Schwester Christine Klimann über das Sonntagsevangelium

"Es wird eine Zeit kommen": Und jetzt?

Veröffentlicht am 12.11.2022 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 
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Rom ‐ Dieses Jahr klingen die apokalyptischen Reden Jesu unangenehm aktuell – Schwester Christine Klimann hat fast den Eindruck, die Tagesschau zu hören. Also nur eine Bestätigung unseres negativen Weltbildes? Wer Jesus genau zuhört, entdeckt drei Botschaften, die sicher nicht in den Nachrichten kommen.

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Impuls von Schwester Christine Klimann

Jedes Jahr im November hören wir die apokalyptischen Reden Jesu, dieses Jahr aber klingen sie unangenehm aktuell. Vermutlich hat sich jede Generation irgendwie in diesen Texten wiedergefunden, heute habe ich aber beinahe den Eindruck, die Tagesschau zu hören. Von schrecklichen Dingen ist da die Rede – viele sind schon geschehen, andere hängen als Bedrohung in der Luft. Wir sind zwar nicht diejenigen, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden, aber für wie viele Menschen dieser Erde ist auch das bitterste Realität. Nein, wir können wirklich nicht sagen, dass dieses Evangelium nichts mit uns zu tun hätte.

Nur – was ist die Botschaft? Ausgangspunkt der Rede Jesu ist, dass nicht näher Genannte den Tempel bewundern. Ich sitze vor der Skyline Frankfurts und denke darüber nach, wie viele Bauwerke ich dieses Jahr – von Rom bis Granada – schon bewundert habe. Aber es war auch dieses Jahr, dass ich mir, auf der Piazza Santa Maria in Trastevere in Rom, plötzlich unwillkürlich gedacht habe, dass es sein kann, dass es diese Welt so wie wir sie kennen und gewohnt sind, bald nicht mehr gibt. Ganz einfach, weil wir sie zugrunde gerichtet haben. Und da höre ich die Worte Jesu: "Es wird eine Zeit kommen, da wird von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem anderen bleiben; alles wird niedergerissen werden." Natürlich weiß ich aus der Exegese, dass hinter diesen Worten die Erfahrung der Zerstörung Jerusalems steht; beunruhigend sind sie trotzdem. Sie rütteln mich auf und sagen mir, dass an den Gott Jesu Christi glauben, nicht unbedingt bedeutet, fraglos davon auszugehen, dass die Welt immer besser, sicherer und schöner wird.

Was aber ist die Alternative? Die erste Botschaft unseres heutigen Textes ist die Aufforderung, ruhig zu bleiben, und gerade nicht in Panik, Weltuntergangsprophezeiungen und Verschwörungstheorien zu verfallen. Und die zweite Botschaft ist, dass es um etwas anderes geht, als darum, ein möglichst bequemes und sorgenfreies Leben zu haben. Wer sich darauf einlässt, hört als dritte Botschaft: "Euch wird kein Haar gekrümmt werden." Und: "Ihr werdet das ewige Leben gewinnen."

Der Punkt ist, dass diese drei Botschaften zusammengehören. Auch wenn mir manchmal einzelne Teile lieber wären als das Gesamtpaket. Erlösung – und vielleicht auch ganz einfach Perspektive – gibt es nur, indem ich mich bemühe, mich ganz auf die Logik Jesu einzuschwingen: Das höchste Gut ist nicht eine sorgenfreie irdische Existenz, sondern die Vollendung in Gott, die wir erwarten. Daraus kann Gelassenheit erwachsen, die vor Panik bewahrt. Und es wird uns – wenn wir in der Spur Jesu gehen – drängen, uns leidenschaftlich einzusetzen für die Erde und für unsere Schwestern und Brüder in Not.

Aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 21,5–19)

In jener Zeit, als einige darüber sprachen, dass der Tempel mit schön bearbeiteten Steinen und Weihegeschenken geschmückt sei, sagte Jesus: Es werden Tage kommen, an denen von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem andern bleibt, der nicht niedergerissen wird.

Sie fragten ihn: Meister, wann wird das geschehen und was ist das Zeichen, dass dies geschehen soll? Er antwortete: Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es! und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht nach! Wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch nicht erschrecken! Denn das muss als Erstes geschehen; aber das Ende kommt noch nicht sofort.

Dann sagte er zu ihnen: Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben. Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen.

Aber bevor das alles geschieht, wird man Hand an euch legen und euch verfolgen. Man wird euch den Synagogen und den Gefängnissen ausliefern, vor Könige und Statthalter bringen um meines Namens willen. Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können.

Nehmt euch also zu Herzen, nicht schon im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen; denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können.

Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden. Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.

Die Autorin

Schwester Christine Klimann gehört zur Kongregation der Helferinnen, ist Pastoralreferentin und studiert in Rom Psychologie.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.