Pfarrer Alexander Bergel über das Sonntagsevangelium

Heute noch.

Veröffentlicht am 19.11.2022 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
Ausgelegt!

Osnabrück ‐ Verteilt Jesus jetzt etwa auch esoterische Trostpflaster? Er verspricht das Paradies – allerdings vom Kreuz herab. Pfarrer Alexander Bergel begegnet einem König, der die Massen nicht beruhigen, sondern aufrütteln will. Für seine Botschaft an uns geht er selbst durch Schmerz, Verzweiflung und Tod.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Was für ein Vertrauen! Kurz vor seinem Tod bittet einer, der bald sterben wird, einen anderen Todgeweihten: "Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst." Vielleicht kannte er Jesus bereits. Vielleicht begegnet er ihm auf Golgota aber auch zum ersten Mal. Nur ein paar Stunden hängt er neben diesem Mann aus Nazareth – und vertraut ihm sein Leben an. "Heute wirst du mit mir im Paradies sein!", lautet dann auch die Antwort Jesu. Und sie gilt nicht nur ihm, sondern allen, die das hören. Heute wirst du mit mir im Paradies sein! Nicht irgendwann – heute! Also, Mensch: Vertrau mir doch – auch wenn die Fakten dagegensprechen! Vertrau mir doch – auch wenn dich alle hängen lassen! Vertrau mir doch – auch wenn du keinen Ausweg siehst!

Ja, mag da mancher denken, das hört sich alles so schön an. Und die Geschichte vom heruntergekommenen Gott, von dem, der mich kennt, wie ich bin, der auch in Leid und Tod an meiner Seite ist – all das ist sehr ergreifend. Aber wirklich ergriffen bin ich von diesem Elend, von all den Sorgen, meinen eigenen und den der vielen anderen. Wirklich ergriffen und verunsichert, ja und auch verstört und verletzt bin ich von den vielen Mächten des Todes in meiner kleinen und in der großen Welt … Heute wirst du mit mir im Paradies sein – mir sagt das keiner! Es ist so weit weg, dieses Paradies.

Das stimmt. Es ist weit weg, das Paradies. Und trotzdem ist es da. In uns. Sicher, so werden auch psychologische oder esoterische Trostpflaster verteilt. Und die Religion stand ja schon immer im Verdacht, die Massen beruhigen zu wollen. Aber genau das ist mit Jesus eben nicht zu machen. Er hat die Schwachen stark gemacht und die Kranken gesund. Er hat Kinder und Frauen vom Rand in die Mitte gestellt. Er hat die Wunden der Menschen, die dämonischen Schatten ihrer Vergangenheit ernst genommen und so Heilung geschenkt. Jesus hat den politischen und religiösen Führern den Kampf angesagt, weil sie vergessen hatten, wofür sie da waren. Jesus hat nie vertröstet. Er hat die Dinge beim Namen genannt. Er hat Perspektiven eröffnet. Er hat geheilt. Deshalb hängt er am Kreuz.

Geplant hatte er das sicher nicht. Aber je mehr Jesus seinen Weg fand und ihn konsequent ging, desto mehr wurde ihm auch klar, wie sehr beides zusammengehört: Handeln und Vertrauen. Jesus konnte seinen Weg der Liebe und der Klarheit nur gehen im Vertrauen auf seinen Vater. Und dem vertraut er – bei allem Zweifel, bei allem inneren Kämpfen – bis zum Schluss. Die Ahnung vom Paradies verliert er nie.

Lange ist das her. Und Argumente dagegen gibt es nach wie vor zuhauf. Aber dann gibt es noch diesen Mann am Kreuz, der Jesus vielleicht nur diese paar Karfreitagsstunden erlebt hat – und dennoch oder vielleicht gerade deswegen alles auf diese eine Karte setzt. Dann gibt es uns, die wir oft wie in einem langen, unendlich langen Karsamstag darauf warten, dass endlich Ostern wird. Und dann, ja dann gibt es da noch etwas – diesen kleinen Mutmacher des Evangelisten Lukas. Erinnern Sie sich? Richtig: das kleine Wörtchen "Heute". Siebenmal taucht es in seinem Evangelium auf. Das letzte Mal in tiefster Verzweiflung. Am Kreuz. Und immer heißt es: Trau dich, Mensch. Trau dich zu vertrauen. Ja, trau dich! Nicht irgendwann. Heute!

Evangelium nach Lukas (Lk 23,35b–43)

In jener Zeit verlachten die führenden Männer des Volkes Jesus und sagten: Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Christus Gottes ist, der Erwählte. 

Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann rette dich selbst! Über ihm war eine Aufschrift angebracht: Das ist der König der Juden. 

Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.

Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.

Der Autor

Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.

Ausgelegt!

Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.