Verfehlungen ans Licht bringen, und Woelki will sich gegen etwaige Verfehlungen verteidigt wissen."

Es habe "zu keinem Zeitpunkt einen zeitlichen Gleichlauf" gegeben

Gercke argumentierte hingegen: "Unser Gutachten war bereits mehr als anderthalb Jahre vor der Mandatsübernahme zugunsten von Herrn Kardinal Woelki abgeschlossen." Es habe "zu keinem Zeitpunkt einen zeitlichen Gleichlauf" gegeben. Zudem unterschieden sich die beiden Aufträge inhaltlich: Während die Gutachter die Einhaltung von Verhaltensvorschriften bei der Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen überprüft hätten, gehe es jetzt um den Vorwurf der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, also um "gänzlich andere rechtliche Aspekte und Vorschriften".

Woelki wird vorgeworfen, falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben zu haben. Vor dem Landgericht Köln wehrt sich der Kardinal derzeit gegen Medienberichte, die nahelegen, er habe sexuell übergriffige Priester geschont. In dem Rechtsstreit legte Woelki zwei eidesstattliche Versicherungen vor, die den Anstoß für Strafanzeigen gegen ihn gaben.

Die Staatsanwaltschaft Köln hat Ermittlungen gegen den Kardinal zum Teil bereits abgelehnt. Sollte es noch zu einem Verfahren kommen, würde Gercke als Woelkis Verteidiger auftreten. Der Rechtsanwalt war vor rund zwei Jahren vom Erzbistum Köln mit der Erstellung eines Missbrauchsgutachtens beauftragt worden. Die Untersuchung, die seit März 2021 vorliegt, weist acht Kirchenvertretern Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen nach. Woelki zählt nicht dazu. (KNA)